Systemwechsel im Wettbewerbsrecht  

erstellt am
10. 11. 03

Hanreich: „Stärkere Ausrichtung der österreichischen Vorschriften auf die EU-Neuerungen ab 1.5.2004“ – II. Wettbewerbssymposium der Wirtschaftskammer
Wien (pwk) - Die Bedeutung der Wettbewerbspolitik und des Kartellrechtsvollzugs auf europäischer und nationaler Ebene hat in den letzten Jahren wesentlich zugenommen. Die große Reform des gesamten europäischen Wettbewerbsrechts erreicht mit dem 1. Mai 2004 ihren Höhepunkt. Dann treten auf EU-Ebene die neuen Verordnungen über die Fusionskontrolle und das Kartellverfahren mitsamt einem umfassenden begleitenden Modernisierungspaket in Kraft.

"Ab diesem Zeitpunkt wird die Welt des Kartellvollzugs auch in den Mitgliedstaaten nicht mehr die gleiche sein", stellte der Leiter der Abteilung für Rechtspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich, Doz. Hanspeter Hanreich, am Freitag zur Eröffnung des II. Wettbewerbssymposiums ("Österreichische Wettbewerbspolitik auf dem Weg zu neuen Ufern") im Haus der Wirtschaft fest. Hochrangige Experten, darunter der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde, Univ.Prof. Walter Barfuß, der stv. Vorsitzende der Wettbewerbskommission, Univ.Prof. Gunther Tichy, Bundeskartellanwalt Dr. Alfred Mair und Dr. Erich Schwarzenbacher vom Oberlandesgericht Wien, diskutieren im Verlauf der Tagung die Erfahrungen mit dem neuen österreichischen Kartellvollzug und werfen einen Blick in die Zukunft, vor allem in Hinblick auf die Neuerungen auf EU-Ebene.

Zu den wesentlichen Neuerungen zählt, so Hanreich, die umfassende Anwendung des gesamten EU-Wettbewerbsrechtes in den Mitgliedsstaaten auch durch die nationalen Wettbewerbsbehörden und Zivilgerichte, die umfassende Zusammenarbeit der EU-Kommission und der nationalen Behörden im European Competition Network (ECN) sowie die weitgehende Überlagerung des nationalen Kartellrechts durch das europäische Wettbewerbsrecht.

Aus Unternehmersicht sind die europäischen Reformen positiv zu bewerten, insoweit sie zu einer "Ökonomisierung" des Wettbewerbsrechtes führen, d.h. nicht die äußere juristische Gestalt eines kartellrechtlichen Sachverhaltes ist entscheidend, sondern die tatsächlichen wirtschaftlichen Wirkungen auf Markt und Verbraucher. Problematisch ist allerdings die steigende Komplexität des Kartellrechts.

Auf österreichischer Ebene hat die Kartellgesetznovelle 2002 vor allem Veränderungen im institutionellen Gefüge des heimischen Kartellrechtsvollzugs gebracht. "Die Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung", erklärt Hanreich. Kritik wird jedoch an der mangelnden Effizienz und Transparenz der neuen Wettbewerbsaufsicht vorgebracht. Aus Sicht der Wirtschaftskammer könnte dieser Problematik in erster Linie dadurch begegnet werden, indem die Position der antragstellenden Kartellbehörden personell und finanziell gestärkt wird.

Ziel einer (in Arbeit befindlichen) Reform des Kartellgesetzes müsse eine stärkere Ausrichtung der österreichischen Vorschriften auf die europäischen Herausforderungen sein, die ab 1. Mai auf Österreich zukommen. Dazu gehören eine Durchforstung der Bestimmungen (inwieweit diese noch zeitgemäß sind), eine Harmonisierung der Verfahrensabläufe sowie die Sicherung der Möglichkeiten für in Österreich tätige Unternehmen, durch entsprechende Antragsmöglichkeiten beim Kartellgericht weiterhin ein hohes Maß an Rechtssicherheit erlangen zu können.
 
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