Sozialpolitik
VfGH: Besteuerung von Unfallrenten wegen Fehlens einer Übergangsfrist als verfassungswidrig aufgehoben
Wien (vfgh) - Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2002, G 85/02, hat der Verfassungsgerichtshof auf Grund eines sog. "Drittelantrages" der Nationalratsfraktion der SPÖ Bestimmungen über die Unfallrentenbesteuerung als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof folgte allerdings in der Begründung den Rechtsanschauungen der Abgeordneten nicht in jeder Hinsicht. Er stellte vor allem klar, daß gegen die Einbeziehung der Unfallrenten in die Einkommensbesteuerung an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden: Weder treffe es zu, daß die schon seit der Schaffung der Unfallrenten im Jahre 1888 (im wesentlichen) gleichbleibende Art der Rentenbemessung mit der bisherigen Steuerbegünstigung in einem Zusammenhang stehe, noch seien vergleichbare privatrechtliche Schadensrenten in einer solchen Weise steuerlich begünstigt. Auch die eingetretene Ungleichbehandlung zu Renten nach dem Heeresversorgungsgesetz sei auf Grund der mit dem Präsenzdienst verbundenen besonderen Inanspruchnahme männlicher Staatsbürger (Art. 9a Abs. 3 B-VG) sachlich gerechtfertigt.

Allerdings führe die Neuregelung bei einem nicht unerheblichen Teil der davon Betroffenen (nämlich rd 12.000) zu einer plötzlich eintretenden Einbuße des Nettoeinkommens von rd 10% bis über 25%. Da es sich nicht bloß um einzelne Härtefälle handle und der Eingriff insoweit jedenfalls als intensiv zu beurteilen sei, hätte der Gesetzgeber entweder eine Legisvakanz oder eine Einschleifregelung vorsehen müssen, damit sich die Betroffenen auf die neue Situation hätten einstellen können. An der Verfassungswidrigkeit des übergangslos erfolgten, plötzlichen und intensiven Eingriffs in die laufenden Rentenbezüge ändere weder die Erhöhung der Schwerversehrtenzuschläge bei einem Teil der Schwerversehrten etwas noch die später geschaffene Möglichkeit der nachträglichen Abgeltung der Steuerbelastung durch Beihilfen gem. § 33 des Bundesbehindertengesetzes: Letztere könnten den zunächst erfolgten Eingriff nicht ungeschehen machen und beträfen auf Grund der Einkommensgrenzen überdies jene Gruppe, die Kürzungen von 10% des Nettoeinkommens und darüber hinzunehmen habe, nur zum geringsten Teil.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis auch ausgesprochen, daß die aufgehobene Gesetzesbestimmung auf die Einkommensteuerbemessungen für die Jahre 2001 und 2002 nicht mehr anzuwenden ist, soweit eine Abgeltung nach dem Bundesbehinderten- gesetz nicht erfolgt ist; im übrigen hat er dem Gesetzgeber eine "Reparaturfrist" bis 31. Dezember 2003 eingeräumt, sodaß ab 1. Jänner 2003 die Unfallrentenbesteuerung bis zu einer allfälligen Neuregelung vorerst aufrecht bleibt. Mit gleichem Datum hat der Verfassungs- gerichtshof in ca. 80 mittlerweile anhängig gewordenen Beschwerdefällen Betroffener die angefochtenen, das Kalenderjahr 2001 betreffenden Einkommensteuer- bescheide aufgehoben.

 
 Bartenstein: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken an sich gegen Unfallrentenbesteuerung
Wien (bmwa) - In seinem heutigen Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof zwar die Besteuerung von Unfallrenten wegen Fehlens einer Übergangsfrist als verfassungswidrig aufgehoben, gleichzeitig aber betont, dass gegen die "Einbeziehung der Unfallrenten in die Einkommensbesteuerung an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden". Damit habe der Verfassungsgerichtshof die ursprünglichen Überlegungen der Bundesregierung, Unfallrenten wie Invaliditätsrenten zu behandeln, um hier eine steuerliche Gerechtigkeit herzustellen, bestätigt, sagte Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein am Dienstag (17. 12.).

Für die weitere Vorgangsweise werde die Regierung das nun vorliegende Erkenntnis genau analysieren, um bis zur vorgegebenen Reparaturfrist bis zum 31. Dezember 2003 eine verfassungskonforme Regelung unter Berücksichtigung von Härtefällen vorlegen zu können.

 
 Unfallrentensteuer: SPÖ beharrt auf ersatzloser Streichung
Wien (sk) - SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures bekräftigte anlässlich des heutigen VfGH-Urteils zur Unfallrentenbesteuerung, dass die SPÖ auf einer ersatzlosen Streichung der Unfallrentensteuer beharre. Der VfGH hat dem Gesetzgeber für eine "Reparatur" eine Frist mit 31. Dezember 2003 gesetzt. Bures betonte am Dienstag (17. 12.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst, dass "für die SPÖ die einzig vorstellbare Reparatur eine Streichung der Unfallrentenbesteuerung ist".

Die Besteuerung der Unfallrenten sei weder aus sozialen Gründen zu rechtfertigen noch aus rechtlichen, erklärte Bures. Denn, wie Bures ausführte, Unfallrenten sind dem Konzept nach auch Schadenersatz und Schmerzensgeld; dies zu besteuern, sei untragbar.

Derzeit gibt es rund 110.000 BezieherInnen von Unfallrenten als Opfer von Arbeitsunfällen mit bleibenden Schädigungen. Bures hält es für unverantwortlich, "dass der Staat jenen Menschen, die vom Schicksal schwer getroffen sind, noch zusätzlich mit einer Steuer belastet".
 
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