Jüdisches Museum Wien präsentiert Ausstellung über eine vielschichtige literarische
Persönlichkeit
Wien (jmw) - Peter Altenberg war der Inbegriff eines Poeten und eine zentrale Figur im "Wien
um 1900". Von vielen Zeitgenossen bewundert und belächelt zugleich: ein verträumter Flaneur und
eine legendäre Kaffeehausfigur, ein Bewunderer schöner Frauen und unberührter Naturlandschaften,
ein Meister des Aphorismus und anderer literarischer Kleinformen, ein Natur-Apostel und Gesundheitsprediger und
trotzdem dem Alkohol nicht abgeneigt. Zugleich ein sehr visueller Mensch und Künstler, der das Potential der
Fotografie als neue Kunstform früh erkannte und förderte. Die von Altenberg mit eingeklebten und beschrifteten
Postkarten zusammengestellten Alben gelten als Vorläufer der Collage. Den Großteil seines Lebens verbrachte
er in Hotels und Lokalen, ständig in Geldnot bekam er immer wieder Zuwendungen von Freunden und zelebrierte
dieses "Schnorrertum" bis zur Vollendung.
Sein Leben als Bohemien brachte ihm bald den Ruf als "Narr von Wien" ein, weil er Droschkenkutscher,
Stubenmädchen und andere Menschen aus dem Volk mit großer Hochachtung behandelte. Legendär war
aber auch seine Launenhaftigkeit - so schnell, wie er sich mit seinen besten Freunden, Mäzenen und Schriftsteller-Kollegen
zerstritt, so schnell versöhnte er sich auch wieder. Dokumentiert wird somit auch das wechselnde Verhältnis
zu seinen wichtigsten Freunden und Künstler-Kollegen wie Arthur Schnitzler, Adolf Loos, Karl Kraus, Hermann
Bahr, Richard Beer-Hofmann und vielen anderen.
Die Ausstellung beginnt mit einem Rundgang durch das Wien seiner Zeit und mit Orten, die in Altenbergs Leben und
Werk von Bedeutung waren: der Graben, die Dorotheergasse oder der Schwedenplatz. Weiter geht es zu jenen Räumen,
in denen sich sein Leben abspielte: dDas Café Griensteidl, das Café Central, die von Adolf Loos eingerichtete
American Bar oder auch das Wirtshaus Münchner Löwenbräu hinter dem Burgtheater, wo Altenberg und
andere Schriftsteller wie Karl Kraus ihren Stammtisch hatten. Gewohnt hat Altenberg fast ausschließlich in
Hotelzimmern, ab 1913 im Dachgeschoß des Graben-Hotels in der Dorotheergasse.
Die Wände des Zimmers waren über und über mit gerahmten und von ihm beschrifteten Fotos dekoriert,
die erhalten geblieben sind. Daher werden diese auf der Basis eines Arrangements von Innenaufnahmen in einem eigenen
Ausstellungsraum rekonstruiert. Hier finden sich von Künstlerfreunden angefertigte Karikaturen und Porträts
des Dichters, Fotos von angebeteten Frauen sowie Naturansichten. Weiter geht es mit Altenbergs Tätigkeit als
Theaterkritiker und Inspirator der Kabaretts "Nachtlicht" und "Fledermaus". Von letzterem wird
ein neu angefertigtes Modell im Maßstab 1:25 erstmals ausgestellt.
Einer der wichtigsten Aspekte findet sich im nächsten Raum - seine Bewunderung und platonische Liebe für
schöne Frauen und junge Mädchen, über deren Identität viele neue Details erarbeitet wurden.
Immer wieder floh Altenberg aus der Stadt in die unberührte Naturlandschaft des Semmering, nach Gmunden, in
die Dolomiten oder auch nach Venedig. Das Foto einer Blume, eines Baumes oder eines Berggipfels hatte für
ihn ebenso Kunstcharakter wie ein Gemälde, weshalb auch hier etliche Fotos aus seiner Sammlung gezeigt werden.
Den Abschluss bildet schließlich ein der bildenden Kunst gewidmeter Raum, wobei Altenbergs Definition dieses
Begriffes nachvollzogen wird, und Porträts des Schriftstellers geschaffen von Oskar Kokoschka oder Max Oppenheimer
in Reproduktion gezeigt werden. Er schätzte Künstler wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Adolf Loos und Josef
Hoffmann, auch wenn diese ihrerseits nicht viel miteinander zu tun haben wollten. Großes Wohlwollen wurde
Altenberg auch von Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton von Webern entgegen gebracht, die einige seiner
Ansichtskartentexte vertonten.
Der Großteil der Ausstellung umfasst Fotos, Handschriften, Briefe, Zeitungen und Zeitschriften, Theater-
und Kabarettprogramme sowie Ziergegenstände aus dem Besitz von Peter Altenberg. Als Kuratoren zeichnen Heinz
Lunzer, Victoria Lunzer-Talos und Marcus G. Patka, verantwortlich, die Gestaltung liegt bei Architekt Bernhard
Denkinger. Als gemeinsame Veranstalter treten das Jüdische Museum der Stadt Wien GmbH, das Historische Museum
der Stadt Wien, die Wiener Stadt- und Landesbibliothek sowie die Dokumentationsstelle für neuere österreichische
Literatur in Erscheinung.
Während der Ausstellung "Peter Altenberg. Extracte des Lebens" im Jüdischen Museum Wien findet
auch eine zweite Dokumentation mit dem Titel "Peter Altenberg. Einem Schriftsteller auf der Spur" im
Literaturhaus Wien (1070, Seidengasse 13) statt. Parallel zu beiden Ausstellungen erscheint ein reich illustriertes
Buch (ISBN 3-7017-1320-0) im Residenz-Verlag. Der SSubskriptionspreis im Bookshop Singer des Jüdischen Museums
Wien während der Dauer der Ausstellung beträgt EUR 24,90. |