Khol: Europäische Integration ist kontinuierlicher Erfolgsprozess  

erstellt am
04. 11. 03

10. Jahrestag des Inkrafttretens des Vertrags von Maastricht
Wien (pk) - Vor zehn Jahren, mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht am 1. November 1993, ist die Europäische Union entstanden. "Damit ist ein wesentlicher Schritt in der Vertiefung der europäischen Integration gesetzt worden, der diesem Prozess zugleich neue Impulse gegeben und seinen Verlauf beschleunigt hat," sagte Nationalratspräsident Andreas Khol in diesem Zusammenhang am Montag (03. 11.) gegenüber der Parlamentskorrespondenz.

Der politische Ansatz, die Europäischen Gemeinschaften zu einer Europäischen Union zu verfestigen, war seit den frühen 1970er Jahren in der integrationspolitischen Diskussion immer wieder formuliert und vertreten worden. Die Integrationsdynamik war jedoch immer mehr ins Stocken geraten, Schlagwörter wie jenes von der "Eurosklerose" waren populär geworden. Der 1984 vom Europäischen Parlament vorgelegte, reformorientierte Vertragsentwurf über eine Europäische Union hatte wenig Echo im Rat gefunden. Erst die revolutionären politischen Umwälzungen von 1989 befeuerten auch die europäische Integrationspolitik aufs neue, und der Europäische Rat von Dublin im Juni 1990 entwarf das Konzept einer "Politischen Union".

Am 14. Dezember 1990 wurden zwei Regierungskonferenzen eröffnet, welche parallel zu einander die Zielsetzungen verfolgten, eine Politische Union und eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Ein Jahr später, im Rahmen des Europäischen Rates von Maastricht am 10. Dezember 1991, gelang die politische Einigung über jenes Vertragswerk, das als "Vertrag von Maastricht" bekannt geworden ist. Nach umfangreichen Detailarbeiten am 7. Februar 1992 unterzeichnet, ist dieser Vertrag nach langwieriger Ratifikationsprozedur am 1. November 1993 in Kraft getreten. Der Vertrag von Maastricht hat für Österreich vor allem deshalb besondere Bedeutung, weil die Österreicherinnen und Österreicher bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs mit einer Zweidrittelmehrheit im Juni 1994 diesem Vertragswerk zugestimmt haben.

Der neue "Vertrag über die Europäische Union", welcher das Kernstück des Vertragswerks von Maastricht bildet, schuf die Europäische Union als einheitlichen institutionellen Rahmen für die verschiedenen Formen integrationspolitischen Zusammenwirkens: die der wirtschaftlichen Integration dienenden supranationalen Europäischen Gemeinschaften, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die neue Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Für diese Konstruktion wurde bald das Bild eines auf drei Säulen ruhenden Daches üblich.

"Wer 1993 prophezeit hätte, dass die Europäische Union zehn Jahre später nicht nur unmittelbar vor der Erweiterung um einen Großteil der Reformstaaten, sondern auch vor der Schaffung einer europäischen Verfassung stehen würde, wäre wohl als Utopist qualifiziert worden," so Khol. In den letzten zehn Jahren hat sich das Tempo des Integrationsprozesses signifikant erhöht: Nach den beiden Vertragsrevisionen von Amsterdam und Nizza hat nun der Konvent zur Zukunft Europas den Entwurf einer europäischen Verfassung ausgearbeitet, der seit kurzem Gegenstand der Beratungen einer neuen Regierungskonferenz ist. Dieser Entwurf schlägt unter anderem vor, die Gemeinschaftsverträge zusammenzufassen und die Europäische Union mit Rechtspersönlichkeit auszustatten, das Dach also gleichsam in ein Haus umzuwandeln, in dem sich das weitere Zusammenwachsen der europäischen Staaten vollziehen kann.

Bürgernähe und Transparenz als zentrale Forderungen, die an ein Modell europäischer Integration gestellt werden können, verwirklicht der Entwurf durch die übersichtlichere Gestaltung des europäischen Primärrechts, aber auch durch neue institutionelle Regelungen. Darauf wies Präsident Khol ebenso hin wie auf den Umstand, dass mit der Integration der Grundrechtscharta in den Verfassungsentwurf diese rechtsverbindlich wird und umfassenden Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene garantiert.

Der Präsident des Nationalrates betonte, dass mit der neuen europäischen Verfassung auch die nationalen Parlamente eine erweiterte Mitwirkung in der EU-Rechtssetzung erhalten werden. So ist im Verfassungsentwurf vorgesehen, dass die nationalen Parlamente alle EU-Vorhaben nach dem Subsidiaritätsprinzip prüfen und gegebenenfalls ihren Einspruch geltend machen können, wobei auch der Weg EUGH offen stehen wird.

"Der Nationalrat und der Bundesrat haben schon heute aufgrund der Österreichischen Bundesverfassung ein umfassendes Mitwirkungsrecht in EU-Angelegenheiten. Die neue Europäische Verfassung wird diese Mitwirkungsmöglichkeiten noch ausweiten. Europa wird damit zu einem immer wichtigeren Thema in der parlamentarischen Arbeit", schloss Khol.
 
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