Wien (bpd) - Über den Stand der Beratungen bei der EU-Regierungskonferenz berichtete
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel am Mittwoch (03. 12.) in der Aktuellen
Stunde im Plenum des Nationalrats. Mittlerweile habe sich die breite Erkenntnis durchgesetzt, dass es notwendig
sei, den Konventsentwurf zu verbessern. Etwa in einer Woche werde der EU-Rat zu dem politischen Gesamtpaket die
Schlussverhandlungen führen. "Wenn alle Politiker den Willen haben, zu einem Abschluss zu kommen, ist
es auch möglich, in diesen Tagen in Brüssel eine gemeinsame Linie zu finden, die unter irischer Präsidentschaft
in Gesetzestext umgesetzt werden kann", so Schüssel.
Heute gebe es - auch dank der Anstrengungen der Außenministerin - eine überwältigende Mehrheit
für das Prinzip eines stimmberechtigten Kommissars pro Mitgliedsland, zwar mit begrenzter Ressortzuständigkeit,
aber mit festen Aufgaben. Es sei wichtig, auch den Bürgern gegenüber vertreten zu können, dass man
nicht ein A- und ein B-Team an Kommissaren habe, so Schüssel.
Als zweiten wichtigen Bereich führte der Kanzler die rechtliche Kontrolle der Beschlüsse des EU-Rats
durch den Europäischen Gerichtshof an. Diese Rechtskontrolle und Transparenz sei "absolut sinnvoll".
Dieser Punkt sei bereits akzeptiert.
BRAUCHEN STABILITÄTS- UND WACHSTUMSPAKT MIT BISS
Es gehe nicht darum, den Stabilitätspakt in der Substanz in Frage zu stellen, aber in der Flexibilität
der Anwendung müsse er verbessert werden. "Denn wir brauchen einen Stabilitäts- und Wachstumspakt
mit Biss", so Schüssel.
Zur Frage der Daseinsvorsorge, die kommunale Dienstleistungen betrifft, habe Österreich einen Text vorgeschlagen.
Sollte dieser akzeptiert werden, wäre dies gegenüber dem heutigen Status quo eine "gewaltige Verbesserung"
für die Gemeinden. Völlig offen sei hingegen noch die Revision des Euratom-Vertrages. Hier habe Österreich
bisher noch wenig Unterstützung gefunden.
SCHULDEN IN EUROPA EINANDER SOLIDARITÄT
In der Frage der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist die Diskussion noch offen. Was derzeit auf dem Tisch
liege, sei noch nicht klar genug. "Wir wollen, dass im Rat mit allen 25 Ländern die Prinzipien diskutiert
werden und dann die Spielregeln klar erkennbar sind, wohin die Reise in dieser militärischer Zusammenarbeit
gehen soll", so Schüssel weiter.
Zur Beistandsverpflichtung erklärte Schüssel, dass es in einem gemeinsamen Europa selbstverständlich
sei, "dass wir einander Solidarität schulden". Das erwarte er innerhalb einer europäischen
Familie wie der Union. Wichtig sei zudem, dass erstmals der Artikel 51 der UNO-Charta erwähnt werde. Darin
werde die politische Zusage gegeben, den Partnern im Falle einer Aggression auf dessen eigenem Territorium zu Hilfe
zu kommen und politische Assistenz zu leisten. Es sei dabei selber zu entscheiden, wie das konkret umzusetzen sei.
KEINE ENTSORGUNG DER NEUTRALITÄT
Der Vorschlag zeige durchaus in die richtige Richtung. Nach Meinung des Kanzlers stelle er "keine Entsorgung
der Neutralität dar". Es sei wesentlich, nicht den Eindruck zu erwecken, hier werde das Neutralitätsgesetz
in seiner Gesamtheit in Frage gestellt. "Das ist nicht der Fall." Der Kanzler appellierte an die Abgeordneten,
gemeinsam im EU-Hauptausschuss und in informellen Kontakten während der Schlussverhandlungen im Dialog zu
bleiben, um eine "gemeinsame österreichische Position einnehmen zu können, die auch Europa in dieser
Frage weiter bringt". "Wir stehen in einer interessanten Diskussionsphase und ich lade alle ein, alle
Punkte offen zu diskutieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir in wenigen Tagen eine neue europäische Verfassung
aus der Taufe heben. Das wäre ein wahrhaft historischer Schritt nach vorne." |