Bonn (alphagalileo) - Einen Durchbruch auch für das Verständnis des menschlichen Genoms verspricht
ein Forschungserfolg, den ein internationales Team jetzt im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert
hat: Zeitgleich mit der kompletten Sequenzierung des Maus-Erbguts ist es den Verfassern gelungen, die überwiegende
Mehrzahl aller Gene des Kleinnagers, der „Wörter“ in der Genom-„Bibliothek“, zu identifizieren. An dem Mammutprojekt
waren über 100 Wissenschaftler weltweit beteiligt, darunter als einzige deutsche Gruppe auch das Team um Professor
Dr. Andreas Zimmer von der Universität Bonn.
Wenn Forscher Genome sequenzieren, ähnelt ihre Arbeit der eines Agenten, der einen Text in unsichtbarer Tinte
sichtbar macht, nur um danach festzustellen, dass er in einer völlig fremden Sprache geschrieben ist: Die
Buchstabenfolgen ergeben keinen Sinn, ja es ist nicht einmal zu erkennen, wo die Wörter oder Sätze enden.
Von der Sequenzierung bis zum Erkenntnisgewinn ist es daher ein weiter Weg, zumal nur in einem Bruchteil der Sequenz
wirklich Informationen stecken – der Rest ist Datenmüll. Zunächst versuchen die Wissenschaftler deshalb,
in dem „Buchstabensalat“ aus Millionen oder Milliarden von Zeichen die „Sinneinheiten“ (im weiteren Sinne die Gene)
zu identifizieren, in denen wirklich die Bauanleitung für ein Eiweiß oder ein anderes Zellmolekül
steckt. Danach erst können sie sich an die Aufgabe machen, diesen Informationsträgern eine Funktion zuzuordnen.
Bei ihrer Suche nach den Sinneinheiten im Genom profitieren die Forscher von der Tatsache, dass die Bauanleitungen
im Erbgut zunächst übersetzt werden müssen, bevor die Zellmaschinerie sie versteht. In den verschiedenen
Körperzellen schwirren daher zahlreiche dieser Übersetzungen oder „Transkripte“ herum – je nachdem, was
in der entsprechenden Zelle gerade „gebaut“ wird. Das schöne daran: Nur die Sinneinheiten werden übersetzt,
der bedeutungslose Datenmüll dagegen nicht.
Die Arbeitsgruppe um den Bonner Neurobiologen Professor Dr. Andreas Zimmer hat an der Analyse des Maus-„Transkriptoms“,
das heißt aller Transkripte in den verschiedenen Zellen des Kleinnagers, mitgewirkt – eine Sysiphusarbeit:
Über 1,4 Millionen DNA-Einheiten haben die beteiligten Forscher sequenziert und dabei 33.409 verschiedene
Transkripte identifiziert. Damit beträgt die Gesamtzahl der bekannten Transkripte jetzt 37086. Nur knapp 40
Prozent enthalten Bauanleitungen für Zelleiweiße, in dem Rest stecken Informationen über andere
Zellbestandteile.
„Wir möchten nun versuchen, diesen gut 37.000 Transkripten eine Funktion zuzuordnen“, erklärt Professor
Zimmer. So wollen die Forscher jeden dieser Informationsträger durch Mutationen verändern und beobachten,
welchen Schaden diese Mutation in lebenden Mäusen anrichtet. „Von diesen Erkenntnissen profitieren dann auch
Wissenschaftler, die die Ursache menschlicher Erbkrankheiten aufklären wollen“, so der Neurobiologe weiter:
Das Genom von Mensch und Maus entspricht sich in weiten Teilen; für viele Gene des Menschen gibt es eine entsprechende
Erbanlage in der Maus. Bei komplexen Erbkrankheiten ist häufig nur bekannt, in welcher Region der Erbfehler
in etwa liegen könnte. Der entsprechende Bereich im Erbgut umfasst dann oft noch mehrere hundert Gene, die
aufwändig analysiert werden müssten. „Kennt man jedoch die entsprechenden Gene der Maus und weiß,
wofür sie dort verantwortlich sind, ist es sehr viel leichter, beim Menschen die Kandidatengene zu benennen,
die für die Erbkrankheit verantwortlich sein könnten.“ |