Sieht wenig Harmonie, Spielregeln wurden aber eingehalten
Wien (pk) - Man könne das zu Ende gehende Parlamentsjahr im Großen und Ganzen als unspektakulär
bezeichnen. Diese Bilanz zog der Zweite Präsident des Nationalrates Heinz Fischer bei einem Pressegespräch
am Mittwoch (17. 12.). Er würde nicht sagen, dass es harmonisch zugegangen sei,
sagte Fischer mit Hinweis auf die zahlreichen inhaltlichen Differenzen zwischen Regierung und Opposition, im Großen
und Ganzen haben sich aber alle Beteiligten seiner Meinung nach an die Spielregeln gehalten. Es habe zwar eine
Reihe "schwerer Auseinandersetzungen" gegeben, etwa in der Frage des Abfangjägerkaufs, der Pensionsreform
oder beim Voest-Verkauf, aber das Parlament sei schließlich der Ort, wo politische Konflikte ausgetragen
würden, betonte Fischer.
Viele Werte, die statistisch erfassbar sind, haben sich laut Fischer im Durchschnittsbereich bewegt, etwa die Zahl
der Gesetzesbeschlüsse. Dass 60 % dieser Beschlüsse einstimmig waren, hat für ihn wenig Aussagekraft.
Die Statistik werde "verbogen und geschönt", meinte er, da das - mehrheitlich beschlossene - Budgetbegleitgesetz
rund 70 Einzelgesetze umfasst habe, darunter zahlreiche strittige Materien wie die Abfangjäger. Unbestreitbar
ist für ihn überdies, dass die meisten wichtigen Gesetze keine Einstimmigkeit erzielten, von zehn wichtigen
Gesetzen seien, so Fischer, wahrscheinlich acht mehrheitlich verabschiedet worden.
Bedauern äußerte Fischer darüber, dass die Mehrheit im Nationalrat kaum die verfassungsrechtlich
vorgesehene Möglichkeit nutze, die Verhandlungspositionen Österreichs auf EU-Ebene mitzuformulieren.
Man habe mit den entsprechenden Verfassungsbestimmungen zwar ein starkes Instrument geschaffen, skizzierte er,
die Abgeordneten würden dieses im Rahmen der Beratungen des Hauptausschusses aber selten anwenden. Fischer
zufolge ist heuer ein einziges Mal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, Regierungsmitgliedern "Guidelines"
für ihre Verhandlungen auf EU-Ebene mitzugeben. Alle Anträge der SPÖ und der Grünen auf Fassung
einer Stellungnahme seien abgelehnt worden.
Das Scheitern des EU-Gipfels in Brüssel führte der Zweite Nationalratspräsident nicht zuletzt darauf
zurück, dass der vom europäischen Verfassungskonvent ausgearbeitete Entwurf - für Fischer ein "kluger
und brauchbarer Vorschlag" - von vielen EU-Ländern "ziemlich forsch aufgeschnürt" worden
sei. Natürlich seien in manchen Punkten Nachbesserungen erforderlich gewesen, meinte er, ein gewisses Maß
an Zurückhaltung beim Aufschnüren des Pakets wäre aber abgebracht gewesen. Fischer sieht aber noch
eine "Restchance" dafür, dass "das europäische Verfassungsschiff im kommenden Jahr doch
noch flott gemacht wird". Die Idee eines Europas der zwei Geschwindigkeiten gefalle ihm jedenfalls umso weniger,
je mehr er darüber nachdenke, sagte er.
Kritisch setzte sich Fischer mit der Frage der Pensionsharmonisierung auseinander. Er wies auf einen vom Nationalrat
angenommenen Entschließungsantrag hin, demzufolge die Regierung bis spätestens 31. Dezember 2003 einen
Entwurf zur Pensionsharmonisierung vorzulegen habe. Dieser Auftrag des Nationalrates werde von der Regierung nicht
erfüllt, konstatierte er.
Fischer begrüßte zwar ausdrücklich, dass in der Frage der Pensionsharmonisierung ein Konsens angestrebt
wird und meinte, er verstehe, wenn jemand sage, dass gute Lösungen wichtiger seien als die Einhaltung eines
bestimmten Zeitplans, er stellte aber die Frage, warum dieser Grundsatz nicht bereits beim "Pensionskürzungspaket"
angewendet worden sei und man nicht von Vornherein ein Gesamtpaket - Pensionsreform und Harmonisierung - anvisiert
habe. Fristversäumnisse ortet Fischer auch bei der Vorlage eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes.
In Bezug auf den Österreich-Konvent wies Fischer auf die Arbeit hin, die in den Ausschüssen geleistet
wird. Es sei schwierig, meinte er, aber "die Chance lebt". |