Kein Verständnis für Streikdrohungen – Eröffnung der Tagung »EU-Erweiterung
und Verkehrsinfrastruktur« im Haus der Wirtschaft
Wien (pwk) - Kritik an der Streikbereitschaft bei ÖBB und Postbusgewerkschaft äußerte
der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich, Richard Schenz, am Montag (10. 11.).
Es sei höchste Zeit, dass der Verkehrsbereich dem Wettbewerb geöffnet wird.
Die gegenwärtige Situation sei etwa so, als ob dem Marktteilnehmer Quehenberger die gesamte Westautobahn gehören
würde, erklärte Schenz in einer Rede zur Eröffnung der Tagung "EU-Erweiterung: Anforderungen
an die Verkehrsinfrastruktur im neuen Mitteleuropa" im Haus der Wirtschaft: "Man kann sich vorstellen,
welche Wettbewerbsbedingungen in so einem Fall herrschen würden". Er stehe voll hinter der ÖBB-Reform:
"Das muß durchgezogen werden". Es sei völlig unverständlich, dass auch der Beschluss,
ein Drittel der Österreichischen Postbus AG zu verkaufen, mit einer Streikdrohung beantwortet wird: "Das
ist aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen. Offenbar ist es jetzt so, dass jede Infrastruktur-Entscheidung mit
einem Streik bedroht wird", sagte der WKÖ-Vizepräsident.
Wie Schenz zum Tagungsthema ausführte, sind seit dem Sieg der Demokratiebewegung in den Diktaturen Mittel-
und Osteuropas 15 Jahre vergangen, doch habe sich bei der Verkehrsinfrastruktur in diesem Zeitraum nicht viel getan.
Eine rasche Vernetzung zwischen alten und neuen Mitgliedern der EU sei aber wesentlich, um die "leider viel
länger anhaltende Trennung in unseren Köpfen" möglichst schnell zu überwinden. Durch den
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kann in den neu zur EU kommenden Ländern das Gefühl der Verbundenheit
verstärkt und der Bevölkerung in den "alten" Mitgliedsstaaten die Erweiterung bewusst gemacht
werden.
Studien besagen, dass der Verkehr zwischen Österreich und den neuen EU-Ländern bis 2015 um bis zu 250
Prozent anwachsen wird. Ohne adäquaten Ausbau der Netze würde die Zustimmung der Bevölkerung zur
EU sinken und es früher oder später zu einem Verkehrskollaps kommen. "Verkehr ist nur dann ein Übel,
wenn es keine ausreichende Infrastruktur gibt", hob Vizepräsident Schenz hervor.
Am 1. Oktober hat die Kommission ihre grundlegend überarbeiteten Leitlinien für das transeuropäische
Verkehrsnetz vorgestellt. Demzufolge hat Österreich Anteil an sechs von insgesamt 26 europäischen TEN-Hauptachsen.
Dies sei, so Schenz, als Erfolg Österreichs zu werten. Besonders erfreulich sei, dass die Kommission den Anteil
der Gemeinschaft an der Finanzierung grenzüberschreitender Projekte auf bis zu 30 Prozent der Gesamtkosten
erhöhen will.
Mit Nachdruck sprach sich Schenz für die Wettbewerbsgleichheit aller am freien Warenverkehr beteiligten Staaten
aus. Anzustreben sei daher eine europaweite Harmonisierung. Dies betreffe die Mautgebühren und die zugrundeliegenden
Berechnungsmethoden ("Es darf nicht passieren, dass ein Staat mehr als doppelt so hohe Mautgebühren verlangt
als die anderen Staaten der EU") genauso wie die Sozialvorschriften für Lkw-Fahrer sowie alle verkehrsbezogenen
Steuern. Österreich hat z.B. mehr als doppelt so hohe Kfz-Steuern als der Rest der EU.
Für einen optimal funktionierenden Binnenmarkt sind kompatible Mautsysteme unerlässlich. Die möglichst
rasche Verwirklichung der Interoperabilität sei aber auch bei den Eisenbahnen dringend notwendig. "Es
muß möglich sein, mit einer Lok und mit einer Mannschaft von Rotterdam nach Belgrad zu fahren. Solange
das nicht so ist, wird die Bahn nur mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen des Staates Marktanteile gewinnen können",
bedauerte Schenz.
Abschließend wies Schenz darauf hin, dass im Mai 2004 im Haus der Wirtschaft eine mehrtägige Veranstaltung
zum Thema "Wie kann der Verkehr im Jahre 2010/2015 aussehen?" stattfinden wird. Dabei werden Fragen wie
Personen- und Güterverkehr auf globaler Ebene, Finanzierung, Raumplanung und umweltrelevante Verfahren angesprochen
werden. |