Außenpolitik – EU-Verfassung / EU-Erweiterung  

erstellt am
15. 12. 03

 EU-Gipfel war der historischen Verantwortung nicht gewachsen
Stenzel: Scheitern des EU-Gipfels ist ein Rückschlag, aber kein Ende der europäischen Integration
Brüssel (evp-ed) - "Das Scheitern des EU-Gipfels ist ein Rückschlag, aber nicht das Ende der europäischen Integration. Die Gipfelteilnehmer haben sich der historischen Chance und Verantwortung, zu einer Einigung auf Basis des Konventsergebnisses zu kommen, nicht gewachsen gezeigt", sagte die ÖVP- Delegationsleiterin MEP Ursula Stenzel am Samstag (13. 12.) in einer ersten Reaktion. "Der Abbruch der Verhandlungen ist ein ganz schlechtes Vorzeichen für die bevorstehende Erweiterung und die Europawahlen. Es ist auch eine Missachtung des Europäischen Konvents", betonte Stenzel. "Damit steht die Erweiterung unter dem schlechten Stern eines verstärkten Nationalismus und verstärkter Eigeninteressen. Statt die Chance zu nutzen ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen, hat man das erweiterte Europa unter die Devise eines verstärkten Nationalinteresses gestellt", kritisierte Stenzel.

Der gescheiterte Gipfel bedeute für Stenzel eine Schwächung der Gemeinschaftspolitik zugunsten einer Dominanz der Regierungszusammenarbeit. "Das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist endgültig geboren. Die Reaktion darauf wird ein Kerneuropa sein", so Stenzel. Sie wehre sich jedoch auch gegen allzu einseitige Schuldzuweisungen, auch wenn die Inflexibilität der polnischen Regierung der Anlass für das Scheitern des Gipfels sei. "Dieser Gipfel hätte die historische Chance gehabt, die aus den Anfängen der EU stammende Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs durch eine Aussöhnung Deutschlands mit Polen zu ergänzen. Offenbar haben sich dafür aber weder die polnische sozialistisch- postkommunistische Regierung Miller noch die deutsche rot-grüne Bundesregierung Schröder genügend bewegt. Das wirft auch einen Schatten auf das deutsch-polnische Verhältnis", sagte Stenzel.

Sie bedauere insbesondere den Rückschlag, den der europäische Parlamentarismus erlitten habe. "Der Konvent war eine Idee der Europaparlamentarier und vor allem der Europäischen Volkspartei. Die Missachtung der Konventsarbeit stellt denjenigen Staats- und Regierungschefs, die zurück zur reinen Ratsentscheidung wollen, kein gutes europäisches Zeugnis aus", betonte Stenzel. "Eine Vertagung des Problems ist keine Lösung des Problems. Man muss ja die Frage stellen, was sich in einigen Monaten an den grundsätzlichen Meinungsunterschieden ändern soll", sagte die ÖVP- Delegationsleiterin. "Die nächste Kraftprobe steht ja auch schon vor der Tür: Das vorläufige Scheitern der Verfassungsdebatte ist auch ein schlechtes Vorzeichen für die wichtigen Verhandlungen über den neuen EU-Finanzrahmen. Wenn sich in Verfahrensfragen Partikularinteressen schon so deutlich zeigen, wie verhärtet sind dann erst die Fronten, wenn es um die Verteilung der Mittel geht", so Stenzel abschließend.

 

Fischer sieht noch »Restchance« für EU-Verfassung
Wien (sk) - Enttäuscht äußerte sich am Sonntag der zweite Präsident des Nationalrates Heinz Fischer über das Scheitern der Verhandlungen über eine Verfassung der EU beim Gipfel in Brüssel. "Es ist bemerkenswert, dass der EU-Konvent mit seinen hochrangigen Regierungsvertretern und Parlamentariern aller 25 EU-Staaten einen vernünftigen Konsens erzielen konnte, während dieser Konsens in den Beratungen der Regierungschefs in Folge zahlreicher Sonderwünsche und nationaler Sonderinteressen nicht aufrecht erhalten werden konnte", so Fischer am Sonntag (14. 12.) gegenüber dem Pressedienst der SPÖ. Für Fischer bestehe aber noch eine "Restchance" in den ersten Monaten des irischen EU-Vorsitzes doch noch eine gemeinsame und alle 25 EU-Staaten umfassende Lösung zu erreichen.

"Besonders Polen und Spanien sollten dabei sehr sorgfältig darüber nachdenken, was auf dem Spiel steht und wie weit man bei der Verfolgung nationaler Interessen gehen kann", sagte Fischer.

Auch in Österreich wäre es zweckmäßig zu den in früheren Jahren sehr bewerten Prinzipen einer gemeinsamen Außenpolitik auf möglichst breiter Basis zurückzukehren und auf eine Politik des "Drüberfahrens" zu verzichten, wobei auch mit unseren verfassungsrechtlichen Gegebenheiten verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. "Die Entscheidungen, die in den nächsten Wochen und Monaten zu treffen sind, werden voraussichtlich von grundsätzlicher Bedeutung sein und sollten unabhängig von tagespolitischen Überlegungen getroffen werden", so Fischer abschließend.

 

Gorbach: Gemeinsames muss über Einzelinteressen stehen
Abspaltung der Gründerstaaten wäre Rückschritt des europäischen Gedankens
Wien (bmvit) - "Es ist bedauerlich, dass am Vorabend der Erweiterung die Machtinteressen Einzelner die EU auseinanderdividieren. Es kann in einer Gemeinschaft nicht sein, dass solche Machtspiele wichtiger sind als das Gemeinsame", kommentierte VK Infrastruktur Hubert Gorbach am Sonntag (14. 12.) den Ausgang des EU-Gipfels.

"Die Abspaltung der Gründungsstaaten wäre ein klarer Rückschritt des europäischen Gedankens", warnte Gorbach. Es wäre nun eine besondere Herausforderung für die künftige Präsidentschaft Irland, die Verhandlungen zur EU-Verfassung so schnell wie möglich wieder aufzunehmen. "Die EU muss nun beweisen, dass sie eine gemeinsame Währungs-, Sicherheits- und Außenpolitik unter Wahrung der Interessen der jeweiligen Regionen zustandebringt. Man muss aufpassen, dass die Rechte und Möglichkeiten der kleinen Mitgliedsstaaten, die ein Europa der Regionen letztlich ausmachen, nicht unter die Räder kommen", so der Vizekanzler.

Österreich werde diese Entwicklungen aufmerksam und kritisch verfolgen. "Gerade die FPÖ war immer eine konstruktive aber kritische Beobachterin der Völkerentwicklungen. Die Machtspiele der Großen dürfen nicht auf dem Rücken der Kleinen ausgetragen werden", schloss Gorbach.

 

 Nach Scheitern des EU-Gipfels verfassungsgebende Versammlung bei EU-Wahlen einsetzen
Voggenhuber: Konsens zu EU-Verfassung droht sonst weiter zu zerfallen
Wien (brüssel) - Europaabgeordneter Johannes Voggenhuber spricht sich für die Einsetzung einer "direkt gewählten Verfassungsgebenden Versammlung" im Zuge der Europawahlen aus, um die EU-Verfassung nach dem Scheitern des Brüsseler Gipfels noch zu retten. Die Mitglieder des Gremiums sollten bei den Europawahlen Mitte Juni 2004 von der Bevölkerung der EU-Länder gewählt werden, schlug Voggenhuber heute nach Bekanntwerden des Scheiterns vor. "Solange die Regierungen das letzte Wort haben, wird es nicht gehen. Der Verfassungsprozess gehört in die Hände der Parlamente."

Ansonsten drohe ein weiterer "Erosionsprozess", der Konsens der EU-Staaten, dass Europa eine Verfassung haben solle, werde weiter zerfallen, warnte Voggenhuber . Er habe Informationen darüber, dass die Staats- und Regierungschefs planten, nach den Europawahlen wieder zu Verhandlungen über die EU-Verfassung zusammenzukommen. Dies wäre aber ein "worst-case-Szenario", da im Frühjahr die Debatten um die langfristige EU-Finanzplanung beginnen. "Dann kommt zum Streit um die Macht noch der Streit ums Geld."

Von einer Neueinsetzung des Konvents hält Voggenhuber nichts. Stattdessen sollte eine Verfassungsgebende Versammlung ein durch Wahlen legitimiertes Mandat haben.

Die von den EU-Gründerstaaten ins Spiel gebrachte Idee eines "Kerneuropa muss verhindert werden", sagte Voggenhuber . Derzeit herrsche in Europa eine allgemeine Stimmung der Renationalisierung und Orientierungslosigkeit. Die BürgerInnen würden weiter Vertrauen in die EU verlieren und "sich von der EU abwenden". Sollte die EU die Verfassungskrise nicht bewältigen, drohe am Ende "eine Krise, die nicht nur den Fortschritt behindert, sondern das Erreichte bedroht."
     

 Wir versuchen prinzipiell, an dieser Stelle Aussendungen
aller der vier im Parlament vertretenen Parteien aufzunehmen

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