Fiedler bei Pressekonferenz: Für Volksabstimmung über neue Verfassung
Wien (pk) - Gewichtige Stimmen sprächen für eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung,
auch wenn eine solche nicht zwingend erforderlich sei. Man sollte auf diese Stimmen hören. Diese Auffassung
vertrat der Vorsitzende des Österreich-Konvents Franz Fiedler am Montag (15. 12.)
unter Hinweis auf Artikel I des Bundes-Verfassungsgesetzes: "Österreich ist eine demokratische Republik,
ihr Recht geht vom Volk aus", anlässlich einer Bilanz-Pressekonferenz nach sechs Monaten Konventsarbeit.
Grundsätzlich zeigte sich Fiedler mit den bisherigen Beratungen im Plenum und in den Ausschüssen zufrieden.
"Wir liegen im Plan, die Arbeiten gehen gedeihlich voran", sagte er und er ortete auch eine durchaus
positive Stimmung unter den Mitgliedern. Im Laufe der Diskussionen habe die Notwendigkeit, eine neue Verfassung
zu schaffen, tiefer gegriffen und somit habe der Arbeitsprozess an Dynamik gewonnen. Der Vorsitzende zeigte sich
auch optimistisch, dass der Konvent seine Arbeit Ende 2004 fertig stellen könne, und wollte sich keineswegs
durch das Scheitern der Verfassungsdiskussion auf EU-Ebene irritieren lassen. Er hielte es für defaitistisch,
die Flinte ins Korn zu werfen, nur weil die EU am Wochenende gescheitert ist.
Fiedler unterstrich, dass der Konvent keine verfassungsgebende Versammlung und auch keine Legislativkörperschaft
darstelle, sondern eine ad hoc einberufene Plattform, um einen Entwurf vorzulegen. Der Gesetzwerdungsprozess sei
dann der zweite Schritt. Als wichtiges Prinzip gelte für ihn, die Diskussionen tabulos führen zu lassen.
Jeder müsse seine Meinung äußern können, so Fiedler, auch wenn dem Konvent auferlegt worden
sei, das demokratische, rechtsstaatliche, republikanische und bundesstaatliche Prinzip nicht anzutasten. Dennoch
könnten innerhalb der föderalen Strukturen Änderungen vorgenommen werden und es seien auch keine
Vorgaben gemacht worden, wie der föderale Rahmen in Zukunft ausgefüllt werde. In diesem Zusammenhang
berichtete Fiedler nach einer konkreten Frage, dass es zum Thema Bundesrat und Landtage, wie auch zum Thema Bundespräsident
die unterschiedlichsten Vorstellungen gebe, aber dies alles noch lange nicht ausdiskutiert sei.
Angesprochen auf eine etwaige Präambel meinte Fiedler, dass auch hier der Diskussionsbedarf noch nicht ausgeschöpft
sei, er selbst könne aber mit und ohne Präambel leben. In Österreich habe eine Präambel wenig
Tradition und sie sei auch bisher nicht abgegangen. Hinsichtlich des Gottesbezuges seien nach den klaren Stellungnahmen
der Kirchen die Würfel gefallen. Jedenfalls sollte die Verfassung das Fundament für ein Rechtsgebäude
schaffen und nicht durch Absichtserklärungen überfrachtet werden.
Der Vorsitzende des Konvents ging anfangs kurz auf die Gründe für die Einsetzung des Gremiums ein. Die
Verfassung sei eben nicht mehr zeitgemäß, wenn man allein bedenke, dass diese zu den ältesten in
Europa zähle. Darüber hinaus existiere keine eigentliche Verfassungsurkunde und so würden neben
dem B-VG rund 1000 Verfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen existieren. Nach dem Beitritt zur EU habe man
auch Kompetenzen nach Brüssel abgeben müssen, was ebenfalls ein neues Gesetzeswerk notwendig mache. Schließlich
hätten auch ökonomische Gründe dafür gesprochen, nachdem man im Laufe der Bemühungen um
eine Verwaltungsreform gesehen habe, dass die Verfassung durch die Überfrachtung mit operationalen, organisatorischen
und administrativen Bestimmungen diesen Zielen eine enge Grenze setze. Man wollte daher eine Voraussetzung für
eine Verwaltungsreform schaffen, mit dem Ziel eines schlanken und kostengünstigeren Staatsaufbaus und transparenteren
und bürgernäheren Bestimmungen.
Zur Arbeitsweise des Konvents erläuterte Fiedler, dass die Hauptarbeit in den Ausschüssen geleistet werde,
wo zu bestimmten Themen die Detaildiskussionen stattfänden. Neun dieser Ausschüsse seien bereits konstituiert
und man könne damit rechnen, dass einige in zwei Monaten erste Textvorschläge vorlegen werden. Der Ausschuss
zur Finanzverfassung werde erst in den nächsten Wochen konstituiert, berichtete Fiedler, dies deshalb, weil
man über die Finanzverfassung erst dann sprechen wolle, wenn hinsichtlich der Kompetenzen Klarheit besteht.
Textvorschläge würden dann im Präsidium beraten und dort werde auch entschieden, ob diese angenommen
oder abermals überarbeitet werden müssten. Über die Inhalte würde nicht abgestimmt, sondern
man werde seitens des Präsidiums und des Vorsitzenden versuchen, einen Kompromissvorschlag als Zusammenfassung
vorzulegen.
Auf die kritische Anmerkung, ob es im Konvent nicht zu viele Interessenvertreter gebe, bemerkte Fiedler, dass er
die Zusammensetzung für nicht schlecht halte, denn dadurch könne man vielleicht das vermeiden, was auf
EU-Ebene passiert ist. Man müsse eben berücksichtigen, dass der demokratische Prozess gewissen Spielregeln
folge und es sei besser, sich im Rahmen des Machbaren zu bewegen. |