Fischer zieht Bilanz über 12 Jahre Präsidentschaft
"Kein Misston während des dienstägigen Gesprächs mit der ÖVP"
Wien (pk) - Das 120. Pressegespräch von Nationalratspräsident Heinz Fischer war dem Thema "Ende der Gesetzgebungsperiode" gewidmet.

© Foto: Petra Spiola

Es sei ein ungeschriebenes Gesetz des österreichischen Parlamentarismus, wonach der Präsident des Nationalrats von der stärksten Fraktion im Parlament komme, leitete Heinz Fischer sein Statement ein. Da die SPÖ bei der Wahl zweitstärkste Partei geworden sei, werde er in der konstituierenden Sitzung des Nationalrates nicht mehr für das Amt des NR-Präsidenten kandidieren.

Sodann zog Fischer Bilanz: In den 12 Jahren seiner Präsidentschaft gab es 530 NR-Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 5.105 Stunden 15 Minuten. Die stenographischen Protokolle umfassen 69.841 Seiten. Beschlossen wurden 1.741 Bundesgesetze. Der Hauptausschuss hielt in diesem Zeitraum 189 Sitzungen ab, die Präsidiale trat 384mal zusammen. Innerhalb der letzten 12 Jahre waren 436 Abgeordnete zum Nationalrat als Parlamentarier tätig.

Das Parlament wurde - darauf war Fischer stolz - durch eine Vielzahl von Veranstaltungen zu einem echten Ort der Begegnung. Er erinnerte u.a. an die Fotoausstellung des Museum of Israeli Art "The Absent Photograph - Yitzhak Rabin", an die Sitzungen des Schülerparlaments "Model European Parliament" sowie an die Aufführung der Oper "Anna Frank" am Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitarbeiter des Hauses haben sich - wie bei anderen Gelegenheiten - als hervorragend qualifizierte Mitarbeiter erwiesen, merkte Fischer an. Auch konnten die internationalen Kontakte verstärkt werden.

Im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung des Nationalrats verwies der Präsident darauf, dass er 1968, also vor 34 Jahren, gemeinsam mit Dr. Cerny den ersten Kommentar dazu geschrieben habe. Die GO sei viermal novelliert worden, zu jeder Novelle bekenne er sich. Heute haben wir eine GO, so Fischer, über die sowohl die Regierung bzw. die Regierungsparteien als auch die Oppositionsparteien froh sein können, da es einen Ausgleich zwischen Mehrheits- und Minderheitsrechten gibt. Ein aktuelles Korrekturbedürfnis sieht Fischer in der Frage des Minderheitsrechtes auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Alle haben die gute Absicht, sagte Fischer überleitend zum Thema Gesetzesflut, weniger Gesetze zu beschließen; dabei handle es sich so lange um fromme Wünsche, solange man die Rechts- und Verfassungsordnung nicht ändere. "Sachlich mutig" solle man laut Fischer darüber sprechen, ob man nicht das Legalitätsprinzip neu definiert. Gerade die heutigen Gesetze wenden sich zu einem beträchtlichen Teil nicht an die Bürger, sondern an die Vollziehung. Durch detaillierte Regelungen und klare Handlungsanweisungen werden die Gesetze immer komplizierter. Hätte man Zutrauen zur Verwaltung, dann könnte man das Legalitätsprinzip lockern und allgemeinere Regelungen zulassen. Nach Ansicht des Präsidenten würde es sich lohnen, darüber nachzudenken.

Kurz streifte Heinz Fischer auch die Tätigkeit des Nationalfonds; das entsprechende Gesetz wurde am 1. Juli 1995 mit den Stimmen aller im Parlament vertretenen Parteien beschlossen. Mit über 30.000 Überlebenden wurde Kontakt aufgenommen, in 27.100 Fällen wurden Auszahlungen vorgenommen. Die österreichischen Antragsteller verteilen sich auf 72 Staaten, fast zwei Drittel kommen aus Österreich oder den USA.

Zurückkommend auf die Konstituierung des Nationalrates, die übermorgen stattfinden wird, gab Fischer bekannt, dass die ÖVP mit 79 Abgeordneten - 40 neue, 39 werden wiedergewählt -, die SPÖ mit 69 - 48 werden wiedergewählt, 21 sind neu -, die FPÖ mit 18 - 8 werden wiedergewählt, 10 sind neu - und die Grünen mit 17 Mandataren - 14 werden wiedergewählt, 3 sind neu - vertreten sein werden. In Summe werden 109 Abgeordnete wiedergewählt, 74 ziehen zum ersten Mal in den Nationalrat ein. Die Frauenquote liege gesamt gesehen bei 34 %, die höchste Frauenquote haben die Grünen mit 58,8 %, die geringste die ÖVP (29,1 %). Auch machte Fischer darauf aufmerksam, dass vorerst die Regierungsmitglieder als Abgeordnete angelobt werden, da sich "die Nebel rund um die Regierungsbildung noch nicht gelichtet haben".

Die gestrige Verhandlungsrunde mit der ÖVP sei sachlich verlaufen, was nach Meinung von Fischer nichts daran ändere, dass Schüssel, der den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen habe, "nach wie vor nicht erkennen lässt, welche Schritte er beabsichtige und in welche Richtung er sich bewegen will". So lange die Richtung nicht bekannt sei, gebe es seitens der SPÖ kein Mitgehen und kein konkretes Verhandeln, so Fischer abschließend.
 
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