Der Organist und Komponist Daniel Glaus hat eine Orgel mit flexiblen Tönen entwickelt –
Bachs Traum ist endlich wahr geworden
Bern (alphagalileo) - Seit dem 18. Jahrhundert hat sich der Orgelbau nach traditionellem mechanischem
Prinzip kaum weiterentwickelt. Jetzt hat der Organist und Komponist Daniel Glaus mit Unterstützung des Schweizerischen
Nationalfonds (SNF) und der Förderagentur für Innovation (KTI) eine Orgel entwickelt, auf der ein Spieler
allein mittels Tastensteuerung
Endlich hat sich J. S. Bachs Traum erfüllt: der Organist und Komponist Daniel Glaus hat eine Orgel entwickelt,
auf der ein Spieler allein mittels Tastensteuerung Einfluss auf die Klangfarbe, die Dynamik und die Tonhöhe
nehmen kann. |
Einfluss auf die Klangfarbe, die Dynamik und die Tonhöhe nehmen kann. Die international einzigartige Orgel
hat das Potenzial zur Revolutionierung der Orgelmusik.
Im Orgelbau galt bisher der Grundsatz, dass der Winddruck konstant und der Klang einer Pfeife unveränderlich
zu sein haben. Dynamik und Klangfarbe der einzelnen Pfeifen sind fixiert und können vom Organisten während
des Spiels nicht mehr beeinflusst werden. Doch schon der grosse Johann Sebastian Bach hat in Gutachten zum Umbau
von Orgeln davon geträumt, „der Königin der Instrumente“ „cantable“ Töne zu entlocken.
Inspiriert von Bachs Wünschen und angetrieben von kompositorischen Visionen für eine Orgel mit flexiblen
Tönen, hat der Organist und Dozent für Orgel und Komposition an den Musikhochschulen von Bern und Zürich
Daniel Glaus angeregt, im Orgelbau neue Wege zu beschreiten. Im Rahmen der vom SNF unterstützten Aktion DORE*
hat Glaus ein kreatives Team aus den Gebieten Orgelbau, Technik und Musikwissenschaft um sich geschart, um verschiedene
Prototypen einer flexiblen Orgel zu entwickeln.
Inzwischen ist in Zusammenarbeit mit den Orgelbauern Johannes Röhrig und Peter Kraul Prototyp II gebaut worden.
„Bereits vor einiger Zeit konnte ich in der Stadtkirche Biel zum ersten Mal auf dieser neuen Orgel spielen – und
war begeistert“, erzählt Glaus. „Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten übertrafen meine
insgeheim gehegten Vorstellungen um ein Vielfaches.“
Ein Klangwunder
In der Tat lässt sich auf der kleinen Orgel mit nur 75 Pfeifen und den feinen, liebevoll gestalteten
Holztasten „mit einfachen mechanischen Mitteln ein unendlicher Reichtum an Klangfarben und Nuancen hervorzaubern“,
so der begeisterte Glaus. „Mit wenigen Hebelzügen kann der Charakter der Spieltraktur völlig verändert
werden: von hart, spuckend bei geringstem Tastentiefgang bis zu sehr weich mit grossem Tastentiefgang für
romantische, ineinander fliessende Überlegati.“ Was für ein Unterschied gegenüber einer herkömmlichen
Orgel, wo die Tasten wie Kippschalter funktionieren und lediglich einen Ton „anschalten“ beziehungsweise „ausschalten“!
Ermöglicht wird das Klangwunder durch die Tatsache, dass Glaus stets dafür plädierte, nicht bloss
in Randbereichen wie Material oder der Ausgestaltung der Pfeifenform, sondern gleich im Herzen der Orgel, nämlich
beim Wind, Veränderungen vorzunehmen. Prototyp II besitzt denn auch eine doppelte Windversorgung mit zwei
unterschiedlichen Ventilen. „Durch eine sehr fein und einfach einstellbare Kopplung der beiden Ventile ist es möglich,
mittels Tastendruckveränderung direkten Einfluss auf die in die Pfeife strömende Luft und somit auf die
Tongestaltung auch nach dem Anschlag zu nehmen“, führt Glaus aus.
Bereits ist Prototyp III im Bau. Es wird ein voll ausgewachsenes Instrument mit fünf Oktaven, fünf Registern
und drei Manualen (Handklaviaturen) und Pedal sein, wobei das erste Manual mit Kegelventilen speziell für
experimentelle Musik geeignet sein wird. Die Orgel wird wie Prototyp II variabel einstellbare Tastentiefgänge
und eine Traktureinstellung von sehr weich bis sehr hart umfassen. Gegenüber dem Vorgängermodell aber
wird bei Prototyp III die Steuerung für Winddruckeinstellung, Tastentiefgang und den Mechanismus, der Taste
und Pfeife verbindet, auch mit dem Fuss möglich sein.
Aufruf an Komponisten
Gegenwärtig steht Prototyp II in der Stadtkirche Biel, und Daniel Glaus und sein Team testen bestehende
Orgelkompositionen mit den neuen Möglichkeiten. Dereinst soll das völlig ausgereifte Modell „als Orgel
nach den Ideen, Vorstellungen und Wünschen Bachs“ in die Stadtkirche eingebaut werden. Komponisten sind jedoch
jetzt schon dazu aufgefordert, „Wünsche, Forderungen, Visionen, Kritik und Faszination in Bezug auf die neue
Orgel anzubringen." |