10. Jahrestag des Inkrafttretens des Vertrags von Maastricht
Wien (pk) - Vor zehn Jahren, mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht am 1. November 1993,
ist die Europäische Union entstanden. "Damit ist ein wesentlicher Schritt in der Vertiefung der europäischen
Integration gesetzt worden, der diesem Prozess zugleich neue Impulse gegeben und seinen Verlauf beschleunigt hat,"
sagte Nationalratspräsident Andreas Khol in diesem Zusammenhang am Montag (03. 11.) gegenüber
der Parlamentskorrespondenz.
Der politische Ansatz, die Europäischen Gemeinschaften zu einer Europäischen Union zu verfestigen, war
seit den frühen 1970er Jahren in der integrationspolitischen Diskussion immer wieder formuliert und vertreten
worden. Die Integrationsdynamik war jedoch immer mehr ins Stocken geraten, Schlagwörter wie jenes von der
"Eurosklerose" waren populär geworden. Der 1984 vom Europäischen Parlament vorgelegte, reformorientierte
Vertragsentwurf über eine Europäische Union hatte wenig Echo im Rat gefunden. Erst die revolutionären
politischen Umwälzungen von 1989 befeuerten auch die europäische Integrationspolitik aufs neue, und der
Europäische Rat von Dublin im Juni 1990 entwarf das Konzept einer "Politischen Union".
Am 14. Dezember 1990 wurden zwei Regierungskonferenzen eröffnet, welche parallel zu einander die Zielsetzungen
verfolgten, eine Politische Union und eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Ein Jahr später,
im Rahmen des Europäischen Rates von Maastricht am 10. Dezember 1991, gelang die politische Einigung über
jenes Vertragswerk, das als "Vertrag von Maastricht" bekannt geworden ist. Nach umfangreichen Detailarbeiten
am 7. Februar 1992 unterzeichnet, ist dieser Vertrag nach langwieriger Ratifikationsprozedur am 1. November 1993
in Kraft getreten. Der Vertrag von Maastricht hat für Österreich vor allem deshalb besondere Bedeutung,
weil die Österreicherinnen und Österreicher bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs
mit einer Zweidrittelmehrheit im Juni 1994 diesem Vertragswerk zugestimmt haben.
Der neue "Vertrag über die Europäische Union", welcher das Kernstück des Vertragswerks
von Maastricht bildet, schuf die Europäische Union als einheitlichen institutionellen Rahmen für die
verschiedenen Formen integrationspolitischen Zusammenwirkens: die der wirtschaftlichen Integration dienenden supranationalen
Europäischen Gemeinschaften, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die neue Zusammenarbeit
in den Bereichen Justiz und Inneres. Für diese Konstruktion wurde bald das Bild eines auf drei Säulen
ruhenden Daches üblich.
"Wer 1993 prophezeit hätte, dass die Europäische Union zehn Jahre später nicht nur unmittelbar
vor der Erweiterung um einen Großteil der Reformstaaten, sondern auch vor der Schaffung einer europäischen
Verfassung stehen würde, wäre wohl als Utopist qualifiziert worden," so Khol. In den letzten zehn
Jahren hat sich das Tempo des Integrationsprozesses signifikant erhöht: Nach den beiden Vertragsrevisionen
von Amsterdam und Nizza hat nun der Konvent zur Zukunft Europas den Entwurf einer europäischen Verfassung
ausgearbeitet, der seit kurzem Gegenstand der Beratungen einer neuen Regierungskonferenz ist. Dieser Entwurf schlägt
unter anderem vor, die Gemeinschaftsverträge zusammenzufassen und die Europäische Union mit Rechtspersönlichkeit
auszustatten, das Dach also gleichsam in ein Haus umzuwandeln, in dem sich das weitere Zusammenwachsen der europäischen
Staaten vollziehen kann.
Bürgernähe und Transparenz als zentrale Forderungen, die an ein Modell europäischer Integration
gestellt werden können, verwirklicht der Entwurf durch die übersichtlichere Gestaltung des europäischen
Primärrechts, aber auch durch neue institutionelle Regelungen. Darauf wies Präsident Khol ebenso hin
wie auf den Umstand, dass mit der Integration der Grundrechtscharta in den Verfassungsentwurf diese rechtsverbindlich
wird und umfassenden Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene garantiert.
Der Präsident des Nationalrates betonte, dass mit der neuen europäischen Verfassung auch die nationalen
Parlamente eine erweiterte Mitwirkung in der EU-Rechtssetzung erhalten werden. So ist im Verfassungsentwurf vorgesehen,
dass die nationalen Parlamente alle EU-Vorhaben nach dem Subsidiaritätsprinzip prüfen und gegebenenfalls
ihren Einspruch geltend machen können, wobei auch der Weg EUGH offen stehen wird.
"Der Nationalrat und der Bundesrat haben schon heute aufgrund der Österreichischen Bundesverfassung ein
umfassendes Mitwirkungsrecht in EU-Angelegenheiten. Die neue Europäische Verfassung wird diese Mitwirkungsmöglichkeiten
noch ausweiten. Europa wird damit zu einem immer wichtigeren Thema in der parlamentarischen Arbeit", schloss
Khol. |