Konjunktur in Mittelosteuropa nimmt Fahrt auf – Hoffnungsträger Investitionen – Budgetkonsolidierung
als mittelfristiges Wachstumshemmnis
Wien (ba-ca) - Gegen Ende 2003 konnte der Konjunkturmotor in Mittel- und Osteuropa dank internationalem
Rückenwind die Drehzahl wieder erhöhen. In den meisten Ländern ist das Wachstum der Einzelhandelsumsätze
anhaltend robust, die Industrie expandiert kräftig.
"Nach 3,4 Prozent im auslaufenden Jahr 2003 rechnen wir für die osteuropäischen EU-Beitrittsländer
im kommenden Jahr mit einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
auf durchschnittlich 4 Prozent", so Marianne Kager, Chefökonomin der Bank Austria Creditanstalt. Die
baltischen Staaten werden weiterhin deutlich stärker wachsen als die übrigen Länder. Während
in Ungarn, Tschechien und Slowenien das Wachstum mit 3 bis 3,5 Prozent eher etwas verhalten ausfallen wird, dürfte
sich Polen nach drei schwachen Perioden im Jahr 2004 als Wachstumsspitzenreiter etablieren.
Ob sich diese vorsichtig optimistische Einschätzung halten lässt, hängt davon ab,
ob der private Konsum als Wachstumstreiber seine bisherige Dynamik beibehalten kann und wie stark der erwartete
Aufwind bei den Investitionen ausfallen wird. Bedingt durch die Konsolidierungsbestrebungen der öffentlichen
Hand in der CEE-Region ergibt sich nach Ansicht der Ökonomen der BA-CA jedenfalls mittelfristig eine Wachstumsbeschränkung.
Internationaler Rückenwind
Seit Beginn des dritten Quartals 2003 kommt der Wirtschaft in Mittelosteuropa das international verbesserte
Konjunkturklima zugute. So ist für den Aufwärtstrend in der Industrie (plus 6,4 Prozent in den ersten
neun Monaten 2003 gegenüber plus 3 Prozent
im Gesamtjahr 2002) eine spürbare Verstärkung der Nachfrage aus dem Ausland mitverantwortlich. Die Entwicklung
der gesamten Güterausfuhren bestätigt diesen Trend. Im dritten Quartal 2003 hat sich das saisonbereinigte
Exportwachstum in der Region gegenüber der Vorperiode kräftig erhöht, wobei vor allem eine starke
Zunahme in Polen zu verzeichnen war.
Im Bereich Investitionen gehen die Volkswirte davon aus, dass die bisher eher zurückhaltende Entwicklung in
den kommenden Monaten an Schwung gewinnen wird. "Insbesondere in Polen, wo im zweiten Quartal 2003 die Investitionen
sogar um 1,7 Prozent im Jahresabstand zurückgegangen sind, sollten verbesserte Unternehmensfinanzen mittlerweile
für eine Trendumkehr gesorgt haben und dem Wirtschaftswachstum neue Impulse verleihen können", ist
Kager überzeugt.
Haushaltspolitik belastet Wachstumschancen
Mittelfristig ergibt sich aus der notwendigen Verringerung der hohen Budgetdefizite in den CEE-Ländern
ein Haupthemmnis für eine weitere Beschleunigung des Wirtschaftswachstums. Nur in den baltischen Staaten und
Slowenien bewegen sich die Haushaltsdefizite in einem mittelfristig vertretbaren Rahmen, während in den Hauptmärkten
der Region zum Teil besorgniserregende Fehlbeträge bestehen. "Im Hinblick auf die Erfüllung der
Maastricht-Kriterien besteht deutlicher Konsolidierungsbedarf", meint der Osteuropaexperte der BA-CA, Walter
Pudschedl. Für die einzelnen Länder bedeutet dies eine beträchtliche Reduktion der Budgetdefizite,
was die heimische Nachfrage unweigerlich negativ beeinträchtigen wird. "Nach unseren Berechnungen wird
die Sanierung der Haushalte die CEE-Länder mittelfristig 1,5 bis 2,5 Prozentpunkte ihres möglichen Wirtschaftswachstums
kosten", schätzt Pudschedl. Da ihr Potenzialwachstum jedoch höher ist als jenes der "alten"
EU-Mitgliedsländer, werden die acht mittel- und osteuropäischen Länder, die am 1. Mai 2004 der EU
beitreten, weiterhin einen Wachstumsvorsprung gegenüber den EU-15 halten können.
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