Immer mehr Jugendliche tappen in die Schuldenfalle
Wien (rk) - Am Montag präsentierte Vizebürgermeisterin Grete Laska und der Leiter
der Wiener Schuldnerberatung Alexander Maly, die ersten Erfahrungen der neuen Onlineanmeldung. Laska lobte die
perfekte Zusammenarbeit zwischen den zwei involvierten Dienststellen der Stadt Wien. "Das Miteinander von
Schuldnerberatung und dem Bürgerdienst (MA55) in Sachen Kundenorientierung ist richtungsweisend für die
Zukunft! "Laska betonte auch die Wichtigkeit, schon bei Kindern und Jugendlichen die Sensibilität im
Umgang mit Finanzen zu fördern. "Ich könnte mir auch verschiedene Projekte mit der Schuldnerberatung
im Unterricht vorstellen." "Die Kids sollten damit auch lernen, ihre eigenen Wünsche zu analysieren",
so die Vizebürgermeisterin. Der Leiter der Wiener Schuldnerberatung in Wien, Alexander Maly forderte in diesem
Zusammenhang, trotz "gnadenlosen Wettbewerbs" der Finanzdienstleister, die Jugendschutzgesetze striktest
einzuhalten. Maly berichtete weiter, dass der Anteil der KlientInnen unter 25 Jahren schon bei 15% liege, Tendenz
stark steigend.
Beratung seit 1988
1988 wurde in Wien begonnen, private Haushalte zu beraten, die Probleme bei der Rückzahlung ihrer Schulden
hatten. Die Nachfrage war enorm, so dass die Schuldnerberatung der Stadt Wien am 1.3.1989 als selbständige
Beratungsstelle eröffnet wurde. Seit damals ist die Schuldnerberatung der Stadt Wien beispielgebend, was die
Art und Weise der Beratung betrifft. Dabei wurde auch eine für die Beratung unerlässliche EDV-Software
entwickelt, die in etwas veränderter Form in ganz Österreich zum Einsatz kommt.
Mit der Einführung der EDV-mässigen Verwaltung 1993 haben über 25.000 (!) Klienten die Beratung
in Anspruch genommen. In Relation zur Zahl der BeraterInnen ist damit die Schuldnerberatung der Stadt Wien die
mit Abstand am stärksten frequentierte Schuldnerberatung Österreichs. Im Jahre 1995 wurde die Möglichkeit
des Privatkonkurses eingeführt, seit dieser Zeit erstellte die Schuldnerberatung 1.744 außergerichtliche
Ausgleiche und 1.673 Konkurse.
Die Onlineanmeldung der Schuldnerberatung
Seit 1. August 2003 können sich Kunden, die Beratung und Hilfe von der Schuldnerberatung der Stadt Wien wollen,
über das Internet anmelden. Die Onlineanmeldung der Schuldnerberatung hat, neben den ursprünglich beabsichtigten
Effekten, auch andere interessante Erfahrungen gebracht.
Gründe auch die Schuldnerberatung in die E- Government Projekte der Stadt Wien zu inkludieren, waren eine
Vereinfachung der Anmeldung für die Klienten und eine Erhöhung der Beratungskapazität bei gleichbleibenden
Personalstand. Damit es dabei zu keiner zusätzlichen Belastung für die BeraterInnen kommt, wurden dreierlei
begleitende Maßnahmen getroffen:
- Die Möglichkeit zur Anmeldung über andere Kanäle (via Telefon, schriftlich,...) wurde eingestellt.
- Es wurde ein Online-Anmeldeformular erstellt, das einerseits einfach auszufüllen ist und andererseits
der SB sinnvolle Grundinformationen für das persönlich stattfindende Erstgespräch liefert. Die Daten
des ausgefüllten Onlineformulars sollen außerdem in die vorhandene Schuldnerberatungs-EDV integrierbar
sein.
- Mit dem Bürgerdienst der Stadt Wien wurde vereinbart, dass er Anmeldungen entgegen nimmt, wobei seine
Funktion lediglich darin besteht, dass er das zuvor ausgedruckte und vom Kunden ausgefüllte Formular in das
Onlineformular eingibt.
Diesem Procedere waren folgende Überlegungen vorausgegangen:
- Rund 75 Prozent der bisherigen Klienten der SB Mag. Wien haben entweder direkt oder über Bekannte einen
Zugang zum Internet.
- Das Medium Internet ist in der stärksten "Schuldner-Wachstumsgruppe", nämlich bei den jungen
Menschen, noch wesentlich stärker vertreten.
- Die Schwelle, sich dem Internet "anzuvertrauen", ist bei vielen Menschen niedriger, als z.B. bei
einer telefonischen oder persönlichen Erstabklärung.
- Die bisherigen "Aufnahmerituale" (Erstinformationsvortrag, Vorabklärung, Terminverwaltung) nahmen
viel Kapazität weg, die letztendlich der gesamten Beratungsleistung fehlte.
Internet und Bürgerdienst
Die Kunden sollten profitieren, in dem sie sich nun entweder von zu Hause aus oder im Bürgerdienst
"um's Eck" Informationen holen können und sich wesentlich intensiver in den Beratungsprozess einklinken
können.
Nach einer Planungsphase von rund vier Monaten wurde folgende Vorgangsweise festgelegt:
Wer immer bei der Schuldnerberatung zwecks Neuanmeldung anruft, wird auf die Internetadresse www.schuldnerberatung.wien.at
verwiesen. Etwa 30 Prozent antworten sinngemäß: "Ich habe kein Internet". Dann wird erklärt,
dass es in unmittelbarer Wohnnähe eine Stelle des Bürgerdienstes gibt, die - unter strikter Einhaltung
jedes Datenschutzes - die Anmeldung entgegennimmt. Die MitarbeiterInnen des Bürgerservice sind verpflichtet,
keinerlei Aufzeichnungen, Ausdrucke o.ä. der eingegebenen Daten zu behalten. Von diesen an den Bürgerdienst
Verwiesenen wollen dann doch etwa 40 Prozent die genaue Internetadresse für die Onlineanmeldung wissen. Es
ist daher davon auszugehen, dass die Feststellung "ich habe keinen Zugang" für diese 40 Prozent
eher Testcharakter hat und sie nur wissen wollen, welche Möglichkeiten ihnen sonst eröffnet werden.
Schon am Telefon, aber auch im Onlineanmeldeformular wird erklärt, dass - nach Absenden des ausgefüllten
Formulars - der Betroffene nach einer Woche anrufen soll, um sich einen Einzelgesprächstermin auszumachen.
Genaue Analyse schon beim ersten Beratungsgespräch
Das Formular selbst hat etliche Felder, die verpflichtend ausgefüllt werden müssen, danach kann
es abgesendet werden. Es erreicht die Schuldnerberatung als Email, die über eine sichere Leitung (https) verschickt
wird. Diese Daten werden nun von der Schuldnerberatung bearbeitet, sodass beim ersten Beratungsgespräch gleich
eine recht genaue Analyse vorliegt. Das erleichtert sowohl dem Klienten als auch der Beraterin/dem Berater den
Einstieg.
Die Terminvergabe zum Erstgespräch erfolgt telefonisch. Auffällige Daten, wie z. B. die Existenz eines
Mietrückstandes, werden "automatisch" hervorgehoben und können gleich angesprochen werden.
So kann die eine oder andere Notmaßnahme und Handlungsanleitung gleich am Telefon besprochen werden.
Privatkonkurs kann vermieden werden
Das Ergebnis nach drei Monaten Erfahrung:
- es melden sich im Schnitt geringfügig mehr Menschen als vorher zu einer Beratung an. Etwa 8 bis 12 Neuanmeldungen
täglich werden pro Werktag registriert (Samstag und Sonntag, wo sich ja die Kunden ebenfalls anmelden können,
wird dem darauffolgenden Montag zugerechnet). Vor der Onlineanmeldung waren es ca. 7 bis 8 pro Werktag.
- Die Bandbreite der Problemstellungen ist größer geworden. Nicht erstaunlich: Die Gruppe der 20-25
jährigen ist jetzt wesentlich stärker vertreten. Das Gute dabei: Hier gibt es wesentlich mehr Menschen,
die noch nicht so extrem verschuldet sind, bei denen eine Neuorganisation der Schulden noch möglich ist und
nicht gleich die "schweren Geschütze", wie Privatkonkurs, aufgefahren werden müssen
- Alle anderen Gruppen sind gleich stark vertreten wie vorher, wobei über den Bürgerdienst rund 15
Prozent der Anmeldungen kommen; rund 3-5 Prozent kommen über Beratungsstellen, die große Mehrheit von
über 80 Prozent kommt über private Internetanschlüsse.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist auch, dass die BeraterInnen eine ganz neue Beratungssituation empfinden,
die am Anfang recht ungewohnt war. Immerhin kann man sich auf Grund der bereits vorhandenen Daten ein "Bild"
vom Klienten machen. Dieses Bild dann mit der Realität zu konfrontieren ist durchaus reizvoll. Vor allem BerufsanfängerInnen
schätzen es, dass sie sich besser auf eventuelle Problemstellungen einstellen können und schon vorab
von KollegInnen Informationen dazu einholen.
Erstes Ergebnis ist positiv!
Das vorläufige Ergebnis der Onlineanmeldung ist auf jeden Fall positiv. Die persönliche Beratung
hat sogar an Qualität gewonnen, da man - auf Grund der schon vorliegenden Daten - sehr schnell zum Kern der
Sache kommen kann.
Weiterhin ist die Zahl der Ratsuchenden im Ansteigen. Ursache sind fast immer nicht die großen "kaufmännischen"
Fehler, sondern eine Reihe kleiner Fehlentscheidungen. Wer über längere Zeit mehr Geld ausgibt, als er/sie
einnimmt, kann damit rechnen, dass ihm zwar seitens der Kreditwirtschaft öfter mit Umschuldungen "geholfen"
wird, er/sie wird aber irgendwann feststellen müssen, dass plötzlich der Schuldenberg so groß geworden
ist, dass nichts mehr geht und eigentlich Überschuldung vorliegt.
Über 50 E-Government Projekte in Wien
E-Government hat sich in den letzten Jahren als Synonym für elektronisch unterstützte Serviceleistungen
der Stadt für ihre BürgerInnen entwickelt. Die Stadt Wien als kundInnenorientiertes Dienstleistungsunternehmen
versucht mit dem permanenten Ausbau von verschiedenen Projekten in diesem Bereich den Wünschen und Bedürfnissen
der WienerInnen nachzukommen. In über 50 Projekten, von Abwassergebühren bis zum Zentralen BürgerInnenanliegen
- Management, kann man Informationen über das Internet bekommen und ohne zeitraubende Behördenwege erledigen.
Details findet man unter http:/ /www.wien.gv.at/egov/services-a-z/
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