Kein Konsens über Verfassungspräambel in Aussicht
Wien (pk) - Es wird keinen Konsens im Österreich-Konvent über die Schaffung einer Verfassungspräambel
mit weltanschaulichen Positionen geben. Davon zeigte sich zumindest Nationalratspräsident Heinz Fischer am
Mittwoch (19. 11.) bei einem Pressegespräch überzeugt. Eine solche Präambel
werde von fast allen Wissenschaftern und Universitätsprofessoren im Konvent abgelehnt, skizzierte er, die
Betroffenen hielten es für keine gute Idee, die schwierige Arbeit des Konvents mit einer entsprechenden Diskussion
zu belasten. Gute Chancen sieht Fischer hingegen für eine Verkürzung der Instanzenzüge, die Einrichtung
von Landesverwaltungsgerichtshöfen, den Ausbau von Kontroll- und Minderheitsrechten und für einen neuen,
modifizierten Grundrechtskatalog. Auch hinsichtlich der Notwendigkeit, der Zersplitterung der Verfassung entgegenzuwirken,
herrscht ihm zufolge weitgehend Konsens.
Generell beurteilte Fischer die Erfolgschancen des Österreich-Konvents nach wie vor vorsichtig optimistisch.
"Wir sind bis jetzt nirgends in eine Sackgasse geraten", meinte er, genauso wenig könne er aber
von einem entscheidenden Durchbruch berichten. Derzeit befinde sich der Konvent in einer Phase besonders intensiver
Ausschussberatungen, ab nächster Woche werde es Hearings geben.
In manchen Bereichen beginnen sich, so Fischer, die "Diskussionsnebel" zu lichten. Neben den oben erwähnten
Punkten glaubt der Zweite Nationalratspräsident etwa nicht, dass sich jene Konventsmitglieder durchsetzen
werden, die dem Bundespräsidenten "zwei Drittel seiner Kompetenzen" wegnehmen wollen. Auch die kleineren
Parteien können seiner Meinung nach "unbesorgt bleiben", da sich eine Beibehaltung der Grundsätze
des Verhältniswahlrechts abzeichnet. Weiters festigt sich laut Fischer die Überzeugung, dass es im Falle
einer positiven Arbeit des Konvents eine Volksabstimmung über die neue Verfassung geben sollte.
Was die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern betrifft, wies Fischer Bedenken zurück, wonach
der Bund die Länder "über den Tisch ziehen" wolle. Es gehe nicht darum, ob der Bund die Länder
oder die Länder den Bund über den Tisch ziehen, skizzierte er, sondern darum, dass die Vernunft und die
Rationalität die Unvernunft über den Tisch ziehen.
Eine umfangreiche Tagesordnung erwartet sich Fischer für die nächsten beiden Nationalratssitzungen Anfang
Dezember, nachdem, wie er konstatierte, der Vertrag zur EU-Erweiterung zuletzt "ohne plausible Gründe
zurückgestellt worden ist". Was die ÖBB-Reform betrifft, die aufgrund einer Fristsetzung ebenfalls
zur Diskussion stehen wird, kritisierte Fischer die kurze Beratungszeit im Parlament und meinte, das Festhalten
der Regierung "am nicht klugen und verfehlten Grundsatz 'speed kills'" sei "unklug und provokant".
Laut Fischer hat der Verfassungsgerichtshof aufgrund einer Anfechtung eines Drittels der Abgeordneten soeben wieder
Teile eines Gesetzes aufgehoben, und zwar eine Bestimmung in der Gewerbeordnung im Bereich Energie. Fischer machte
geltend, dass der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes bereits vor Beschlussfassung des Gesetzes auf die entsprechende
Problematik hingewiesen habe. |