Laska: E- Government am Beispiel der Wiener Schuldnerberatung  

erstellt am
25. 11. 03

Immer mehr Jugendliche tappen in die Schuldenfalle
Wien (rk) - Am Montag präsentierte Vizebürgermeisterin Grete Laska und der Leiter der Wiener Schuldnerberatung Alexander Maly, die ersten Erfahrungen der neuen Onlineanmeldung. Laska lobte die perfekte Zusammenarbeit zwischen den zwei involvierten Dienststellen der Stadt Wien. "Das Miteinander von Schuldnerberatung und dem Bürgerdienst (MA55) in Sachen Kundenorientierung ist richtungsweisend für die Zukunft! "Laska betonte auch die Wichtigkeit, schon bei Kindern und Jugendlichen die Sensibilität im Umgang mit Finanzen zu fördern. "Ich könnte mir auch verschiedene Projekte mit der Schuldnerberatung im Unterricht vorstellen." "Die Kids sollten damit auch lernen, ihre eigenen Wünsche zu analysieren", so die Vizebürgermeisterin. Der Leiter der Wiener Schuldnerberatung in Wien, Alexander Maly forderte in diesem Zusammenhang, trotz "gnadenlosen Wettbewerbs" der Finanzdienstleister, die Jugendschutzgesetze striktest einzuhalten. Maly berichtete weiter, dass der Anteil der KlientInnen unter 25 Jahren schon bei 15% liege, Tendenz stark steigend.

Beratung seit 1988
1988 wurde in Wien begonnen, private Haushalte zu beraten, die Probleme bei der Rückzahlung ihrer Schulden hatten. Die Nachfrage war enorm, so dass die Schuldnerberatung der Stadt Wien am 1.3.1989 als selbständige Beratungsstelle eröffnet wurde. Seit damals ist die Schuldnerberatung der Stadt Wien beispielgebend, was die Art und Weise der Beratung betrifft. Dabei wurde auch eine für die Beratung unerlässliche EDV-Software entwickelt, die in etwas veränderter Form in ganz Österreich zum Einsatz kommt.

Mit der Einführung der EDV-mässigen Verwaltung 1993 haben über 25.000 (!) Klienten die Beratung in Anspruch genommen. In Relation zur Zahl der BeraterInnen ist damit die Schuldnerberatung der Stadt Wien die mit Abstand am stärksten frequentierte Schuldnerberatung Österreichs. Im Jahre 1995 wurde die Möglichkeit des Privatkonkurses eingeführt, seit dieser Zeit erstellte die Schuldnerberatung 1.744 außergerichtliche Ausgleiche und 1.673 Konkurse.

Die Onlineanmeldung der Schuldnerberatung
Seit 1. August 2003 können sich Kunden, die Beratung und Hilfe von der Schuldnerberatung der Stadt Wien wollen, über das Internet anmelden. Die Onlineanmeldung der Schuldnerberatung hat, neben den ursprünglich beabsichtigten Effekten, auch andere interessante Erfahrungen gebracht.

Gründe auch die Schuldnerberatung in die E- Government Projekte der Stadt Wien zu inkludieren, waren eine Vereinfachung der Anmeldung für die Klienten und eine Erhöhung der Beratungskapazität bei gleichbleibenden Personalstand. Damit es dabei zu keiner zusätzlichen Belastung für die BeraterInnen kommt, wurden dreierlei begleitende Maßnahmen getroffen:

  1. Die Möglichkeit zur Anmeldung über andere Kanäle (via Telefon, schriftlich,...) wurde eingestellt.
  2. Es wurde ein Online-Anmeldeformular erstellt, das einerseits einfach auszufüllen ist und andererseits der SB sinnvolle Grundinformationen für das persönlich stattfindende Erstgespräch liefert. Die Daten des ausgefüllten Onlineformulars sollen außerdem in die vorhandene Schuldnerberatungs-EDV integrierbar sein.
  3. Mit dem Bürgerdienst der Stadt Wien wurde vereinbart, dass er Anmeldungen entgegen nimmt, wobei seine Funktion lediglich darin besteht, dass er das zuvor ausgedruckte und vom Kunden ausgefüllte Formular in das Onlineformular eingibt.

Diesem Procedere waren folgende Überlegungen vorausgegangen:

  • Rund 75 Prozent der bisherigen Klienten der SB Mag. Wien haben entweder direkt oder über Bekannte einen Zugang zum Internet.
  • Das Medium Internet ist in der stärksten "Schuldner-Wachstumsgruppe", nämlich bei den jungen Menschen, noch wesentlich stärker vertreten.
  • Die Schwelle, sich dem Internet "anzuvertrauen", ist bei vielen Menschen niedriger, als z.B. bei einer telefonischen oder persönlichen Erstabklärung.
  • Die bisherigen "Aufnahmerituale" (Erstinformationsvortrag, Vorabklärung, Terminverwaltung) nahmen viel Kapazität weg, die letztendlich der gesamten Beratungsleistung fehlte.


Internet und Bürgerdienst
Die Kunden sollten profitieren, in dem sie sich nun entweder von zu Hause aus oder im Bürgerdienst "um's Eck" Informationen holen können und sich wesentlich intensiver in den Beratungsprozess einklinken können.

Nach einer Planungsphase von rund vier Monaten wurde folgende Vorgangsweise festgelegt:
Wer immer bei der Schuldnerberatung zwecks Neuanmeldung anruft, wird auf die Internetadresse www.schuldnerberatung.wien.at verwiesen. Etwa 30 Prozent antworten sinngemäß: "Ich habe kein Internet". Dann wird erklärt, dass es in unmittelbarer Wohnnähe eine Stelle des Bürgerdienstes gibt, die - unter strikter Einhaltung jedes Datenschutzes - die Anmeldung entgegennimmt. Die MitarbeiterInnen des Bürgerservice sind verpflichtet, keinerlei Aufzeichnungen, Ausdrucke o.ä. der eingegebenen Daten zu behalten. Von diesen an den Bürgerdienst Verwiesenen wollen dann doch etwa 40 Prozent die genaue Internetadresse für die Onlineanmeldung wissen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Feststellung "ich habe keinen Zugang" für diese 40 Prozent eher Testcharakter hat und sie nur wissen wollen, welche Möglichkeiten ihnen sonst eröffnet werden.

Schon am Telefon, aber auch im Onlineanmeldeformular wird erklärt, dass - nach Absenden des ausgefüllten Formulars - der Betroffene nach einer Woche anrufen soll, um sich einen Einzelgesprächstermin auszumachen.

Genaue Analyse schon beim ersten Beratungsgespräch
Das Formular selbst hat etliche Felder, die verpflichtend ausgefüllt werden müssen, danach kann es abgesendet werden. Es erreicht die Schuldnerberatung als Email, die über eine sichere Leitung (https) verschickt wird. Diese Daten werden nun von der Schuldnerberatung bearbeitet, sodass beim ersten Beratungsgespräch gleich eine recht genaue Analyse vorliegt. Das erleichtert sowohl dem Klienten als auch der Beraterin/dem Berater den Einstieg.

Die Terminvergabe zum Erstgespräch erfolgt telefonisch. Auffällige Daten, wie z. B. die Existenz eines Mietrückstandes, werden "automatisch" hervorgehoben und können gleich angesprochen werden. So kann die eine oder andere Notmaßnahme und Handlungsanleitung gleich am Telefon besprochen werden.

Privatkonkurs kann vermieden werden
Das Ergebnis nach drei Monaten Erfahrung:

  • es melden sich im Schnitt geringfügig mehr Menschen als vorher zu einer Beratung an. Etwa 8 bis 12 Neuanmeldungen täglich werden pro Werktag registriert (Samstag und Sonntag, wo sich ja die Kunden ebenfalls anmelden können, wird dem darauffolgenden Montag zugerechnet). Vor der Onlineanmeldung waren es ca. 7 bis 8 pro Werktag.
  • Die Bandbreite der Problemstellungen ist größer geworden. Nicht erstaunlich: Die Gruppe der 20-25 jährigen ist jetzt wesentlich stärker vertreten. Das Gute dabei: Hier gibt es wesentlich mehr Menschen, die noch nicht so extrem verschuldet sind, bei denen eine Neuorganisation der Schulden noch möglich ist und nicht gleich die "schweren Geschütze", wie Privatkonkurs, aufgefahren werden müssen
  • Alle anderen Gruppen sind gleich stark vertreten wie vorher, wobei über den Bürgerdienst rund 15 Prozent der Anmeldungen kommen; rund 3-5 Prozent kommen über Beratungsstellen, die große Mehrheit von über 80 Prozent kommt über private Internetanschlüsse.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist auch, dass die BeraterInnen eine ganz neue Beratungssituation empfinden, die am Anfang recht ungewohnt war. Immerhin kann man sich auf Grund der bereits vorhandenen Daten ein "Bild" vom Klienten machen. Dieses Bild dann mit der Realität zu konfrontieren ist durchaus reizvoll. Vor allem BerufsanfängerInnen schätzen es, dass sie sich besser auf eventuelle Problemstellungen einstellen können und schon vorab von KollegInnen Informationen dazu einholen.

Erstes Ergebnis ist positiv!
Das vorläufige Ergebnis der Onlineanmeldung ist auf jeden Fall positiv. Die persönliche Beratung hat sogar an Qualität gewonnen, da man - auf Grund der schon vorliegenden Daten - sehr schnell zum Kern der Sache kommen kann.

Weiterhin ist die Zahl der Ratsuchenden im Ansteigen. Ursache sind fast immer nicht die großen "kaufmännischen" Fehler, sondern eine Reihe kleiner Fehlentscheidungen. Wer über längere Zeit mehr Geld ausgibt, als er/sie einnimmt, kann damit rechnen, dass ihm zwar seitens der Kreditwirtschaft öfter mit Umschuldungen "geholfen" wird, er/sie wird aber irgendwann feststellen müssen, dass plötzlich der Schuldenberg so groß geworden ist, dass nichts mehr geht und eigentlich Überschuldung vorliegt.

Über 50 E-Government Projekte in Wien
E-Government hat sich in den letzten Jahren als Synonym für elektronisch unterstützte Serviceleistungen der Stadt für ihre BürgerInnen entwickelt. Die Stadt Wien als kundInnenorientiertes Dienstleistungsunternehmen versucht mit dem permanenten Ausbau von verschiedenen Projekten in diesem Bereich den Wünschen und Bedürfnissen der WienerInnen nachzukommen. In über 50 Projekten, von Abwassergebühren bis zum Zentralen BürgerInnenanliegen - Management, kann man Informationen über das Internet bekommen und ohne zeitraubende Behördenwege erledigen.

Details findet man unter http:/ /www.wien.gv.at/egov/services-a-z/

 
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