EU-Unterausschuss zu Transit einen Tag vor EU-Vermittlungsausschuss
Wien (pk) - Kaum Hoffnung auf eine für Österreich akzeptable Lösung in der Transitfrage
kam am Montag (24. 11.), einen Tag vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses Rat und
Europaparlament, im Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union auf. Trotzdem
man sich darin einig war, dass die Regierung alles tun müsse, um die drohende Transitlawine durch Österreich
zu verhindern, konnte auch heute zur Frage des Öko-Punktesystems kein gemeinsamer Standpunkt von Regierungsparteien
und Opposition erzielt werden.
Große Meinungsunterschiede gab es in der Beurteilung, wo die Fehler lagen, die zu der nun für Österreich
in der Frage des Transits so misslichen Situation auf EU-Ebene geführt haben. Während die Opposition
der Regierung vorwarf, ein Schauspiel zu liefern, und man den Eindruck habe, die Regierung, sei froh darüber,
dass die Regelung "stirbt" (Abgeordneter Caspar Einem, S, und Abgeordnete Eva Lichtenberger,
G), versicherten die Vertreter von ÖVP und FPÖ, dass seitens der Regierung alles getan worden
sei und getan werde, um eine annehmbare Lösung für Österreich zu erreichen. Caspar Einem (S) und
Evelin Lichtenberger (G), aber auch Klaus Wittauer (F) orteten ein Glaubwürdigkeitsproblem Österreichs
in Brüssel, da man ihrer Meinung nach zu sehr der Frächterlobby nachgegeben und die Bundesregierung dem
Wunsch der Landeshauptlaute nach Ausnahmeregelungen entsprochen habe.
G-S-Antrag auf Stellungnahme abgelehnt
Ein von Grünen und SPÖ eingebrachter Antrag auf Stellungnahme, in dem die Bundesregierung aufgefordert
wird "alles zu unternehmen, um eine 'Lösung' zu verhindern, die eine faktisch unbegrenzte Verkehrszunahme
im LKW-Transit zuließe, und keinem Beschluss zuzustimmen, welche eine solche Scheinlösung auf Rücken
von Mensch und Umwelt zur Folge hätte" wurde von den Mitgliedern der Regierungsparteien mit dem Argument
abgelehnt, die Regierung und insbesondere der zuständige Minister tue ohnehin alles, um noch ein positives
Ergebnis für Österreich zu erzielen. Es hätte aber keinen Sinn, ihn zu binden, denn die Realität
sei, dass die Hoffnung wahrscheinlich nicht erfüllt werde.
Kukacka: Österreich behält sich vor, den europäischen Gerrichtshof anzurufen
Staatssekretär Helmut Kukacka, der Bundesminister Gorbach in diesem Ausschuss vertrat, unterstrich
aus seiner Sicht die Tatsache, dass sich alle Verkehrsminister, auch jene der SPÖ, immer für eine vernünftige
Übergangslösung des Transitvertrages eingesetzt hätten, man sei aber auf Grund der harten Haltung
in Europa nicht in der Lage gewesen, dies auch umzusetzen. Die Position der Bundesregierung sei unverändert,
Bundesminister Gorbach werde im Vermittlungsausschuss am Dienstag (25. 11.) versuchen,
das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Österreich behalte sich auch vor, zum EuGH zu gehen.
Der Vorschlag, den die ständigen Vertreter der Länder im COREPER am 21. November mehrheitlich beschlossen
haben, bringe, wie Kukacka berichtete, ein noch schlechteres Ergebnis als am 29. Oktober vorgelegen ist. Dieses
bedeute nämlich einen freien Transit der Euro 4 und die Liberalisierung jener Euro 3-LKW-Fahrten, die fünf
und weniger Öko-Punkte verbrauchen. Damit werde es laut Kukacka zu einer weitgehenden Befreiung vom Öko-Punktesystem
kommen. Die Reduktion der Öko-Punkte-Kontingente sei erneut verkürzt worden, und zwar im Jahr 2003 auf
40 %, 2004 auf 32 %, 2005 auf 30 % und 2006 auf 28 %. Die Reduktion zu den bisherigen Vorschlägen um 8 % komme
deshalb nicht zum Tragen, weil nicht nur die Fahrten der Euro 4, sondern auch der Großteil der Euro 3-Fahrten
liberalisiert würde. Gegen diesen Vorschlag hätte nicht nur Österreich gestimmt, sondern auch Belgien
und die Niederlande, aber diese beiden Länder strebten eine völlige Liberalisierung an.
Cap: Transitpolitik der Regierung ist ein Desaster
Abgeordneter Josef Cap (S) beurteilte die gegenwärtige Situation als ein Desaster und warf der Regierung
vor, in den letzten vier Jahren falsch agiert zu haben und nicht vernünftig vorgegangen zu sein. Die Fehlerkette
hätte am 21. Juli 2001 begonnen, als die drei Bundesministerinnen Ferrero-Waldner, Riess-Passer und Forstinger
bei der Kommission gewesen seien und man auf die Obergrenze verzichtet habe, ohne gleichzeitig eine anderweitige
verbindliche Zusage seitens der Kommission zu fordern. Darüber hinaus sei das Lobbying der österreichischen
und europäischen Frächter erfolgreich gewesen. Österreich sei auch nicht seinen beim Beitritt eingegangenen
Verpflichtungen hinsichtlich des Ausbaus der Schieneninfrastruktur nachgekommen.
Ähnlich argumentierte Caspar Einem (S), der hinter dem Agieren der Regierung ein Schauspiel
vermutete, denn tatsächlich würden seiner Ansicht nach seit Jahren die Interessen der österreichischen
Frächter vertreten. In Wahrheit sei die Regierung froh, wenn die Regelung sterbe, sie wolle aber die Schuld
der EU zuweisen. Österreich sei immer mit Maximalpositionen nach Brüssel gegangen, um daheim gut dazustehen,
jedoch im Bewusstsein, dass man dies nicht erreichen werde. Zur Untermauerung seiner Auffassung skizzierte Einem
die Geschichte der Brenner-Maut und des Road Pricings und erinnerte daran, dass es auch hinsichtlich einer Transit-Übergangsregelung
Vorschläge der Kommission gegeben habe, denen die Außenministerin zugestimmt hätte. Der Bundeskanzler
habe dies aber verhindert, weil die Landeshauptleute dagegen gewesen seien. Es sei daher auch nicht überraschend,
dass der Ständige Vertreter Österreichs in Brüssel gegenüber dem Präsidenten des Europäischen
Parlaments keinen österreichischen Standpunkt vertreten habe können, weil es eben keinen gebe. Für
die Haltung der Regierungsparteien, dem vorliegenden Antrag auf Stellungnahme nicht zuzustimmen, fand Einem kein
Verständnis, da dieser so formuliert sei, dass er dem Minister keinesfalls die Hände bindet.
Sein Klubkollege Erwin Niederwieser bedauerte die Haltung von FPÖ und ÖVP ebenso und vertrat
die Auffassung, dass man die Dinge realistisch sehen müsse und man die Forderungen Österreichs mit der
neuen Wegekostenrichtlinie verknüpfen müsse. Im Primärrecht habe sich die EU auf eine Schadstoffreduktion
verpflichtet, sagte Niederwieser und beurteilte die Entscheidung des Europäischen Parlaments in der Transitfrage
nicht so negativ, da hier mit Bezug auf die Alpenkonvention ein ökologischer Ansatz zu finden sei.
LICHTENBERGER: ÖSTERREICH HAT IN BRÜSSEL EIN GLAUBWÜRDIGKEITSPROBLEM
Auch Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) sprach von einem Desaster, da zum jetzigen Zeitpunkt keine
gute Lösung mehr möglich sei. Sie hätte es für besser gefunden, auf die Öko-Punkte zu
verzichten und die Obergrenze beizubehalten. Auf die Begrenzung der Fahrten zu verzichten, war nach Meinung Lichtenbergers
eine verfehlte Strategie. Jetzt müsse man alles daran setzen, die Anzahl der Öko-Punkte niedriger zu
setzen als tatsächlich zur Verfügung stehen, zumal auch die Euro 3 fast gänzlich liberalisiert werden.
Im Gegensatz zu Abgeordnetem Cap setzte sie den Beginn der Fehlerkette bereits beim Beitrittsvertrag an, wo wesentliche
Punkte heraus gefallen seien. Dennoch hätte Österreich Chancen gehabt, die nicht genutzt worden seien.
Insbesondere habe Österreich in Brüssel ein Glaubwürdigkeitsproblem. So habe man beispielsweise
die Fertigstellung des Brenner-Basistunnels für 2020 ohne Finanzierungsplan vorgelegt, es werde auch kein
Spediteur den Brenner-Basistunnel benützen, wenn die Maut nicht entsprechend hoch ist. Lichtenberger kritisierte
auch scharf die Zustimmung des ehemaligen Ministers Reichhold zur Subvention von Diesel für die Frächter.
Nach der Tunnelkatastrophe in Frankreich hätte man auch die Möglichkeit nützen können, Allianzen
zu schmieden. Die Grün-Mandatarin forderte daher unverzüglich, innerstaatliche Maßnahmen zur Eindämmung
des Transits zu setzen.
Auch sie warf der Regierung vor, zu sehr auf die Landeshauptleute gehört zu haben. So sei beispielsweise die
von Bundesminister Einem ausverhandelte Maut ein guter Kompromiss gewesen, dieser sei aber an Bundesminister Farnleitner
und den Landeshauptleuten gescheitert. Es müsse nun gelingen, so Lichtenberger, in die Übergangsbestimmungen
eine Formulierung einzubauen, die auch für die neue Wegekostenrichtlinie eine höhere Bemautung der Transitrouten
in sensiblen Zonen einschließt.
Wittauer: Österreich soll Einstimmigkeitsprinzip einsetzen
Inhaltlich stimmte Abgeordneter Klaus Wittauer (F) dem Antrag auf Stellungnahme zu, aber
die Realität sehe anders aus, sagte er. Der Verkehrsminister werde alles tun, um ein gutes Ergebnis nach Hause
zu bringen, die Aussicht auf Erfolg schätze er aber als gering ein. Auch Wittauer unterstrich, dass sich alle
bisherigen Minister bemüht hätten, ernste Verhandlungen zu führen, die Mehrheit in Europa wolle
aber etwas anderes. Er konzedierte, dass Österreich in Brüssel nicht immer glaubwürdig aufgetreten
sei, zumal man dem Lobbying der einheimischen Frächter nachgekommen sei. Die Länder hätten immer
wieder Ausnahmen durchgesetzt, sie selbst hätten kaum Maßnahmen ergriffen. Die Verhandlungen mit Brüssel
sind seiner Meinung nach gelaufen, man müsse jetzt nationale Maßnahmen umsetzen, die der Bevölkerung
helfen, zumal mit der EU-Erweiterung das Transitproblem weiter verschlimmert werde.
Wittauer bedauerte, dass Österreich zur Durchsetzung so wesentlicher Fragen nie sein Abstimmungsverhalten
bei Einstimmigkeitsmaterien in die Wagschale gelegt habe. Er werde jedoch für sich selbst zu klären haben,
ob er am 3. Dezember zustimmt.
Fasslabend: Österreich sollte an einem Strang ziehen
Der Vorsitzende des Ausschusses, Werner Fasslabend (V), wies den Vorwurf zurück, bei
den Aktionen der Regierung handle es sich um ein Schauspiel. Auch Einem hätte als damaliger Verkehrsminister
trotz größtem Einsatz kaum korrigieren können. Es sei daher schmerzhaft, wenn man nun unter schlechteren
Bedingungen etwas einfordere, was man selbst nicht geschafft habe. Damit begründete Fasslabend auch die Ablehnung
des Antrags auf Stellungnahme und meinte, man solle von Formalismen weggehen und sich zusammenfinden, damit Österreich
in Brüssel an einem Strang ziehe. Seinen Vorwurf an Deutschland, wo das Außen- und Umweltressort bei
den Grünen liege, und Deutschland trotzdem zu den größten Gegnern einer zufrieden stellenden Transitlösung
gehöre, begegnete Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) mit dem Hinweis, dass die CSU im Europäischen
Parlament zu den größten Scharfmachern gehöre. Dazu warf Abgeordneter Georg Keuschnigg (V)
in Richtung der Grünen ein, dass es nicht angehe, vorher das Machbare zu bekämpfen und dann zu kritisieren.
Mit dem gleichen Vorwurf kommentierte auch Abgeordneter Karl Donabauer (V) das Abstimmungsverhalten
der Grünen im Europäischen Parlament und bezeichnete dieses als kontraproduktiv. Er verteidigte das Bemühen
des Bundeskanzlers, mit den Verantwortlichen der Republik und der Parteien ein gemeinsames Vorgehen zu finden.
Donabauer zeigte sich auch überzeugt, dass Bundesminister Gorbach engagiert bis zur letzten Minute verhandeln
werde, dafür brauche er aber kein Begleitdokument. Außerdem sei der Vier-Parteien-Entschließungsantrag
des Bundesrates eine klare Botschaft, sagte Donabauer.
Abgeordneter Roderich Regler (V) zitierte das Protokoll Nr. 9 des Beitrittsvertrages und unterstrich,
damals sei nicht mehr erreichbar gewesen. Österreich sei aber zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass
mit Auslaufen des Transitvertrages auf europäischer Ebene eine Regelung im Rahmen einer neuen Wegekostenrichtlinie
erreicht werden könne. Der erste Vorschlag der Europäischen Kommission für die Wegekostenrichtlinie
habe zwar die sensiblen Strecken umfasst, dies sei aber von Deutschland, Italien und Frankreich herausreklamiert
worden. Er widersprach der Opposition, die Verpflichtungen im Bereich des Schienenausbaus nicht eingehalten zu
haben, und wies auf die Unterinntalstrecke, die Tauernbahn, die Pyhrn-Route und den Brenner-Basistunnel hin. Zur
Kritik Lichtenbergers hinsichtlich der Obergrenze meinte er, dass es schon ein Wunder gewesen sei, die 108 % aus
dem EWR-Vertrag hinüberzuretten. Jedem Realisten sei klar gewesen, dass es ab 2004 keine Obergrenze mehr geben
werde. Das Road Pricing habe man verschoben, weil man ein moderneres System bauen wollte. Regler verteidigte auch
das Vorgehen des Bundeskanzlers, sich mit den Landeshauptleuten abzusprechen. Langfristig, so Regler, müsse
es gelingen, externe Kosten in umweltsensiblen Zonen einheben zu können und dies auch in der neuen Wegekostenrichtlinie
zu verankern.
Kukacka: Regierung wird keiner Scheinlösung zustimmen
Abschließend nahm noch einmal Staatssekretär Kukacka Stellung und machte deutlich, dass die
Regierung in Laeken niemals eine Zustimmung für eine Übergangslösung erhalten hätte, wenn man
nicht auf die Obergrenze verzichtet hätte. Ebenso betonte er, dass Österreich seine Rahmenverpflichtungen
fristgerecht erfüllt habe. Er halte nichts davon, wenn man sich einen Tag vor der entscheidenden EU-Sitzung
den Schwarzen Peter zuschiebe. Es hätten sich alle Minister seit dem Beitritt Österreichs zur EU ernsthaft
um eine vernünftige Lösung der Transitfrage bemüht, man könne aber nicht die derzeitige Bundesregierung
für die aktuelle Situation verantwortlich machen. Jedenfalls komme Bundesminister Gorbach all dem nach, was
im vorliegenden Antrag auf Stellungnahme verlangt werde, und man werde auf keinen Fall einer Scheinlösung
zustimmen, versicherte Kukacka. |