The Economic Potential of a Larger Europe "Keys to Success"
Wien (oenb) - Der zweite Tag (Dienstag 04. 11.) der Ost-West-Konferenz
der Oesterreichischen Nationalbank steht ganz im Zeichen jener Schlüsselfaktoren, die für den wirtschaftlichen
Erfolg der EU-Erweiterung verantwortlich sind. Einleitend strich Direktor Josef Christl die intensiven wirtschaftlichen
Verflechtungen zwischen dem Euroraum und den Beitrittsländern hervor. Insbesondere österreichische Betriebe,
allen voran österreichische Banken, haben in den letzten Jahren die unternehmerische Chance in Zentral- und
Osteuropa ergriffen und darüber hinaus aktiv zum Strukturwandel dieser Region beigetragen.
Österreichs Banken gehören zu den aktivsten Finanzinstituten in dieser Region. In der Tschechischen Republik,
in der Slowakei und in Kroatien halten sie einen Marktanteil von je rund 30%. Tatsächlich stammt bereits rund
ein Viertel der Gewinne österreichischer Banken von Tochterunternehmen in Osteuropa.
Mittlerweile ist die Restrukturierung, Rekapitalisierung und Privatisierung des Bankensektors in Zentral- und Osteuropa
weit fortgeschritten. Substanzielle Unterschiede gibt es hingegen nach wie vor bei der Finanzintermediation; hier
liegt Osteuropa noch deutlich unter dem EU-Durchschnitt.
Nachdem die Marktwirtschaft in den Transformationsländern in praktisch allen Bereichen Einzug gehalten hat,
ist der Staat nun besonders als Aufsichtsbehörde gefragt. Während der gesetzliche Rahmen in den Beitrittsländern
weitgehend etabliert ist, gibt es im Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung dieser Spielregeln noch Handlungsbedarf.
Insbesondere die Finanzmarktaufsichtsbehörden sind angesichts der zahlreichen Neuerungen gefordert.
Die Stabilisierung des Umfeldes ist allerdings nicht nur Aufgabe der Behörden, sondern auch der Wirtschaftspolitik.
In diesem Zusammenhang ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt ein unverändert wichtiges Instrument, betonte
Christl. Gesunde Finanzen sind nicht nur in Westeuropa, sondern auch in den Beitrittsländern eine wichtige
Voraussetzung für ein stabiles Wirtschaftswachstum. Ab dem EU-Beitritt Anfang Mai 2004 werden die neuen Mitgliedsländer
einer regelmäßigen Beurteilung durch die Europäische Kommission unterzogen werden. Die dann ebenfalls
zur Anwendung kommende 3%-Defizitgrenze wird derzeit von einigen dieser Länder überschritten.
Im Hinblick auf eine künftige monetäre Integration spielt die Teilnahme am Wechselkursmechanismus ERM
II eine zentrale Rolle. Die damit verbundene Reduktion der Schwankungsbreite des Wechselkurses würde eine
Stabilisierung in zahlreichen Bereichen, unter anderem bei den Importpreisen, mit sich bringen. Insofern sind von
einem ERM II-Beitritt mittelfristig positive Impulse sowohl für die reale als auch die nominelle Konvergenz
zu erwarten.
Insgesamt beschäftigt sich die Tagung mit der Bestandsaufnahme, der Analyse und den Perspektiven der bisherigen
Konvergenz und Integration im Zuge der EU-Erweiterung. Nachdem gestern der renommierte amerikanische Wirtschaftswissenschaftler
Barry Eichengreen zur Wahl der richtigen Wechselkurspolitik auf dem Weg in den Euroraum Stellung genommen hat,
wird heute Charles Wyplosz, in Genf lehrender Ökonom und Autor zahlreicher Bücher, die Zukunft eines
vereinten Europas skizzieren. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wird erörtert werden, ob für eine vollständige
Ausschöpfung der wirtschaftlichen Potenziale eine über die derzeitige wirtschaftspolitische Zusammenarbeit
hinausgehende Koordination sinnvoll und notwendig sein wird.
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