Sonderausstellung Kaiserpanorama
Noch bis 8. Jänner 2003 zu sehen im Wiener Metro Kino
Wien - Das so genannte Kaiserpanorama war ein optisches Massenmedium des Fin de Siècle, das in vielem schon das (Wochenschau)-Kino vorwegnahm. Die in allen großen Städten Mitteleuropas etablierten Panoramafilialen offerierten ihren Besuchern wöchentlich neue fotografische Ansichten in Stereo und Farbe! Das Filmarchiv Austria hat nun ein solches Gerät rekonstruiert und präsentiert als reizvollen Kontrast zur Filmschau projizierteS Land im Panorama (fotografische) Innenansichten der vorletzten Jahrhundertwende.

Eine wundersame Reisemaschine, Triumph der fotografischen Welteroberung, realistisches Illusionsinstitut und Symbol für den Siegeszug der Medien über Raum und Zeit, das war das Kaiserpanorama. Um 1900 in allen Städten Mitteleuropas verbreitet, avancierte es zu einer der populärsten optischen Vergnügungen der vorletzten Jahrhundertwende und einem der wichtigsten Wegbereiter des Kinos.

Woche für Woche lud das Kaiserpanorama die schaulustigen Flaneure des Fin de Siècle zu neuen Bilderreisen ein. Kolorierte Stereofotografien auf Glas, die, durch die Okulare betrachtet, einen dreidimensionalen Effekt erzeugten, illusionierten das Publikum in nahe und ferne Weltgegenden, transportierten aber auch, Film und Fernsehen vorwegnehmend, aktuelle Informationen aus den diversen Bereichen des öffentlichen Lebens. Charakteristisch am Medium Kaiserpanorama war die Art der Rezeption: Rund um den Apparat konnten bis zu 25 Personen Platz nehmen, wobei fünfzig Ansichten in automatisierter Folge vor die Optiken gelangten.

Im Kaiserpanorama kam die Fotografie erstmals zur systematischen Distribution. Eine wahre Bilderflut zirkulierte nach einem straff organisierten Verleihsystem in einem stetig expandierenden Filialnetz. Virtuelle Reisen durch die Weltmetropolen und frühen Tourismuslandschaften, aber auch Expeditionen ins Exotische standen neben aktuellen Berichten über Politik, Herrscher, Kriege und Katastrophen. Meist gehörten die Panoramageschäfte zum Imperium des August Fuhrmann (1844-1925), der ab den 1880er Jahren von Berlin aus die Verbreitung dieser Schaustellung vorantrieb und es bis 1910 auf rund 250 Filialen in Österreich, Deutschland und weiteren Ländern brachte.

In Wien wurde das erste Kaiserpanorama am 19. Juli 1885 am Kolowratring 7 mit einer Amerikaserie eröffnet. Optische Fernreisen konnten dort von 10 Uhr vormittags bis 10 Uhr abends angetreten werden. Die schaulustigen Wiener stürmten die Panoramen, zur Jahrhundertwende waren bereits fünf Unternehmungen aktiv. Bald aber buhlte eine neue technische Errungenschaft um die Gunst des Publikums: das Kino, anfangs noch eine wissenschaftliche Kuriosität, etablierte sich zusehends in den städtischen Vergnügungszentren und konkurrenzierte dort die Panoramageschäfte.

Spürbar ging der Besuch nun zurück, bis nur mehr treue Stammkunden und geführte Schulklassen das mittlerweile antiquiert wirkende Institut aufsuchten. "Hat niemand mehr Lust mit mir ins Panorama zu gehen?", fragt der Schriftsteller Max Brod 1913: "Armes Panorama, Vergnügung unserer Großeltern, Überbleibsel der Biedermeierzeit: jetzt erregt unsere Nerven der Kinematograph. Wir wollen beflimmert sein, förmlich von wechselnden Augen aus kreidiger Leinwand heraus angeschaut, nicht selbst ruhig und sanft durch zwei Gucklöcher in eine schwarze Kiste blicken."

Franz Kafka hingegen notiert 1911 nach einem Besuch des Kaiserpanoramas im nordböhmischen Friedland in sein Tagebuch: "Die Bilder lebendiger als im Kinematographen, weil sie dem Blick die Ruhe der Wirklichkeit lassen. Der Kinematograph gibt dem Angeschauten die Unruhe ihrer Bewegung, die Ruhe des Blickes erscheint wichtiger." Das Kaiserpanorma als Ort der Kontemplation und des wehmütigen, nostalgischen Reisens überdauerte in Wien noch den 2. Weltkrieg. Seit 1919 am Standort Stubenring 12 betrieben, schloss das mittlerweile als Weltpanorama bezeichnete Unternehmen am 1.1. 1955 endgültig seine Pforten. Danach geriet dieses frühe optische Massenmedium mit seinen fantastischen Bilderwelten bald in Vergessenheit !

Das Filmarchiv Austria hat nun in Kooperation mit dem Welser Stadtmuseum ein originales Kaiserpanorama rekonstruiert und präsentiert dieses erstmals nach fast 50 Jahren wieder im Regelbetrieb. Im Wiener Metro Kino findet diese Welt- und Zeitreisemaschine einen wunderschönen Rahmen und wird hier zur Weihnachtszeit erneut das Publikum mit Ansichten der vorletzten Jahrhundertwende in Farbe und 3 D begeistern. Wie damals werden die Bilderserien wöchentlich gewechselt, wobei für diese Ausstellung ganz besonders schöne Originalstereoskopien ausgewählt wurden.

ÖFFNUNGSZEITEN/EINTRITTSPREIS:
7. Dezember 2002 - 8. Jänner 2003, täglich 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr.
24.12. 2002, 31.12. 2002 und 1.1. 2003 geschlossen! Eintritt: EUR 2,-

PROGRAMM:
7. - 12. Dezember 2002: New York
13.- 19. Dezember 2002: Wien und der Semmering
20.- 26. Dezember 2002: Jerusalem
27. Dezember 2002 - 2. Jänner 2003: Ostasien und Japan
3. - 8. Jänner 2003: Algerien-Afrika.

Jede Programmserie besteht aus 50 handkolorierten, stereoskopischen Fotografien, einkompletter Durchlauf dauert etwa 25 Minuten.

Informationen: 01 / 216 13 00 oder unter www.filmarchiv.at
 
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