Noordwijk/Paris (esa) - Integral, das Gammastrahlenobservatorium der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA), ist voll funktionsfähig. Am Mittwoch (18. 12.) wurden
in Paris bahnbrechende erste Bilder des hochenergetischen Universums, die mit Integral aufgenommen wurden, der
Öffentlichkeit vorgestellt. Astronomen bezeichnen diese Anfangsbeobachtungen als "First-light"-Aufnahmen.
Das hochenergetische Universum ist Schauplatz heftiger Ereignisse wie explodierende und kollabierende Sterne; zu
letzteren gehören die ultrakomprimierten Neutronensterne und die alles verschlingenden Schwarzen Löcher.
Diese Himmelsobjekte erzeugen Röntgen- und Gammastrahlen, die um ein Vielfaches energiereicher sind als die
optische Strahlung, die mit bloßem Auge und optischen Teleskopen erfaßt werden kann. Die Hauptexperimentatoren
für Integral - die für die Bordinstrumente verantwortlichen Wissenschaftler - erläutern die Schlüsselrolle
von Hochenergie-Missionen wie Integral in der Astronomie: "Die Röntgen- und Gammastrahlenastronomie ist
ein Wegweiser zu außergewöhnlichen Objekten. Im optischen Wellenlängenbereich wimmelt es von Sternen.
Im Röntgen- und Gammastrahlenbereich sind weniger Objekte zu sehen, dafür aber die eigentümlichsten."
Als erster Test wurde der Blick des Observatoriums auf die Cygnus-Region des Himmels und insbesondere auf das rätselhafte
Objekt Cygnus X-1 gerichtet. Seit den 60er Jahren ist bekannt, daß von diesem Objekt eine konstante energiereiche
Strahlung ausgeht. Die meisten Wissenschaftler glauben, daß Cygnus X-1 ein Schwarzes Loch mit der fünffachen
Masse unserer Sonne ist, das einen nahen Stern verschlingt. Die Beobachtung von Cygnus X-1, das "nur"
10 000 Lichtjahre von der Erde entfernt und damit ein vergleichsweise nahes Objekt unserer Galaxie ist, stellt
einen wichtigen Schritt zur Lösung des Rätsels der Schwarzen Löcher dar und könnte auch zu
einem besseren Verständnis des riesigen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie beitragen, das dreimillionenmal
so massereich ist wie unsere Sonne.
Bereits während seiner Anfangsbeobachtungen hat Integral zur Freude der Wissenschaftler einen ersten Gammastrahlenausbruch
erfaßt. Diese gewaltigen Explosionen sind nicht vorhersehbar; bekannt ist nur, daß sie durchschnittlich
zweimal pro Tag an unterschiedlichen Stellen im Universum stattfinden. Ihr genauer Ursprung ist unklar: Sie könnten
durch das Kollabieren riesiger Sterne im fernen Universum ausgelöst werden, aber auch durch Kollisionen zwischen
zwei Neutronensternen. Integral wird wichtige Aufschlüsse über diese Vorgänge liefern und die Wissenschaftler
der Lösung dieses besonderen Rätsels näherbringen.
Zur Untersuchung dieser Phänomene führt Integral zwei leistungsstarke Gammastrahlen- Instrumente mit:
eine Kamera (bzw. Bildaufnahmegerät) namens IBIS und ein Spektrometer namens SPI. Spektrometer dienen
zur Messung der Energie der empfangenen Gammastrahlung. Gammstrahlenquellen sind oft äußerst variabel
und können innerhalb von Minuten oder Sekunden schwanken. Es ist daher wesentlich, daß Daten gleichzeitig
in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen gesammelt werden. Deshalb ist Integral zusätzlich mit einem
Röntgen- und einem optischen Begleitinstrument (JEM-X und OMC) ausgestattet. Alle vier Instrumente beobachten
dieselben Objekte zur selben Zeit. Auf diese Weise können sie flüchtige Ereignisse lückenlos erfassen.
Integral sendet die Daten aller Instrumente an das Wissenschaftliche Integral-Datenzentrum (ISDC) bei Genf in der
Schweiz, wo sie verarbeitet und dann den Wissenschaftlern zugänglich gemacht werden.
"Wir haben die Leistung der Instrumente im Hinblick auf die insgesamt beste wissenschaftliche Ausbeute
optimiert. Wir erwarten, daß spätestens am Jahresende Integral für die Nutzung durch Astronomen
in aller Welt bereit sein wird," prognostiziert Arvind Parmar, der kommissarische Projektwissenschaftler der
ESA für Integral. "Die ersten Bilder und Spektren beweisen, daß Integral voll in der Lage ist,
die ihm zugedachte Aufgabe zu erfüllen", d.h. einige der Geheimnisse des hochenergetischen Universums
zu enthüllen.
Integral ist für eine Missionsdauer von zwei Jahren ausgelegt, doch führt der Satellit ausreichend Treibstoff
mit, um - wenn keine Pannen auftreten - seinen Einsatz auf insgesamt fünf Jahre zu verlängern.
Hintergrund
Integral wurde am 17. Oktober 2002 mit einer russischen Proton-Rakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan
aus gestartet. Der Satellit wurde auf eine Bahn hoher Neigung befördert, auf der er sich bis auf 153 000 km
von der Erde entfernte und ihr wieder bis auf 600 km nahekam. Seine Bordtriebwerke führten dann fünf
Manöver aus, durch die er auf seine Einsatzbahn in 9000 bis 153 000 km Höhe über der Erde gelangte.
Zwar umkreist Integral die Erde oberhalb ihrer Atmosphäre und ihres Wetters, ist auf seiner Bahn aber dem
Einfluß des sogenannten Weltraumwetters ausgesetzt. Das Weltraumwetter besteht aus einem ständigen Regen
winziger Teilchen, die Detektoren für Gammastrahlung vorübergehend blenden können. "Die Blitze
dauern etwa eine Zehntel Sekunde und müssen mit Hilfe der Software herausgefiltert werden", sagt Pietro
Ubertini, der Hauptexperimentator für IBIS. Das Instrument JEM-X erwies sich gegenüber dem Weltraumwetter
als besonders empfindlich, weshalb die Wissenschaftler seine Einstellung ändern mußten.
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Cygnus X-1 ist eine der hellsten Quellen hochenergetischer Strahlung am Himmel. Sie ist im Sternbild Schwan etwa
auf halbem Wege entlang der Reihe von Sternen, die den Hals des Schwans bilden, gelegen und rund 10 000 Lichtjahre
von der Erde entfernt. Cygnus X-1 wurde in den 60er Jahren entdeckt; es wird vermutet, daß es sich um ein
Schwarzes Loch handelt, das seinen Begleitstern in Stücke reißt. Der Begleitstern, HDE 226868, ist ein
blauer Überriese mit einer Oberflächentemperatur von 31 000 °K. Er umläuft das Schwarze Loch
einmal alle 5,6 Tage. |