Schüssel: Europa entscheidet sich zum erstenmal in Freiheit für eine Union
Bundeskanzler Schüssel informiert über den Europäischen Rat in Kopenhagen
Wien (bpd) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel informierte am Mittwoch (11. 12.) über die österreichischen Positionen zum bevorstehenden EU-Gipfel in Kopenhagen. Der Kanzler bezeichnete den Gipfel als "wirklich historisch, der weit über die Routine von Gipfeltreffen hinausreicht. Zum erstenmal entscheidet sich ein großer Teil Europas in Freiheit und in eigener Entscheidungskraft, nicht aufgezwungen von außen oder militärisch, in einer politischen Union zusammenleben zu wollen. Für uns ist entscheidend, dass wir vom Rand in das Zentrum rücken, von der Peripherie ins Herz Europas."

Der Bundeskanzler wies in diesem Zusammenhang besonders auf die Notwendigkeit der Strukturreformen in der erweiterten EU hin. Schüssel: "Mit dieser Erweiterung wird auch die innere Kohärenz der Union vor eine ganz neue Herausforderung gesellt. Jetzt stellt sich besonders die Notwendigkeit der Vertiefung. Die Institutionen können in der bestehenden Form nicht einfach fortgeschrieben werden. Es müssen aber die Kernpunkte, das sind die Gleichberechtigung aller Mitglieder, die Effizienz nach innen und außen das oberste Prinzip erhalten und abgesichert bleiben."

Als wichtiges Thema, das noch in Kopenhagen besprochen werden müsse, nannte der Bundeskanzler die Finanzperspektive der Union. Schüssel: "Mit dem Kompromisspaket der Präsidentschaft haben wir 40,2 Milliarden € Verpflichtungen und 23,8 Milliarden € Zahlungen. Das Ergebnis liegt deutlich unter den Vereinbarungen von Berlin und etwas über dem Brüsseler Kompromiss. Die gesamte Erweiterung kostet somit in den nächsten drei Jahren ungefähr 25 € pro Person. Dies erscheint mir im Sinne der Wiedervereinigung Europas vertretbar."

Als für Österreich wichtige Erfolge bei den Verhandlungen nannte der Bundeskanzler die Übergangsbestimmungen bei der Öffnung der Arbeitsmärkte und der grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Das bisherige Verhandlungsergebnis im Verkehrsbereich bezeichnete der Bundeskanzler hingegen als "für Österreich enttäuschend" Schüssel: "Wir stellen keine neuen Forderungen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir vor einem Jahr in Laeken eine einstimmige Lösung erzielt haben, damit das Kapitel Verkehr im Rahmen der Beitrittsverhandlungen noch vor Jahresende abgeschlossen werden kann. Niemand kann sagen, wir hätten nicht mit offenen Karten gespielt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass das Beitrittskapitel nur dann abgeschlossen werden kann, wenn dieser Konsens eingehalten wird. Hier hat die Kommission einen vernünftigen Vorschlag vorgelegt, der allerdings von einigen Mitgliedsländern nicht mitgetragen wird. Sie können sicher sein, dass ich mit dieser Forderung der Umsetzung, der schon einmal getroffenen einstimmigen Beschlüsse in den Europäischen Rat von Kopenhagen gehen werde."

Die Verankerung der österreichisch-tschechischen Vereinbarung über die nukleare Sicherheit des AKW Temelin im Beitrittsvertrag der Tschechischen Republik zur EU nannte der Bundeskanzler als "unverzichtbar". Schüssel: "Das war Teil des seinerzeitigen Kompromisses. Auf seine Einhaltung werden wir drängen. Wir haben sowohl im Allgemeinen Rat als auch bei der Erweiterungskonferenz in Anwesenheit der tschechischen Partner auf diese Notwendigkeit hingewiesen und diesbezüglich eine eigene Erklärung, die von Tschechien bestätigt worden ist. Dies alles wurde von den Vertretern der Mitgliedsstaaten zur Kenntnis genommen. Wir wollen daher nur das umsetzen, was schon einmal vereinbart worden ist. Das ist eine Frage von Treu und Glauben und eine Frage der Glaubwürdigkeit von Beschlüssen innerhalb der Europäischen Union. Themen, die bereits einstimmig oder mit dem notwendigen Quorum gelöst worden sind, sollten nicht erneut in Frage gestellt werden."
 
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