Ein neues Kapitel der Europäischen Einigung  

erstellt am
04. 12. 03

Nationalrat beschließt mit großer Mehrheit die Erweiterung der EU
Wien (pk) - Die Schaffung der nationalen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erweiterung der Europäischen Union standen an der Spitze der Tagesordnung der ersten Plenarsitzung des Nationalrats in dieser Woche am Mittwoch (03. 12.). Die Vorlage wurde nach mehrstündiger Debatte mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen, bei den Freiheitlichen stimmten Unweltsprecher Wittauer - aus Protest gegen Temelin - und Vertriebenen-Sprecherin Rosenkranz - aus Protest gegen die Benes-Dekrete - gegen die Erweiterung der Union.

Molterer: Ein neues Kapitel der Europäischen Einigung
Abgeordneter Mag. Wilhelm MOLTERER (V) begrüßte vorerst stellvertretend für diese „10 neuen wertvollen und wichtigen Partner in der EU“ die Vertreter dieser Partnerländer, die die heutige Diskussion begleiteten. Wie die Diskussion über die so wichtige „historische Entscheidung“ begonnen hat, war im Sprachgebrauch das Wort „Osterweiterung“, erinnerte Molterer. Mit diesem Sprachgebrauch, merkte der Redner an, habe er sich nie wohl gefühlt. Der Sprachgebrauch wurde verbessert - auch das sei ein wichtiger symbolischer Beitrag -, es wurde nicht mehr von der „Osterweiterung“ gesprochen, sondern von der „Erweiterung der EU“ und heute spreche man von einer „Wiedervereinigung Europas“; es gehe um eine Wiedervereinigung, die einen langen Weg hinter sich hat: Es ist nämlich wenige Jahrzehnte her, dass dieses Europa nach einem Terrorregime der Nazis in Trümmern gelegen ist, dass Europa nach diesem Zweiten Weltkrieg geteilt wurde, dass Grenzen geschaffen wurden, die die Geschichte nicht gekannt hat, sondern die fehlgesteuerte Menschen in diesem Kontinent geschaffen haben. Heute könne man ein neues Kapitel der europäischen Einigung aufschlagen, sagte er.

Eine europäische Einigung gibt ganz zentrale und wichtige Antworten. In den fünfziger Jahren nach den dramatischen Ereignissen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges sowie der Teilung dieses Kontinents wurde eine Antwort gesucht und gefunden. Verantwortliche Staatsmänner und Frauen haben damals gesagt: Wenn wir eine wirtschaftliche Verflechtung in diesem Kontinent zwischen den verfeindeten Nationen zustande bringen, dann kann damit ein entscheidender Beitrag dazu geleistet werden, dass es nie wieder Krieg in Europa gibt. Es war damals schon klar, dass die Gründerväter der EU, des europäischen Einigungsgedankens gesagt haben, es wird auf Dauer nicht reichen, dass wir eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, sondern wir brauchen die Vision der politischen Gemeinschaft, der politischen Vereinigung in Europa, weil nur die politische Zielsetzung letztendlich die Antwort sein kann, die mit dem Prozess der wirtschaftlichen Einigung begonnen wurde. Heute setzen wir einen „zentralen Stein in dieses europäische Einigungsbauwerk“: Wir nehmen diese zehn neuen Länder in unsere Europäischen Union auf.

Er erinnerte sich an den August 1968, als ihm seine Mutter eines Morgens sagte: In Prag fahren die russischen Panzer; was das für seine Elterngeneration bedeutet hat, sei ihm erst an diesem Morgen bewusst geworden. Das war mit ein Motivator, warum für ihn diese europäische Einigung eine emotionale Sache ist, die nicht allein rational und technokratisch bewältigbar ist. Genauso eine Emotion habe er empfunden, als im Jahr 1989 die Berliner Mauer gefallen ist, ein Freudentag nicht nur für die Bevölkerung Deutschlands, sondern für ganz Europa. Die Idee der europäischen Einigung ist stärker als Nationalismus, strich Molterer heraus, sie ist stärker als menschenverachtende Ideologien wie der Nationalsozialismus, und ist stärker als undemokratische Regime und Systeme, wie sie der Kommunismus über Jahrzehnte in Europa errichtet hatte. Seiner Meinung nach lautet die wichtigste Botschaft: Die europäische Einigung ist stärker als alles Menschenverachtende, das wir auf diesem Kontinent erlebt haben.

Fischer: EU-Erweiterung ist eine Erweiterung der Zone des Friedens
Abgeordneter Dr. FISCHER (S) meinte, es sei ein historisches Datum, wenn im Nationalrat nach großen Anstrengungen und sorgfältigen Überlegungen der Beschluss gefasst wird, dass wir die Erweiterung für richtig halten, wenn wir dazu beitragen, dass die EU von weniger als 400 auf über 450 Millionen Einwohner anwächst und damit mehr Einwohner hat als die USA und Russland zusammen und wenn wir einen Zustand beenden, der Resultat des Zweiten Weltkrieges war und der Europa geteilt hat. Fischer bekannte sich „voll und ganz“ zu diesem historischen Beschluss und freute sich, dass er im Parlament mit außerordentlich großer Mehrheit gefasst werden wird.

Wenn der Nationalrat mit 98 % dem Vorschlag zustimmen wird, müssen wir uns bewusst sein, dass diese Mehrheit wahrscheinlich größer ist als die Zustimmung in der Bevölkerung, erklärte Fischer. Sicher werde eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter diesem Beschluss stehen, aber aus Umfragen wisse man, dass es Sorgen, Skepsis und Bedenken gibt. Weil wir überzeugt sind, dass unsere Entscheidung richtig ist, müssen wir diese Sorgen ernst nehmen und den Menschen zeigen, dass wir die Arbeit noch nicht als beendet betrachten, sondern dass jetzt ein „Geburtsakt“ zustande gekommen ist und das Kind erst wachsen muss. Nur wenn wir auf die Sorgen der Bevölkerung Rücksicht und unsere Hausaufgaben ernst nehmen, dann werden wir die Glaubwürdigkeit, mit der wir diese Entscheidung vor der Bevölkerung vertreten wollen, vergrößern können, konstatierte der Redner.

Weiter gibt er zu, dass es „eine große Sache“ sein, dass Länder, die damals zum kommunistischen Machtbereich gehört haben, Länder, die Teil der Sowjetunion waren wie Estland und Lettland und Litauen, in unserer Zeit Teil einer EU mit allen Freiheiten und Freizügigkeiten zwischen den Staaten sein werden.

Die europäische Geschichte sei eine Geschichte der Kriege. Oft war der Krieg die Antwort auf Probleme. Das sei falsch, meinte Fischer, der Friede ist das Entscheidende. Die EU, der europäische Zusammenschluss, die Erweiterung sei ein Friedensprojekt. Die Philosophie des Krieges wird abgelöst durch eine Architektur des Friedens, und die Erweiterung der EU ist eine Erweiterung der Zone des Friedens. – Dieses Argument sollte in die Öffentlichkeit hinausgetragen werden.

Fischer beleuchtete dann die historische Dimension und erinnerte auch an die vielen Hoffnungen, die man den Menschen machte, an die Versprechungen, die Staatspräsidenten, wenn sie diese Länder besucht haben, abgegeben haben. Damit wurden Erwartungen geweckt, betonte er, und nun komme dieser Prozess zu einem fairen Abschluss – nicht zum Vorteil der einen und zum Nachteil der anderen Seite. Auch die soziale Dimension gehöre nach Ansicht von Fischer in den Vordergrund gerückt; dieses Projekt werde nur dann blühen und gedeihen, wenn wir den sozialen Zusammenhalt ernst nehmen, wenn wir den Menschen „nicht nur als Kostenfaktor auf zwei Beinen“ betrachten, sondern wenn wir sagen: Eine Gesellschaft, die funktionieren, akzeptiert werden soll, muss auch eine soziale Gesellschaft sein; dem fühlen wir uns verbunden, fügte er hinzu.

Mit der Erweiterung hängen auch institutionelle Fragen zusammen. Alle in diesem Haus haben Verständnis für die Position, dass wir uns zur Wehr setzen, wenn einige Staaten quasi über die Interessen anderer, insbesondere kleinerer Staaten „drüberfahren“. Das ist legitim, das ist richtig, aber das gilt nach Meinung von Fischer auch für die Sicherheitspolitik. In Fragen der Sicherheitsarchitektur werde es nicht möglich sein, dass die drei größten Nato-Staaten einen Text auf den Tisch legen und Österreich sagt ja und Amen dazu. Es müsse auf Staaten, die nicht paktgebunden ist, Rücksicht genommen werden, denn auch im Bereich der europäischen Architektur müsse darauf Wert gelegt werden, dass die Interessen der Nato-Staaten und die Interessen der nicht paktgebundenen oder der neutralen Staaten berücksichtigt werden. – Wir brauchen eine solidarische Sicherheitspolitik, aber eine, die von allen 15 Staaten und in weiterer Folge von allen 25 Staaten mit ihren Interessen und ihren Verfassungsordnungen mitgetragen werden könne, schloss Fischer.

Scheibner: Für ein Europa der Menschen und nicht der Lobbies
Alle sehen das Projekt eines gemeinsamen, eines geeinten, eines friedlichen Europa als ein sehr wichtiges Thema der europäischen, aber auch der österreichischen Politik an, leitete F-Abgeordneter SCHEIBNER seine Wortmeldung ein; auch die FPÖ sehe das so. Eine Erfolgsgeschichte in der europäischen Integration nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges ist es, dass innerhalb der EU Kriege, militärische Auseinandersetzungen auf Dauer unmöglich geworden sind, dass es nicht mehr irgendwelche Bündnisabsprachen auf Zeit gibt, sondern es wird auf Dauer ein Signal gesetzt, dass die Mitgliedsländer dieser EU ihre Konflikte auf friedlicher Ebene austragen und man gemeinsam aufbaut und nicht gegenseitig zerstört. Er sieht auch das Signal, dass von der EU keine militärische Bedrohung an das Umfeld ausgeht und ausgehen wird; diese EU hat es sich zu einem ihrer wichtigsten Ziele gesetzt, Sicherheitspolitik zu betreiben, das heißt Krisenbewältigung auch außerhalb oder innerhalb Europas zu unternehmen, weil man weiß, dass diese Krisen unmittelbare Auswirkung auf Europa, auf die Union und auch auf Österreich haben und weil sich diese EU als Wertegemeinschaft sieht und sehen muss, so Scheibner. Deshalb müsse der Gedanke einer Sicherheitsunion an die erste Stelle der weiteren Verhandlungen gestellt werden, denn ohne Sicherheit brauchen wir uns über andere Projekte gar nicht den Kopf zu zerbrechen, sagte Scheibner.

Dieses Europa muss auch ein Europa für die Menschen auf diesem Kontinent sein, das die Interessen von Lobbies und Interessenvertretungen nicht im Vordergrund unserer Überlegungen stellt, sondern wir haben auf die Bedürfnisse, Anforderungen, aber auch Sorgen und Ängste der Menschen in Europa Rücksicht zu nehmen, betonte der Abgeordnete. Gerade die letzten Diskussionen rund um den Transitvertrag zeigen, dass man die Sorgen, Ängste und Bedürfnisse eines Landes, nämlich Österreichs, nicht beachtet. 14 Länder der EU sind über die Interessen eines Landes „drübergefahren“. Auch das Europäische Parlament als Volksvertretung aller Mitgliedsländer hat diesen Auftrag nicht wahrgenommen. Wenn es darum geht, diese Union auch demokratisch zu machen, dann haben wir noch einen sehr weiten Weg zu gehen, um die „Vision eines Europa für die Menschen“ auch umsetzen zu können.

Wir halten es für einen Widerspruch zu den Kriterien der Menschenrechte, dass etwa die Tschechische Republik nach wie vor mit den Benes-Dekreten und den Amnestiegesetzen Rechtsbestände in ihrer Rechtsordnung hat, die die Grundlage und die Rechtfertigung für die Ermordung und Vertreibung von hunderttausenden unschuldigen Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen sind, sagte der Redner und fuhr fort: Hier geht es darum, nicht gegen ein Land oder gegen die Menschen in diesem Land zu argumentieren, sondern darum zu sagen: Ihr seid willkommen, aber ihr müsst die Kriterien, die wir an die Menschenrechtstandards anlegen, auch erfüllen. Es kann doch für ein demokratisches Land nicht schwierig sein zu sagen: Das war Unrecht, und es werden die Bestände, die dieses Unrecht sanktionieren, aufgehoben, wir ziehen einen Schlussstrich und geben damit eine Grundlage für ein gemeinsames demokratisches Zusammenleben der Staaten in dieser Region.

Van der Bellen: Ein großer Tag ohne große Begeisterung
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) sprach von einem großen Tag, gab aber zu bedenken, richtige Begeisterung wolle sich nicht einstellen. Der Freude über die neuen Mitglieder stehe ein gewisses Unbehagen über die EU in ihrem derzeitigen Zustand gegenüber. Van der Bellen wies in diesem Zusammenhang vor allem auf den Stabilitätspakt und den Transitvertrag hin. Aus wirtschaftspolitischer Sicht begrüße er es zwar, dass der Stabilitätspakt nun politisch tot sei, die Art, wie er zu Grabe getragen wurde, "müsse einem aber übel aufstoßen", sagte er. Wenn Regeln für alle gelten, nicht aber für die Großen, dann könne dies nicht im Geiste einer kommenden europäischen Verfassung sein.

Unbehangen äußerte Van der Bellen auch über das Scheitern in der Transitfrage. Hier habe sich deutlich gezeigt, dass sich in der EU die Frächterlobby durchsetzt.

Was die österreichischen Positionen in EU-Fragen betraf, sparte der Redner nicht mit Kritik. Es sei ihm wohl recht, wenn Österreich weiterhin einen Kommissar entsende, doch dies könne nicht als zentrales Problem in der Verfassungsdiskussion angesehen werden. Klar war für Van der Bellen, dass ein Kommissar nicht der Repräsentant eines Landes sei, sondern vielmehr die Position der EU zu vertreten habe. Dies werde zwar von Franz Fischler, nicht aber von Außenministerin Ferrero-Waldner erkannt, bemerkte er.

Schüssel: Gräben zuschütten, nicht vertiefen
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL interpretierte den heutigen Beschluss ebenfalls als großen Tag für Österreich und für Europa. Die Erweiterung mache deutlich, dass die Europäische Idee lebt. Manche bilateralen Probleme hätten aber in einem europäischen Geist gelöst werden sollen, räumte Schüssel ein. Die EU dürfe jedenfalls nicht vergessen, dass Menschenrechte unteilbar sind und dass die Geschichte nicht verschwiegen werden dürfe. Schüssel trat daher im Verhältnis zu Tschechien für gemeinsame Gesten ein, die die Gräben überwinden helfen anstatt sie zu vertiefen. Der heutige Beschluss sei ein gutes Symbol in dieser Richtung, sagte er.

Zur Diskussion über die Beistandspflicht merkte Schüssel an, sowohl die Position des italienischen Außenministers Frattini als auch jene des SP-Abgeordneten Einem sei vernünftig, er erkenne keine gravierenden Unterschiede. Von einem Begraben der Neutralität durch die Bundesregierung könne keine Rede sein, versicherte er. Es gehe vielmehr darum, etwas Gemeinsames in einem guten europäischen Geist zu entwickeln.

Gorbach: Erweiterung als große Herausforderung für Österreich
Vizekanzler GORBACH betonte, das Parlament schreibe heute Geschichte. Die FPÖ sei nicht gegen die Erweiterung, sie werde das Zusammenwachsen Europas natürlich nicht behindern oder verhindern. Als Regierungspartei mit Verantwortung werden die Freiheitlichen aber auch weiterhin eine konstruktive, aber nicht unkritische Haltung gegenüber der EU einnehmen, kündigte Gorbach an.

Der Vizekanzler sah die Erweiterung vor allem als große Herausforderung für Österreich, dies in wirtschaftlicher Hinsicht ebenso wie etwa in der Frage der Atompolitik. Österreich werde auch in Zukunft Überzeugungsarbeit leisten müssen, unterstrich er. Ein atomfreies Mitteleuropa und die Nullvariante für Temelin nannte Gorbach dabei als die Ziele. Auch die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs wertete der Vizekanzler als wesentliche Herausforderung. Die Reaktion Österreichs könne nur in einer Intensivierung der Schiene und in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der ÖBB bestehen.

Die Auseinandersetzung um die Benes-Dekrete wiederum will Gorbach, wie er sagte, auf nationaler und europäischer Ebene führen. Er erwarte sich von Tschechien eine klare Stellungnahme zu dem Unrecht, das damals geschehen ist, sagte er in diesem Zusammenhang.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) bezeichnete die Erweiterung als einen wesentlichen Meilenstein zu einem geeinten Europa. Ehemalige Diktaturen würden nun zurückkehren in das gemeinsame Haus Europa. Sie sei sich der Ängste vieler Menschen durchaus bewusst, sehe aber mit dem Beitritt der neuen Staaten auch viele Chancen für Österreich. Das Nützen dieser Chancen sei die einzig richtige Antwort auf die Bedenken der Bevölkerung. Baumgartner-Gabitzer zeigte sich zuversichtlich, dass die österreichische Politik diese Antworten finden werde.
   

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) sah die Erweiterung als historischen Fortschritt und meinte, erstmals werde Europa auf demokratischer Basis geeint. Eine Endgültigkeit der Geschichte sei damit aber nicht verbunden. Ziel müsse es sein, diesen wesentlichen Schritt zu Frieden und Sicherheit so zu festigen, dass es zu keinem Rückfall in die Vergangenheit kommen kann.

Auch Gusenbauer wies auf die Bedenken von Teilen der Bevölkerung hin und sah Handlungsbedarf bei der Bundesregierung. Wenn die Erweiterung zu einem Erfolg für alle Menschen werden soll, dann müssen die Hausaufgaben, die bis heute noch nicht gelöst sind, mit noch größerer Anstrengung angegangen werden, mahnte er.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) betonte, die Ratifizierung der EU-Erweiterung sei ein "Jahrhundertschritt" und ein Zeichen dafür, dass das Jahrhundert der Weltkriege beendet sei. Das sei auch der Grund dafür, warum die Freiheitlichen der EU-Erweiterung zustimmten, unterstrich er.

Bösch machte aber gleichzeitig geltend, dass die Grundlage des Friedens "Gerechtigkeit" sei. Diese Gerechtigkeit, "auch die historische", wertete er als unteilbar. Die Freiheitlichen erwarteten sich, erklärte Bösch in Anspielung auf die Benes-Dekrete, dass auch die neuen EU-Staaten mit der Vergangenheit "ehrlich umgehen" und menschenrechtskonforme Verfassungsregelungen schafften.

Die eigentliche Herausforderung der EU-Erweiterung beginnt nach Auffassung Böschs erst jetzt, wobei er die Politik in ihrer Gesamtheit gefordert sieht. Österreich sei es gelungen, in schwierigen Bereichen Übergangsregelungen durchzusetzen, skizzierte er und versicherte, die FPÖ werde auch in den nächsten Monaten die Interessen Österreichs konsequent weiter vertreten. Es gehe, meinte der Abgeordnete, nicht an, weiterhin durch "kleine Schwindeleien" über bestehende Mängel in den Beitrittsländern hinweg zu sehen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) sprach von einem historischen Tag für Europa und das österreichische Parlament. Sie freue sich über diesen Tag, sagte die Abgeordnete, doch diese Freude sei nicht ungetrübt. Die Hoffnung, dass "nationalistische Misstöne" gegenüber Tschechien endgültig der Vergangenheit angehörten, habe sich nicht erfüllt. Mit der Ablehnung der EU-Erweiterung durch zwei Abgeordnete bietet Österreich ihr zufolge ein "zerrissenes Bild".

Generell beklagte Lunacek, dass Österreich die Chance, Brücke zwischen Ost und West zu sein, verspielt habe. Sie stimmte mit einer Analyse des Journalisten Paul Lendvai überein, wonach Österreich in den vergangenen Jahren aus Euphorie über den eigenen EU-Beitritt, die Staaten Ost- und Südosteuropas vernachlässigt habe, anstatt die Kontakte zu intensivieren.

Zur Frage der Benes-Dekrete brachte Lunacek einen Entschließungsantrag der Grünen ein, in dem die Regierung aufgefordert wird, die bilateralen Beziehungen zu Tschechien zu verbessern und die Einrichtung eines österreichisch-tschechischen Zukunftsfonds zu vereinbaren. Auch für die Grünen seien die Benes-Dekrete Unrecht, erklärte die Abgeordnete, in Tschechien sei in den letzten Jahren aber viel getan worden, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Außenministerin Dr. FERRERO-WALDNER sprach im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung von einer "Geburtsstunde" eines neuen, erweiterten, demokratischen und solidarischen Europa und zeigte sich über diese Entwicklung glücklich. Es sei notwendig gewesen, in den Verhandlungen eine faire Balance zwischen den verschiedenen Interessen zu finden, konstatierte sie, dies sei gelungen.

Dass Österreich verstärkt auf die neuen EU-Mitglieder zugehen müsse, habe sie bereits vor drei Jahren erkannt, sagte die Außenministerin. Deshalb habe sie damals auch das Projekt der regionalen Partnerschaft "aus dem Boden gestampft". Dieses Projekt hat ihrer Ansicht nach bisher bereits sehr viel gebracht.

Verständnis äußerte Ferrero-Waldner für die Bedenken der österreichischen Arbeitnehmer gegenüber der EU-Erweiterung. Sie wies allerdings auf die erreichten Übergangsregelungen und auf die zusätzlichen Förderungen für die Grenzregionen hin. Zu Temelin merkte die Außenministerin an, es sei souveränes Recht eines jeden Staates, seine Energieformen selbst zu bestimmen.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) machte geltend, dass Österreich durch die EU-Erweiterung künftig endgültig einen Platz in der Mitte Europas einnehme. Für ihn ist die Erweiterung das größte und ambitionierteste Projekt seit Gründung der Europäischen Staatengemeinschaft. Grillitsch wertete es als Gebot der Stunde, das Gemeinsame vor das Trennende und vor Parteiinteressen zu stellen.

Für die Zukunft erachtet es der Abgeordnete unter anderem für notwendig, rasch zu menschenrechtskonformen Lösungen für die Volksgruppen in Tschechien zu kommen und einheitliche Umweltstandards zur Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen. Österreich sei Vorbildland beim Einsatz erneuerbarer Energieträger und sollte den Erweiterungsländer auf diesem Gebiet Unterstützung bieten, erklärte er.
   

Abgeordneter Dr. EINEM (S) hielt fest, der Nationalrat treffe heute eine der wesentlichsten und wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahrzehnte. Auf Grund der Bedeutung der EU-Erweiterung habe die Opposition der Regierung eine Zusammenarbeit angeboten, schilderte er, diese sei hinsichtlich der notwendigen Vorbereitung Österreichs auf die EU-Erweiterung trotz eines gemeinsamen Entschließungsantrages aber "in Wahrheit alles schuldig geblieben".

Einem hält auch jetzt noch Maßnahmen für notwendig und möglich, um in der österreichischen Bevölkerung eine breite Zustimmung zur EU-Erweiterung zu bekommen. Er brachte in diesem Sinn namens der SPÖ einen Entschließungsantrag ein, wonach die Regierung alle nationalen Spielräume ausnützen solle, um ein Wirtschaftswachstum zu erzielen. Weiters tritt die SPÖ im Entschließungsantrag für die Einrichtung von Arbeitsstiftungen und für den Start einer Qualifikationsoffensive für jene Arbeitnehmer ein, die durch die Erweiterung unter Druck kommen könnten.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) führte aus, sie werde stellvertretend für die freiheitlichen Abgeordneten der EU-Erweiterung ihre Zustimmung versagen. Begründet wurde dieser Schritt von ihr damit, dass die Benes-Dekrete in Tschechien immer noch nicht "totes Recht, sondern lebendiges Unrecht" seien. Die EU sei nach eigener Definition auch eine Rechts- und Wertegemeinschaft, skizzierte Rosenkranz, durch die Akzeptanz der Benes-Dekrete setze sie jedoch, wie auch in manchen anderen Bereichen, ihre eigenen Spielregeln außer Kraft. Rosenkranz hält dies für "verderblich" und betonte die Notwendigkeit, dass "gleiches Recht für alle" gelten müsse.

Zur Frage der Benes-Dekrete legte Rosenkranz auch einen gemeinsamen VP-FP-Entschließungsantrag vor, dem zufolge die Regierung ersucht wird, die Gespräche mit Tschechien über die Benes-Dekrete über das Beitrittsdatum hinaus fortzusetzen und zu einer menschenrechtskonformen Lösung zu gelangen.

Für Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) wird mit der EU-Erweiterung bestätigt, dass in Europa ein Friedensprojekt möglich ist. Die Einbindung jener Staaten in die EU, die früher auf der anderen Seite des "Eisernen Vorhangs" gelegen sind, erfolgt ihrer Darstellung nach nunmehr früher, als sie selbst sich das noch vor einigen Jahren vorstellen konnte.

Lichtenberger warnte allerdings vor einem neuen europäischen Militärbündnis. Die Militärpolitik müsse in der EU eindeutig der Außenpolitik nachgeordnet werden, bekräftigte sie: "Darauf lege ich Wert!" Außerdem übte die Abgeordnete Kritik an Warnungen vor einer "Arbeitskräfte-Lawine" aus Osteuropa, und meinte, damit würde das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber einer EU-Erweiterung nur verstärkt.

Abgeordneter DI REGLER (V) gab seiner Freude darüber Ausdruck, am "historischen Beschluss" der EU-Erweiterung im Nationalrat mitwirken zu können. Durch die EU-Erweiterung werde die Trennung Europas endgültig überwunden, unterstrich er und hieß "alle Staaten willkommen". Regler zufolge ist Österreich auch bemüht, im Hinblick auf die EU-Erweiterung die Verkehrsinfrastruktur "optimal und umweltgerecht" auszubauen.

Abgeordneter SCHIEDER (S) erachtet es, wie er sagte, für erforderlich, in historischen Momenten nicht nur zurückzuschauen, sondern auch auf die nächsten Schritte zu achten. Österreich müsse seine Chancen nützen und die bisher versäumten "Hausaufgaben" nachholen, mahnte er. Ein gewichtiger Punkt ist für ihn dabei eine Forcierung der österreichischen Minderheitensprachen. Um die Zusammenarbeit mit jenen europäischen Ländern zu stärken, die noch nicht Mitglied der EU sind, soll nach Auffassung Schieders auf den Europarat zurückgegriffen werden.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F ) stellte fest, er stehe "mit einem weinenden und einem lachenden Auge" am Rednerpult. Auf der einen Seite werde mit der EU-Erweiterung ein "einzigartiges und visionäres Projekt" umgesetzt, andererseits gebe es aber berechtigte Sorgen in der Bevölkerung, etwa in der Landwirtschaft, unter den Arbeitnehmern und in Bezug auf den Umweltbereich. Für wichtig hält es Scheuch, dass Europa "kein Einheitsbrei" wird, sondern ein Europa der Vielfalt und der Regionen bleibt. Als vorbildhaft wertete er die Zusammenarbeit Kärntens mit Italien und Slowenien.

Abgeordnete SBURNY (G) kritisierte die Haltung der F-Fraktion in dieser Debatte und meinte, es gehe hier um die Erweiterung der EU und nicht um die Politik der EU. Die FP solle daher überdenken, welches Signal sie mit einem "Nein" zum Erweiterungsvertrag aussende.

Abgeordneter DONABAUER (V) sprach ebenfalls von einem historischen Tag und verwies auf den österreichischen Beitrag, namentlich auf jenen der Außenministerin, zur Schaffung dieses größeren Europa. Zudem erinnerte der Redner daran, dass Österreich bei den diversen Krisen in Osteuropa zwischen 1956 und 1981 stets den Menschen hilfreich zur Seite gestanden sei. Schließlich würdigte er die Rolle seiner Partei als "der Europapartei schlechthin". Schließlich votierte er dafür, die Österreicher mögen unter Wahrung der eigenen Kultur auch andere Sprachen und Kulturen annehmen. Er brachte einen V-F-Entschließungsantrag betreffend grenzüberschreitende Sicherheitszusammenarbeit, Kultur- und Bildungszusammenarbeit ein.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) meinte, Österreich stünde vor einem wichtigen Schritt, dieser freiwillige und friedliche Zusammenschluss von 25 Ländern werde ein harmonisches Zusammenleben ermöglichen, die Erweiterung neue Chancen bringen. Einer der größten Binnenmärkte mit fast 500 Millionen Menschen werde entstehen, unterschiedlichste Sprach- und Kulturräume werden eng zusammenleben und -arbeiten, die damit verbundenen Chancen gelte es zu nutzen, und dazu brauche es die nötigen unterstützenden Maßnahmen. Als Beispiel nannte sie entsprechende Auslandskulturpolitik.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) vertrat die Auffassung, die Abstimmung sähe sicherlich anders aus, wenn man nicht im Paket, sondern einzeln abstimmen würde. Konkret erläuterte Bleckmann, dass für ihre Fraktion einzelne Fragen in Zusammenhang mit der Tschechischen Republik noch nicht geklärt seien. Für ihre Partei gebe es eine klare Linie. Man sehe in zwei Punkten - Temelin und Benes-Dekrete - Probleme, deswegen wolle man aber nicht die Erweiterung an sich in Frage stellen. Daher erfolge, betonte Bleckmann, das differenzierte Abstimmungsverhalten durch ihre Fraktion, die mit einer angemessen konstruktiv-kritischen Haltung in diese Erweiterung gehe.

Abgeordnete MACHNE (V) erinnerte an das Jahr 1995, das Tirol wieder zusammengeführt habe und zeigte sich gerührt von dem Umstand, dass sie bei dieser Erweiterung dabei sein und dieses Vertragswerk mitbeschließen dürfe. Gerade die Partnerschaften mit den neuen Mitgliedsländern werden für Österreich von großer Bedeutung sein. Konkret verwies Machne auf die Zusammenarbeit zwischen Osttirol und Slowenien. Sodann sprach die Rednerin zur Daseinsvorsorge.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) erklärte, mit dieser Erweiterung rücke Österreich vom Rand in die Mitte dieser europäischen Gemeinschaft. Dieser Prozess berge Chancen und Risken, sodass es angezeigt sei, entsprechende Vorbereitungen zu unternehmen, denn nur dann werde Österreich von dieser Erweiterung im vollen Umfang profitieren können. Auch Österreich müsse seine Hausaufgaben erledigen, wolle man nicht gegenüber den Beitrittsländern in Rückstand geraten.

Abgeordneter WITTAUER (F) betonte, es gebe gute Gründe, für diese Erweiterung zu stimmen, es gebe aber bessere Gründe, in manchen Punkten kritisch zu bleiben. Konkret nannte Wittauer drei Anliegen, welche die FP zu einer kritischen Stimme veranlassten: den Transit, das KKW Temelin und die Benes-Dekrete. So sei seine Gegenstimme ein scharfer Protest gegen die Kernkraftpolitik der Tschechischen Republik, unterstrich der Redner. Sie sei ein Signal nach Brüssel und nach Prag, es in Zukunft besser zu machen, so Wittauer, der einen Entschließungsantrag betreffend die Antiatompolitik Österreichs einbrachte.

Abgeordneter Mag. LANGREITER (V) wertete die EU-Erweiterung als eine Chance für den heimischen Tourismus, auf dessen Entwicklung er in der Folge näher einging. Die Beitrittsländer seien in dieser Hinsicht Hoffnungsmärkte, die man adäquat nutzen müsse. Zufrieden zeigte sich der Redner mit der Änderung der Europa-Wahlordnung, zu welcher er einen Vierparteien-Abänderungsantrag betreffend Wahlkarten einbrachte.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) unterstrich die historische Bedeutung der EU-Erweiterung, die einen mit großer Emotion erfülle. Man könne die Probleme eben im großen Rahmen besser als auf nationaler Ebene lösen. Europa habe eine Strahlkraft, es sollte aber nicht nur eine Wirtschafts- und Währungs-, sondern auch eine Sozialunion werden. In diesem Zusammenhang müsse aber auch Österreich seine Hausaufgaben machen, so Bauer, der einen S-Entschließungsantrag betreffend die Vertiefung der österreichisch-tschechischen Beziehungen einbrachte.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) erinnerte daran, dass in diesem Hause die nationalen Interessen zu wahren seien. Es gebe Ängste in der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Erweiterung, die von der Politik ernst genommen werden müssten. Konkret forderte der Redner die Grünen auf, gegen das KKW Temelin die Stimme zu erheben. Seine Fraktion trage diesem Problem durch ihr Stimmverhalten Rechnung, betonte der Abgeordnete. Auch die Transitregelung nannte Mainoni als Problemfeld und brachte in diesem Zusammenhang einen entsprechenden F-V-Entschließungsantrag ein.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) verwies auf die umfangreiche Zusammenarbeit zwischen Österreich und den Beitrittsländern, die sich auf eine entsprechende Vergangenheit stützen könne.
   

Abgeordneter DI HOFMANN (F) unterstrich die positive Haltung der Freiheitlichen zur EU-Erweiterung und hielt fest, dass es kein Zeichen von Zerissenheit der Freiheitlichen sei, wenn ihr Umweltsprecher Wittauer und ihre Vertriebenensprecherin Rosenkranz heute ein Signal geben, sich über bestimmte Probleme nicht hinwegzuschwindeln: Das AKW Temelin hat kürzlich seinen 56. Störfall verzeichnet - und trotzdem sollen zwei weitere Kraftwerksblöcke errichtet werden. "Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme von Seiten Tschechiens", sagte Hofmann. Kritik übte Hofmann auch an den menschenrechtswidrigen Benes-Dekreten. "Wir Österreicher sollen und wollen den Weg der EU-Erweiterung konstruktiv, aber nicht unkritisch begleiten", lautete Hofmanns Erklärung für das Abstimmungsverhalten der FPÖ.

Abgeordnete ROSSMANN (F) sprach von einem historischen Tag für die EU-Beitrittsländer, für die EU und insbesondere auch für Österreich, das von allen EU-Ländern die längste EU-Außengrenze mit den neuen Mitgliedern aufweist. Dass die EU-Begeisterung in der österreichischen Bevölkerung Skepsis und Frust gewichen sei, hat sich die EU laut Rossmann selbst zuzuschreiben, durch zusätzliche Bürokratie, die jüngste Transitentscheidung und die Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips. Die Abgeordnete will die Sorgen der Bevölkerung ernst genommen sehen und hielt fest, dass Nachbarschaftspolitik nicht Verdrängungswettbewerb bedeuten dürfe. Es könne auch nicht im Interesse Österreichs sein, dass Betriebe in die neuen Mitgliedsländer verlagert würden. Rossmann verlangte auch, dass die 7-jährige Übergangsfrist auf dem Arbeitsmarkt nicht aufgeweicht werde. Die Themen Atompolitik, Agrarpolitik und Förderungspolitik zeigten, wie wichtig es sein wird, dass Österreich in Brüssel mit Selbstbewusstsein auftritt und Verbündete unter den kleinen EU-Mitgliedsländern sucht, um gemeinsame Interessen gemeinsam zu vertreten.

Abgeordneter WALCH (F) definierte seine Fraktion als eine "EU-kritische Europapartei" und erklärte das Stimmverhalten der beiden FP-Bereichssprecher damit, dass Einzelabstimmungen über die Beitrittsländer nicht möglich seien. Angesichts der Atompolitik Tschechiens und der Benes-Unrechtsdekrete stimmen die beiden Abgeordneten gegen den Beitritt Tschechiens, "zugleich aber stimmen sie für die anderen Beitrittsländer, die ihre Hausaufgaben erledigt haben."

In seinen weiteren Ausführungen kritisierte Walch, dass der Melker Prozess noch nicht 100-prozentig umgesetzt sei, bereits über Zubauvarianten diskutiert werde und die Benes-Dekrete nicht abgeschafft wurden.

Die Aussage Walchs, dass SPÖ-Minister die Fertigstellung Temelins verschlafen hätten, wies Abgeordneter Dr. EINEM (S) in einer tatsächlichen Berichtigung zurück, in der er an die Initiative von Bundeskanzler Franz Vranitzky erinnerte, der sich für einen Umbau Temelins zu einem Gaskraftwerk eingesetzt hat.

Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) sprach von einem friedenspolitischen Meilenstein und machte zugleich auf die wirtschaftlichen Vorteile aufmerksam, die die EU-Ost-Erweiterung für Österreich schon jetzt bringe, weil die stark steigenden Exporte das österreichische Wirtschaftswachstum sichern.

Die Bundesregierung bleibe in ihren europapolitischen Ansagen weit hinter dem zurück, was zu erwarten wäre, konkret etwa in der Verkehrspolitik, wo Pirklhuber ein europaweites Umdenken forderte. In der Landwirtschaft gehe es um Produktionsalternativen, etwa gentechnikfreies Soja, da die Nutzfläche nach der Osterweiterung um 40 % zunehme. Auch hinsichtlich der Sicherung der Menschenrechte zeigte sich der Abgeordnete von dem Entschließungsantrag der Koalitionsparteien enttäuscht und warb um Zustimmung für den wesentlich konkreteren Antrag der Grünen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) begründete die Ablehnung der V-F-Entschließungsanträge durch seine Fraktion mit folgenden Feststellungen: Der Entschließungsantrag betreffend Wegekostenrichtlinie sei viel zu schwammig formuliert. Es fehlten nationale Regelungen, Nachtfahrverbote und die Forderung nach einem gemeinsamen österreichischen Standpunkt in der europäischen Verkehrspolitik.

Cap vermisste auch Maßnahmen gegen die wachsende Arbeitslosigkeit auf europäischer Ebene und kritisierte, dass die Bundesregierung in der Außenpolitik nach wie vor auf das längst gescheiterte Konzept der regionalen Partnerschaft setze. In der Anti-AKW-Politik sah der SP-Klubobmann den Melker Prozess als gescheitert an und warf der Bundesregierung vor, sich von der Nullvariante verabschiedet zu haben. Der diesbezügliche Entschließungsantrag sei nicht mehr als "Valium" für die Freiheitlichen, damit diese der EU-Erweiterung zustimmten. Nichts Konkretes enthalte auch der Entschließungsantrag betreffend Menschenrechte in Tschechien - diese Entschließungsanträge stellten insgesamt ein Eingeständnis der Bundesregierung dar, dass ihre Außenpolitik gescheitert sei - die SPÖ könne nicht zustimmen.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) ging ebenfalls kritisch auf die Entschließungsanträge der Regierungsfraktionen ein, die ihrer Meinung nach jene Forderungen enthielten, die in den letzten 15 Jahren hätten umgesetzt werden müssen. Obwohl auch der Entschließungsantrag zur Wegekostenrichtlinie unkonkret bleibe, werden die Grünen zustimmen, womit sie die Hoffnung verbinden, dass dieser Entschließungsantrag umgesetzt und nicht "schubladisiert" werde.

Mit Bedauern stellte die Umweltsprecherin der Grünen fest, dass man sich auf die Umweltsprecher der Regierungsfraktionen, die Abgeordneten Kopf (V) und Wittauer (F), nicht verlassen könne. Es gebe keinen gemeinsamen Entschließungsantrag zur Anti-Atompolitik, da die vorgelegten Formulierungen hinter dem zurückblieben, was die vier Fraktionen des Hauses im Juli des Vorjahres gemeinsam verabschiedet haben.

Der Nationalrat stimmte den Beitrittsverträgen der zehn neuen EU-Mitgliedsländer mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit zu. Die Gegenstimmen stammten von den beiden FP-Abgeordneten Barbara Rosenkranz und Klaus Wittauer.

Die Entschließungsanträge der Regierungsfraktionen wurden mit der Mehrheit der Koalitionsparteien angenommen. Dem Entschließungsantrag betreffend Wegekostenrichtlinie und Transitpolitik stimmten auch die Grünen zu, während die Entschließungsanträge der Opposition durchwegs in der Minderheit der Antragsteller blieben und abgelehnt wurden.

Einstimmige Voten erhielten die Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner, unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments und der VP-FP-Antrag zur Änderung der Europawahlordnung und für ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004.
 
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