»Kino Alpin« im Metro Kino  

erstellt am
27. 11. 03

Filmretrospektive und Ausstellung – Arnold Fanck und der Bergfilm – 3. Dezember 2003 bis 20. Jänner 2004
Wien (metro kino) - Sonne, Schnee und Eis, Felsen und Gletscherspalten. Bangende Geliebte im Tal, männliche Helden im Kampf um den Gipfelsieg. Die Schauplätze und Geschichten des frühen deutschsprachigen Bergfilms sind überschaubar. Umso spektakulärer sind die Bilder, die aus ihnen bezogen werden. Der deutsche Regisseur Arnold Fanck erfand in den 1920er-Jahren ein Kinogenre, das nur in Deutschland und Österreich so erfolgreich wurde: den Bergspielfilm, eine Kombination aus Sportaufnahmen, Naturbildern und Heldendrama. Bewundert wurde vor allem die Produktion und Bildästhetik dieser Filme. Fanck und seine Kameraleute gehörten zu den wenigen, die damals konsequent im Freien drehten. Sie experimentierten mit Objektiven, fahrenden Kameras und jeder Art von Licht. Manche Alpinisten und Sportler machten es ihm später nach oder griffen auf seine bergerprobten Kameraleute zurück. Aber auch der Studiofilm profitierte von den neuen Aufnahmetechniken. Die Filmreihe KINO ALPIN zeigt Fancks Werke in ihrem zeitgenössischen Kontext und folgt ihren Spuren bis in das Nachkriegskino.

Mit KINO ALPIN präsentiert das Filmarchiv Austria die bisher größte Retrospektive zum Genre Bergfilm. Die Auswahl umfasst ein ganzes Jahrhundert. Die ältesten Filme stammen aus dem Jahr 1902, die jüngsten aus dem Jahr 2002. Neben Klassikern wie Arnold Fanck und Luis Trenker beinhaltet das Programm auch zeitgenössische Regisseure sowie Sportdokumentationen, Bergdramen, Komödien und Actionfilme. Vor der Kamera klettern und kämpfen u. a. Spencer Tracy, Sylvester Stallone, Ernst Lubitsch, Dietmar Schönherr, Robert Wagner, Jean-Claude Killy, Leni Riefenstahl, Marianne Koch, Heidemarie Hatheyer, Toni Sailer, Reinhold Messner, Vittorio de Sica, Sean Connery, Erich von Stroheim oder Susanne Lothar.

Anfang des 20. Jahrhunderts zeigten Bergfilme vorwiegend die beeindruckende Landschaft der Hochalpen. Die Natur wurde in ihrer Anmut und in ihrer Übermacht verherrlicht. Die Filme Arnold Fancks (DER HEILIGE BERG, DIE WEISSE HöLLE VOM PIZ PALü, STüRME üBER DEM MONTBLANC) haben das am eindrucksvollsten vorgeführt.

Seit den 1930er-Jahren hat sich die „Heimat“ zwischen Mensch und Natur gedrängt und die Spielregeln des Genres bis in die 1960er-Jahre mitbestimmt: Oft ist es die Dorfgemeinschaft oder gar die eigene Familie, die die Helden und Heldinnen in die Höhe treibt. Die Geierwally (1940) ebenso wie der Alm-Öhi von HEIDI (1952). Sie müssen auf den Berg, um Vorwürfe zu entkräften, um zu rebellieren oder um sich gegenüber den Mitmenschen zu rehabilitieren.

In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich der Blick mehr auf den Körper und die Psyche des Alpinisten sowie auf seine Technik und Geschicklichkeit, mit der er sich dem Berg, dem Eis und der Felswand stellt. Beispiele dafür sind die Filme Lothar Brandlers oder Leo Dickinsons.

Das von Christian Rapp kuratierte Programm nähert sich dem mit Mythen und ideologischen Zuweisungen überladenen Genre mit differenzierender Betrachtung. Weniger um die Präsentation kanonisierter Klassiker geht es als um das Herausarbeiten wesentlicher Motivlagen und Funktionsmechanismen. Dabei werden, abseits periodischer Ordnungen, Querbezüge und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sichtbar, die für die Entwicklung des Bergfilms entscheidend waren.

Die Filme der Retrospektive sind vier zentralen Motiven zugeordnet:

• Die Moral der Höhe – Das „Alpine“ als Verhaltensmodell
• Verfolgte und Verfolger – Die Berge als Fluchtziel und Grenzrevier
• Der Kampf um den Gipfel – Von Tourenzielen und Zielkonflikten
• Im Temporausch – Die Skifahrt und ihre Choreografien

Es geht darum, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Eigenheiten zu lenken und auch Filme aus den Randbereichen des Genres einzubeziehen. Denn auch als imaginärer, als gefürchteter oder nur symbolisch anwesender Naturraum spielt „der Berg“ im europäischen Kino des 20. Jahrhunderts eine interessante Rolle.

Bergfilme setzen auf Überwältigung. Sie spekulieren darauf, dass die Eisstürme, die von der Kinoleinwand blasen, bis in den Zuschauersessel hinein Kälte verbreiten, dass bizarre Landschaften ein Staunen hervorrufen oder Menschen, die sich gerade noch mit einem Finger in einer Felsnische halten können, auch beim Publikum schwitzende Hände verursachen.

AUSSTELLUNG
Begleitend zur Filmretrospektive präsentiert das Filmarchiv Austria eine Ausstellung, die mit Originaldokumenten und Objekten u. a. aus dem Nachlass Arnold Fancks das Arbeitsumfeld des Bergfilmpioniers beleuchten. Die entfesselte Kamera, der dramaturgische Einbezug der Natur und die besondere Ästhetik der Fanck’schen Bergfilme werden ebenso dokumentiert wie die nachhaltige Bedeutung der „Fanck-Schule“ für die Entwicklung des Genres. Mit original erhaltenen Skizzen lässt sich auch das gemeinsam mit Richard Teschner konzipierte, jedoch nicht realisierte Filmprojekt „Wintermärchen“ rekonstruieren. Als Kurator dieser Ausstellung zeichnet Matthias Fanck, Arnold Fancks Enkelsohn, verantwortlich.

Faszination Filmarchivierung
11. Dezember 2003, Metro Kino
Im Rahmen der Reihe „Faszination Filmarchivierung“ stellt das Filmarchiv Austria zwei neu restaurierte Arbeiten zum Thema Bergfilm vor:

EINGANG IN DIE BäRENSCHüTZKLAMM, A ca. 1914
Die Bärenschützklamm touristisch zu erschließen war der Plan der Alpinisten des Grazer Alpenclubs. Im Frühjahr 1896 schließlich durchkletterten neun Clubmitglieder mit drei Gästen die Klamm, um die Steiganlagen zu besichtigen. Der Film ist ein weiteres prägnantes Beispiel für die Aufnahmekunst von Naturbildern durch die Sascha-Film. Er zeigt die Attraktion, die das Wasser für das Aktualitätenkino hatte, und bringt die tosende Bewegung des Wassers und die verwegenen Holzkonstruktionen der Steige in Perspektivwechseln, in kleinen und größeren Schwenks sowie variierenden Ausschnitten.

DIE LAWINE, A 1923, Regie: Michael Kertész
Der neue Kertesz-Film ist, was die Aufnahmetechnik betrifft, womöglich noch vollendeter als sein

MEDARDUS. Nur, da es sich hier nicht um eine romantische Historie handelt, ist auch der Stil der Bilder nicht romantisch, sondern modern-pittoresk. Die Photographie dieses Films ist von einer eindringlichen, klaren Plastik, die sich neben den amerikanischen Höchstleistungen zeigen kann.(Béla Balázs, DIE LAWINE, in: Der Tag, Wien, 23. 10. 1923).

CARTE BLANCHE ELFRIEDE JELINEK UND ELFRIEDE GERSTL
PREMIERE: ELFRIEDE & ELFRIEDE
16. bis 19. Dezember 2003, Metro Kino
Für Elfriede Jelinek und Elfriede Gerstl zählt das Metro Kino zu den schönsten Orten der Stadt. Hanna Laura Klars neuer Dokumentarfilm ELFRIEDE & ELFRIEDE porträtiert die beiden Freundinnen auf ihren Streifzügen durch die Wiener Innenstadt. Auf Wunsch der Protagonistinnen zeigen wir diese schöne Arbeit im Metro als österreichische Erstaufführung. Für das Filmarchiv Austria ein Anlass, Elfriede Jelinek und Elfriede Gerstl einzuladen, selbst einige Filme für „ihr“ Kino auszuwählen. Das dabei entstandene Spezial-Programm beinhaltet u. a. Howard Hawks RIO BRAVO, Billy Wilders THE FRONT PAGE und Alfred Hitchcocks VERTIGO, zu dem Elfriede Jelinek für 12filmarchiv einen Originalbeitrag verfasst hat.

Kongress:
CINEMATOGRAPHIE DES HOLOCAUST
HOMMAGE ARTUR BRAUNER
22. bis 25. Jänner 2004, Metro Kino
Im Jänner 2004 organisiert das Filmarchiv Austria auf Einladung der Projektgruppe „Cinematographie des Holocaust“ erstmals den gleichnamigen renommierten Kongress in Österreich.Hauptaufgabe dieses Projektes ist es, eine fundierte Dokumentation der filmischen Zeugnisse über den Holocaust zu erstellen und die weltweit recherchierten Materialien aktiv in den wissenschaftlichen Diskurs einzubinden. Der hochkarätig besetzte Kongress steht diesmal im Zeichen des vom Filmarchiv Austria betreuten Schwerpunktthemas Wien – Prag – Budapest und stellt die in diesem Zusammenhang erarbeiteten Forschungsergebnisse erstmals der Öffentlichkeit vor. Die Mehrzahl der Vorträge wird mit Filmausschnitten begleitet, parallel zu den Lectures gibt es ergänzende Filmvorführungen.

Als Rahmenprogramm zeigt das Filmarchiv Austria eine kleine Retrospektive mit den wichtigsten Filmen des legendären deutschen Produzenten Artur Brauner, der als Erster in Spielfilmen das Thema Holocaust aufgegriffen hat.

GASTARBAJTERI
Vom Leben zwischen den Kulturen
26. Jänner bis 4. Februar 2004, Metro Kino
Auf das Kino als einen Ort der Reflexion kultureller Grenz-Erfahrung bezieht sich die von Robert Buchschwenter zusammengestellte Reihe GASTARBAJTERI. Filme über Arbeitsmigrantinnen und -migranten dokumentieren das Leben zwischen den Kulturen, die Erfahrung der Entwertung und Überformung kultureller Identität in der neuen Heimat – und stellen dem aber auch eine Utopie gegenüber: nämlich jene der kulturellen Bereicherung, die aus dem Überschreiten und Überwinden von (mentalen) Grenzen resultieren kann. Die Schau ist eingebettet in das von der Initiative Minderheiten konzipierte Ausstellungsprojekt GASTARBAJTERI, das anlässlich von „40 Jahre Arbeitsmigration in Österreich“ zeitgleich im Wien Museum sowie in der neuen Wiener Hauptbibliothek präsentiert wird.

Informationen: http://www.filmarchiv.at
 
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