Europa braucht eine Vertiefung seiner Werte  

erstellt am
25. 11. 03

Internationale Europa-Tagung des Kulturhofes Ostarrichi mit dem Laienrat und der Katholischen Aktion St. Pölten
Neuhofen/Ybbs (St. Pölten/Diözese) - Die Erweiterung der Europäischen Union braucht eine Vertiefung. Dies unterstrich der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Dipl. Ing. Karl Doutlik im Kulturhof Ostarrichi in Neuhofen/Ybbs.

An der Tagung zum Thema "Leben im gemeinsamen Europa" in Neuhofen/Ybbs nahmen über 30 Vertreter aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Österreich teil. Veranstaltet wurde diese Tagung vom Kulturverein Neuhofen in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Laienrat Österreichs und der Katholischen Aktion St. Pölten. Diese Tagung ist ein weiterer Beitrag in der Vorbereitung auf den Mitteleuropäischen Katholikentag.

An der Schwelle des größten Umbaus der EU
"Wir stehen heute mit der Europäischen Union an der Schwelle ihres größten Umbaus seit dem Bestehen", erklärt Doutlik. Nicht die Zunahme der Bevölkerung oder die gewaltige Sprachenvielfalt werde das Problem sein, sondern die große Herausforderung durch die Wertefrage sein, meint Doutlik. Im kulturellen Bereich und im Wertebereich werden die neuen Beitrittsländer "Nettozahler" sein, betonte der Experte. Er ortet bei den Beitrittsländern ebenso eine "weit höhere Bereitschaft zum Strukturwandel als im übrigen Europa". Wenn auch darin noch Defizite bestehen, so haben die neuen Beitrittsländer im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bereich doch gewaltige Fortschritte erzielt. Das angestrebte "Lissabon-Ziel", Europa bis zum Jahr 2010 zum weltweit bedeutendsten Wirtschaftsraum zu machen, werde durch die Beitrittsländer eher erreicht als ohne sie, zeigt sich Doutlik überzeugt.

Mit Nachdruck unterstrich der Referent, dass im kommenden Europa die Wertefrage noch sehr bedeutend sein werde. Das gemeinsame Europa müsse den Schritt in die Herzen der Menschen schaffen. "Europa muss von einem Kopfprojekt zu einem Herz- und Bauchprojekt werden", sagte er und rief die Anwesenden auf, Anliegen und Vorschläge für Europa frühzeitig in die Diskussion einzubringen. Denn der Bürger und seine Anliegen müssen immer stärker in den Mittelpunkt rücken.

Doutlik widersprach der Sorge vieler Österreicher, durch die Erweiterung werde die Einwanderung zunehmen und meint, dass jeder, der in seinem Lebensraum eine Perspektive für einen eigenen Lebenstraum sieht, kein Interesse zur Auswanderung haben werde.

Gemeinsame Grundwerte
Der Wiener Sozialethiker Dr. Johannes Schnarrer gab eine Einführung in die Katholische Soziallehre. Auch wenn die Union ein Staatenbund von Mitgliedsstaaten mit unterschiedlicher Kultur und Tradition sei, teilen sie dennoch gemeinsame Grundwerte, erklärte Dr. Michael Kuhn, Beauftragter der Österreichischen Bischofskonferenz in Brüssel. So seien auch christliche Werte im Verfassungsentwurf für Europa an verschiedenen Stellen zu finden, etwa in der Präambel sowie in den Artikeln 2, 3 und in den Artikeln über die Grundrechte der Bürger. Kuhn unterstrich, dass Europa dann „christlich“ sei, wenn dies die Christen selbst als ihre Aufgabe verstehen und sich so auf dem „Bauplatz Europa“ betätigen. Christen hätten die Möglichkeit und Chance, Europa aktiv mitzugestalten.

„Europathesen“
Zum Abschluss der Tagung bekräftigten die 30 Teilnehmer aus den neuen EU-Beitrittsländern ihre Überzeugung, dass für sie ein „Leben im gemeinsamen Europa Freude macht“ und untermauerten ihre Überzeugung in sieben Thesen, in denen sie zur Versöhnung aufrufen und sich zu den Prinzipien der Katholischen Soziallehre, zu Personalität, Solidarität, Subsidiarität und dem Gemeinwohl bekennen. Die Teilnehmer unterstrichen, dass die Jugend eine besondere Aufgabe im neuen Europa habe und sie betonten, dass sie aus christlicher Verantwortung einen Beitrag zu einem menschengerechten Europa leisten wollen.

Neuhofener Europathesen:

  1. Als Christen freuen wir uns an einem gemeinsamen Europa mitzubauen.
  2. Vieles in der Europäischen Union ist von christlichen Werten mitgeprägt.
  3. Es gibt aus unserer Vergangenheit viele Verletzungen. Wir wollen zur Vergebung und Versöhnung beitragen.
  4. Auf dem Weg in die Europäische Union befolgen wir die Prinzipien der Katholischen Soziallehre wie Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl.
  5. Mit Eintritt der neuen Länder in die Europäische Union kommt auch ein weiterer Teil unserer Kirche mit leidvollen Erfahrungen aus der Vergangenheit in die EU.
  6. Die Jugend ist die Hoffnung Europas, ihr Beitrag ist unverzichtbar.
  7. Unsere Tagung motiviert uns aus christlicher Verantwortung erneut einen Beitrag zu einem menschengerechten Europa zu leisten.
 
zurück