Der ÖJ-Innenpolitik-Wochenüberblick
Die Wahl ist geschlagen.

Wie wie bereits berichtet, hat die österreichische Wählerschaft eindeutig entschieden, daß Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel die Möglichkeit bekommen soll, die im März 2000 begonnenen Reformen fortsetzen. Und dies gemeinsam mit dem (noch nicht ganz) ehemaligen FP-Finanzminister Mag. Karl-Heinz Grasser. "Noch nicht ganz" deshalb, da ja die ehemalige Regierung am vergangenen Freitag (28. 11.) von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut wurde. Der Weg dorthin, nämlich der vom Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz zur Präsidentschaftskanzlei, war der neuen Regierung im Jahr 2000 "oberirdisch" verwehrt, waren doch Hunderte Demonstranten aufmarschiert, um dort mit dem Widerstand gegen die ungeliebte Koalition zu beginnen. Die zukünftigen Minister und Staatssekretäre mußten damals die kurze Strecke über einen unterirdischen Verbindungsgang zurücklegen. Diesmal ging es mehr als ruhig ab, einige hatten sich zwar gefunden, aber diesmal um Beifall zu zollen.

Ebenfalls ganz ruhig ist es seit dem Wahlabend rund um die ÖVP. Man reagiert dort - eher knapp - auf die eine oder andere Feststellung oder öffentlich gestellte Frage der Oppositionsparteien. Schüssel wartet scheinbar ab, wie sich die Richtungsentscheidungen dort entwickeln. Denn während die einen sofort könnten, aber vielleicht nicht wollen, wollten die anderen, können aber nicht sofort. Wieso dieses?

Nun, die Mandatsverteilung hat die Koalitionsmöglichkeiten, über die wir seit Wochen mehrfach spekuliert haben, insoferne eingeschränkt, als die ÖVP die einzige Partei geblieben ist, die mit einer zweiten über eine relative Mehrheit im Parlament verfügt (wenn man von der undenkbaren Variante SPÖ+FPÖ+Grüne absieht).

Bundeskanzler Schüssel hat die Oppositionschefs Dr. Alfred Gusenbauer (SP), Mag. Herbert Haupt (FP) und Prof. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu Gesprächen eingeladen, die zwar von allen dreien wahrgenommen werden, allerdings mit sehr unterschiedlichen Positionen. Sowohl SPÖ als auch die Grünen haben parteiintern noch keine Einigung gefunden, ob der Verbleib in der Opposition der richtige Weg sei, oder ob eine Regierungsbeteiligung das Einhalten der gegebenen Wahlversprechen eher ermögliche. Gemeinsam ist beiden, daß sie eigentlich nicht als Steigbügelhalter für eine ÖVP-dominierte Regierung herhalten wollen. Die Kehrseite der Medaille sieht aber so aus, daß beide - seit Anfang 2000 - nur einen Wunsch hatten: nämlich eine ÖVP-FPÖ-Koalition zu verhindern. Eine Weigerung, jetzt mit der ÖVP zu koalieren, würde mit einiger Wahrscheinlichkeit die ÖVP aber in genau diese Regierungsform "hineinzwingen". Das hätte Nachteile für die Oppositionspolitik, da das Argument, schwarz-blau würde so weiterarbeiten wie früher, nur auf die eigene Verweigerung einer Regierungsverantwortung hinweisen würde. Stark, wie Schüssel mit seiner ÖVP derzeit "unterwegs" ist, kann es sowohl SPÖ als auch den Grünen passieren, bei der nächsten Wahl als Juniorpartner an Profil und Stimmen zu verlieren, wie es der FPÖ eben ergangen ist, auch wenn dort die Auslöser um einiges anders gelagert waren.

Das Dilemma, in dem die ehemalige 26-Prozent-Partei FPÖ nun steckt, scheint auch in nächster Zukunft keine Lösung zu erfahren. Die Aufarbeitung der Wahlniederlage ist in eine Welle von Parteiausschlüssen ausgeartet, die aber zumindest teilweise wieder zurückgenommen wurde. Die Schuldfrage ist insoferne beantwortet, als sich Kärntens Landeshauptmann Dr. Jörg Haider als verantwortlich erklärt hat. Wohin sich die FPÖ nun entwickeln wird, sollte sich am kommenden Sonntag herausstellen. Denn da findet ein Bundesparteitag statt, an dem sich der interimistische Parteiobmann Mag. Herbert Haupt zur Wahl stellt. Spannend dürfte es werden, wenn dem bisher einzigen Kandidaten ein zweiter entgegengesetzt wird, der in der Bundespolitik kein Unbekannter ist: Mag. Norbert Gugerbauer. Er war einst Weggefährte von Haider und hat seinerzeit in Innsbruck den Sturz des damaligen FP-Obmanns Dr. Norber Steger mitgetragen. Später hat sich Gugerbauer nach Meinungsverschiedenheiten mit Haider vollkommen aus der Politik zurückgezogen und sich seiner Anwaltskanzlei gewidmet. Gugerbauer gilt als Befürworter der Politik der FP-Regierungsmannschaft Riess-Passer und Grasser, die sich einem Teil der FPÖ bekanntlich zu sehr von deren Kernforderungen entfernt hat. So wäre es also möglich, daß Gugerbauer als Gegenkandidat zu Haupt antritt und es dann wahrscheinlich zu einer Spaltung der FPÖ käme. Haupt, der immer wieder bekräftigt, die Regierungsarbeit mit der ÖVP gemeinsam fortsetzen zu wollen, hat derzeit 19 Mandate im Nationalrat hinter sich. Sollte es zur angesprochenen Spaltung kommen, wäre keine der beiden nach- oder noch-Freiheitlichen Parteien für die ÖVP als Koalitionspartner brauchbar, da die Mandate einer "Hälfte" mit der ÖVP voraussichtlich keine Mehrheit ergeben könnte.

Eine bisher noch nicht angesprochene Variante hätte Bundeskanzler Schüssel, sollten sich SPÖ und Grüne weigern und die FPÖ in zwei Teile zerfallen: den für Österreich bisher ungewöhnlichen Gang in eine Minderheitsregierung. Schüssel könnte bzw. müßte sich für einzelne Vorhaben jeweils Mehrheiten im Parlament suchen, was zu erreichen auf den ersten Blick gar nicht so unwahrscheinlich ist. Das hätte auch für die Opposition gewisse Vorteile, da Sachthemen durchgesetzt werden könnten, die in den eigenen Zielen und im Wahlkampf vorrangig sind resp. waren. Alles geht natürlich nicht, da ja ohne ÖVP praktisch gar nichts geht. Und wenn das alles nicht klappt, könnte Schüssel Neuwahlen ausrufen und möglicherweise mit noch höheren Stimmengewinnen rechnen. Und das wird wohl die eine oder andere Überlegung in den Parteizentralen einigermaßen beeinflussen.

Michael Mössmer

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