Als die Bomben auf Innsbruck fielen  

erstellt am
15. 12. 03

Zum Gedenken an den 15. Dezember 1943
Innsbruck (rms) - Zum 60. Mal jährt sich am 15. Dezember des heurigen Jahres der Tag, an dem Innsbruck den ersten verheerenden Bombenangriff des Zweiten Weltkrieges erleben musste, der sehr vielen Menschen unserer Stadt das Leben kostete.

Sehr viele Besucher und Besucherinnen, die ins Stadtarchiv kommen, interessieren sich für dieses Ereignis oder, erzählen davon, da sie sich, damals als Kind oder Jugendliche/r meist noch sehr intensiv daran erinnern können.



Das am 15.12.1943 zerstörte Winklerhaus (Herzog-Friedrich-Straße 25) 1943. Im Hintergrund das noch freistehende Goldene Dachl. Der Erker wurde erst nach dem ersten Luftangriff ummauert! Original in Privatbesitz,

Kopie im Stadtarchiv/Stadtmuseum, Ph-27408
Innsbruck war bis zu diesem 15. Dezember 1943 von Luftangriffen verschont geblieben. Luftschutzübungen für die Bevölkerung gab es allerdings schon beginnend mit dem Jahr 1938, die aber in zunehmendem Maße von den Leuten nicht mehr so ernst genommen wurden, wie es hätte sein sollen. Die daraus resultierende Tragik im Zusammenhang mit jenem verhängnisvollen 15. Dezember 1943 schildert der Innsbrucker Bürgermeister Dr. Anton Melzer in seiner Ansprache aus Anlass der Trauersitzung des Gemeinderates am 15. Dezember 1948: "Der 15. Dezember 1943 war ein herrlicher Tag, die Nordkette blendend weiß im Hermelin des Winters. Ganz Innsbruck trotz des Krieges wie in tiefstem Frieden. Nur gegen Mittag plötzlich Fliegeralarm. Doch wer kümmerte sich darum. Die meisten saßen sorglos daheim beim Mittagstisch. Viele waren damals unter uns, für die ein Fliegeralarm eine willkommene Unterbrechung in der Tretmühle der pausenlosen Arbeit bedeutete. Knapp vor 1 Uhr mittags lautet die Luftlagemeldung: Feindlicher Bomberverband über den Zillertaler Alpen. Niemand sorgte sich deshalb. Die Meldungen waren damals noch geheim vor der Bevölkerung, nur den Ämtern und Dienststellen bekannt. Als man die glänzenden Silbervögel wie einen tiefen Orgelton zu hören begann, sah man dem geschlossenen Verband mit Interesse, aber ohne Furcht entgegen und verfolgte ihn mit den Augen auf seinem Weg durch das Blau des Äthers. Plötzlich krachen die ersten Bomben. Die Abwehrgeschütze dröhnen, die Fenster klirren, sogar die Wände beben. An Rettung war nicht mehr zu denken. Mitten in der Stadt springen die Feuergarben der Einschläge hoch, wie ungeheure Pilze wachsen die Sprengwolken empor, um sich schließlich über Wilten und über die Stadtmitte auszubreiten. Die letzten Bomben fielen in der Nähe der Allerheiligenhöfe. .... es waren Minuten des Schreckens, der(sic!) über unsere Stadt zum erstenmale hereingebrochen war. Nie zuvor und auch nicht mehr nachher haben der Tod und das Grauen solchen Triumph gefeiert.... ."

In seiner chronologischen Erfassung der Luftangriffe auf Nordtirol von 1939-1945 schreibt Leo Unterrichter, dass dieser Angriff 6 Minuten gedauert hat und in dieser Zeit ca. 300 Sprengbomben und 24 Blindgänger abgeworfen wurden. 258 Menschen verloren bei diesem Angriff ihr Leben. Zum Vergleich sei angeführt, dass in Innsbruck bis 1945 insgesamt 462 Bombentote zu beklagen waren.

Ergänzend muss noch angefügt werden, dass in Innsbruck bis zu diesem Zeitpunkt als Schutzräume für die Bevölkerung lediglich die hauseigenen Luftschutzkeller zur Verfügung standen. Die NS-Führung hatte es bis dahin verabsäumt, den Bau von Luftschutzstollen und dgl. zu forcieren. Mit dem Bau und Ausbau derselben wurde erst nach diesem 15. Dezember 1943 begonnen.

Für die vielen Toten gab es auf Innsbrucks Friedhöfen nicht ausreichend Platz. Diejenigen, die in keinem Familiengrab bestattet werden konnten, wurden nach Amras überführt und am so genannten Osterfeld begraben, einem Bestattungsort, der nach 1945 wieder aufgelassen wurde.

Am 15. Dezember 1945, sieben Monate nach Kriegsende, gedachte das "offizielle" Innsbruck der Bombenopfer, in dem Bürgermeister Dr. Melzer an ihren Gräbern Kränze niederlegte.

In der Stadtsenatssitzung am 28. November 1946 gab Stadtrat Dr. Franz Greiter seinen Vorschlag bekannt, den 15. Dezember jeden Jahres zu "eine(m) Art Trauertag für die Opfer des Krieges, vor allem für die Opfer der Luftangriffe" zu erklären. Diesem Antrag stimmte der Gemeinderat am 8. April 1948 einhellig zu. An jedem 15. Dezember sollte auf Kosten der Stadt ein Requiem abgehalten, auf dem Osterfelde durch den Bürgermeister ein Kranz niedergelegt und im Theater ein passendes Stück aufgeführt werden. Überdies fanden in den Jahren 1948-1955 aus diesem Anlass Trauersitzungen des Gemeinderates statt.

Von 1948 bis 1993 lud die Stadtgemeinde die Innsbrucker Bevölkerung am 15. Dezember jeden Jahres zu einem feierlichen Requiem ein. Nach einer Unterbrechung von 1994 bis 1998 fanden die letzten Gedenkgottesdienste an die Bombenopfer des 15. Dezember 1943 in den Jahren 1999 und 2000 statt.

Aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum von Josefine Justic
 
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