Leben in zwei Welten - Ausländerkinder der zweiten Generation
Wien (pr&d) - Die Integration von Jugendlichen ausländischer Herkunft, die in Österreich aufwachsen,
ist Thema einer aktuellen Studie des Instituts für Soziologie an der Universität Wien. Ein wichtiger
Aspekt ist das Spannungsfeld zwischen den Kulturen des Elternhauses und Österreichs. Mit der Förderung
dieser Studie belegt der Wissenschaftsfonds FWF einmal mehr sein Engagement für die Sozialwissenschaften.
Ausländische Jugendliche der zweiten Generation sind in Österreich geboren oder aufgewachsen. Obwohl
sie einen signifikanten Teil der Bevölkerung darstellen, weiß man noch wenig über ihre Lebensumstände
und Gefühle. Diese sind aber schon allein aus sozialpolitischen Überlegungen heraus wichtig. Denn bei
Minuswachstum und Überalterung der einheimischen Bevölkerung kann die erfolgreiche Integration ausländischer
MitbürgerInnen einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Bedarfs an Arbeitskräften und Sozialbeiträgen
darstellen. Nun füllt Prof. Hilde Weiss, Soziologin der Universität Wien, diese Wissenslücke.
"Immigration und Xenophobia sind in Österreich gut untersucht. Da erscheint es paradox, dass es kaum
gesicherte Erkenntnisse über die Lebensumstände jener AusländerInnen gibt, die in Österreich
aufwachsen", erläutert Prof. Hilde Weiss den Ausgangspunkt der Studie. Ausbildung, Beruf und Freundschaften
spielen eine ebenso wichtige Rolle im Leben dieser Personen wie der objektive und subjektiv empfundene soziale
und wirtschaftliche Status.
Wandern zwischen den Welten
Besonders stark wird die Entwicklung der Jugendlichen durch das Aufwachsen im Spannungsfeld zweier Welten
beeinflusst. Dabei prägt die kulturelle Bindung der Eltern an das Herkunftsland ihre private Welt. Außerhalb
der Familie, in der Schule, während der Berufsausbildung und bei der Freizeitgestaltung müssen sie sich
aber mit einer Welt arrangieren, in der die Kultur Österreichs im Vordergrund steht. Dazu Prof. Hilde Weiss:
"Beide Wertesysteme üben einen Druck aus, sich anzupassen. Anpassung an die eine Seite führt aber
unweigerlich zu mehr Entfremdung auf der anderen Seite. Mehr Integration in Österreich bedeutet also mehr
Diskrepanz zu den Eltern. Diese Lose-Lose-Situation führt bei den Jugendlichen zu einem inneren Konflikt."
Die laufende Studie wird nun Informationen liefern, wie damit umgegangen wird.
Prof. Hilde Weiss führt aber auch einen potenziellen Vorteil dieses Lebens in zwei Welten an. Der Umgang mit
zwei unterschiedlichen kulturellen Umgebungen führt zur Auswahl von Wertvorstellungen aus beiden Systemen
je nach emotionalem Bedarf. Dabei unterwerfen sich die jungen Menschen keinem Wertesystem vollständig.
"Diese Jugendlichen haben vielleicht keine festen Wurzeln in einem der beiden für sie relevanten Gesellschaftsgefüge,
doch damit geht auch eine gewisse Flexibilität einher, die moderne KosmopolitInnen auszeichnet", erläutert
sie.
Intelligentes Studiendesign
Die aufwändige Studie ist in drei Phasen gegliedert. Zunächst werden Strukturen ähnlicher Studien
anderer EU-Länder analysiert. So wird internationale Vergleichbarkeit gewährleistet. Zusätzlich
werden in einer Pilotstudie 30 Interviews mit ausländischen Jugendlichen in Österreich geführt.
Diese sind in Ihrer Struktur offen und dienen allein dem Herausfiltern relevanter Themen. Auf der Grundlage dieser
Vorarbeiten wird ein einheitlicher Fragenkomplex erarbeitet - der Kern der Studie. In der zweiten Phase werden
1.000 ausländische Jugendliche in der Altersgruppe 16-26 Jahre befragt. Parallel werden über 400 jugendliche
ÖsterreicherInnen aus vergleichbarem Milieu interviewt. Diese Gruppe dient als Kontrolle, um jene Einflüsse
zu identifizieren, die ihren Ursprung in allgemeinen Lebensumständen haben. Die letzte Phase dient dazu, die
vorläufigen Interpretationen der Daten zu untermauern. Dazu werden weitere 40 Jugendliche in offenen Interviews
befragt.
Mit Unterstützung dieser zweijährigen, intelligent angelegten Studie schafft der FWF eine solide Erkenntnisbasis
für zukünftige sozialpolitische Entscheidungen zur Integration ausländischer MitbürgerInnen.
Eine wichtige Voraussetzung für deren Identifikation mit einer anderen Kultur. |