Interesse an Umwelt lässt nach, Energien werden grüner und Gentech als Hype
Wien (pte) - SARS hat das Geschehen in der Wissenschaftswelt in der ersten Jahreshälfte entscheidend
geprägt. Mit mehr als 800 Todesopfern hat die Infektionskrankheit zwar bei weitem nicht die Zahl der jährlichen
Grippeopfer erreicht, dennoch wurde SARS das Schreckgespenst der wissenschaftlichen Medienberichterstattung und
hat von März bis Juni die Medienlandschaft nachhaltig beeinflusst. Kritiker haben vorgeworfen, dass die Krankheit
von den Medien hoffnungslos übersteigert wurde, da es gerade in dicht besiedelten Gebieten wie etwa der Millionen-Metropole
Hongkong wesentlich mehr Opfer hätte geben können.
SARS hatte für die Region Südostasien aber verheerende Folgen: Erstmals in der Geschichte des Tourismus
stand der Flugverkehr nach Hongkong still. Getroffen hat die Katastrophe nicht nur die autonome chinesische Provinz,
die sogar eine Werbekampagne "Hongkong nimmt dir den Atem" zum Erliegen brachte, sondern auch den Stadtstaat
Singapur, China, Taiwan, Thailand sowie Malaysien. Südostasiens Tourismus kam praktisch zum Erliegen. Die
Suche nach dem Auslöser der heimtückischen Infektionskrankheit hat gezeigt, dass Infektionen immer wieder
von Erregern ausgelöst werden können, die ihren Ursprung bei oder in Tieren haben und die sich in unglaublicher
Art und Weise an neue Wirte anpassen und dort gefährliche Krankheiten bewirken können. Die global schlimmste
Krankheit ist aber weiterhin Aids geblieben. Für viele Berichterstatter ist das HIV in den Jahren in Vergessenheit
geraten, aber wie der Schlussbericht der WHO wieder deutlich zeigt, ist die Opferbilanz global im Steigen. Besonders
betroffen davon sind afrikanische Staaten südlich der Sahara, aber auch die Länder Asiens. Heftige Kritik
hat es seitens der NGOs an der starren Haltung multinationaler Pharmakonzerne gehagelt: die Verwendung lokal hergestellter
Arzneimittel wurde nicht geduldet. Der Machtapparat globaler Player hat erneut seine Stärke bewiesen.
Auch aus der Versprechung, dass gentechnisch verändertes Saatgut die Menschen der Welt satt machen könnte,
ist nicht viel geworden. Die USA haben die Haltung der EU zu gentechnisch veränderten Pflanzen erneut heftig
kritisiert. Dabei haben auch Politiker plötzlich die Rolle von Experten übernommen, um ihre Position
zu festigen und die US-Wirtschaft anzukurbeln. Geändert hat das an der tristen Situation in den Ländern
der Dritten Welt nichts. Kritiker haben bemerkt, dass es sich hier um eine neue Spielart von Neokolonialismus in
Form von Abhängigkeiten bei der Beschaffung von lebensnotwendigem Saatgut handelt. Tatsächlich hat sich
die Wissenschaftswelt immer wieder, so auch im Jahr 2003, an traditionellem Wissen über Heilpflanzen und Praktiken
orientiert. Immer noch sind Forscher in den Regenwäldern Asiens, Amazoniens und Afrikas unterwegs, um nach
neuen Mitteln gegen die Geiseln der Menschheit - Krebs, Allergien und andere chronische Erkrankungen - zu suchen.
Ungelöst sind auch weiterhin Fragen betreffend der Entstehung von Alzheimer und Parkinson geblieben. In der
Entschlüsselung von genetischen Bauplänen sind die Forscher um wesentliche Schritte vorangekommen. Deutlich
wird hier, wie komplex die Materie ist. Scheinbar folgt jedem neuen Schritt und jeder neuen Erkenntnis eine Vielzahl
von bisher ungelösten Fragen.
Zu den dringlichsten Problemen der Industriewelt zählen immer noch die Themen Umweltverschmutzung und der
immer immantere Verkehrsinfarkt, der Europa, Nordamerika und zunehmend auch Asien bedroht. Große Schritte
wurden keine unternommen, um diese Gefahr abzuwälzen. Immer noch wehren sich Politiker dagegen Umweltverschmutzung,
insbesondere den vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen, als die wichtigste Aufgabe zu einer nachhaltigen
Entwicklung zu sehen. Waren es 2002 noch "irreale Bedrohungen" von tropischen Inselparadiesen im Indischen
und Pazifischen Ozean, die durch den steigenden Meeresspiegel betroffen sind, haben Wirbelstürme, Waldbrände,
Überschwemmungen, Lawinen und Murenabgänge auch in den Industrieländern wieder höhere Schäden
verursacht als in den Jahren zuvor. Temperaturstürze, Hitzeperioden und Naturkatastrophen wurden als Hot-topics
betrachtet. Da sich auch große Versicherungsunternehmen mit der Schadensproblematik beschäftigt haben,
wurde etwa die Trockenperiode im Sommer 2003 in Europa zu einem Thema. Hier wurde eher von der ökonomischen
Seite berichtet, obgleich die Experten auch mit den steigenden Schäden für die Umwelt per se aus diesen
Naturkatastrophen gewarnt haben. Das große Artensterben auf dem blauen Planeten geht hingegen munter weiter.
Neben den Meeressäugern, tropischen Pflanzen und Tieren trifft es auch in diesem Jahr wieder den kommerziellen
Fischfang in Nordamerika und in Europa. Auch hier haben die Verantwortlichen scheinbar keine Konsequenzen gezogen:
Anstatt den Fischfang generell zu stoppen, wurden Fangquoten festgelegt, die die Wissenschaftler immer noch als
zu hoch bezeichnen.
Zu den größten Problemen der Erdbevölkerung zählt aber auch das Auftreten von so genannten
Zivilisationskrankheiten wie Fettsucht und Diabetes. Auch in diesem Jahr haben zahlreiche Untersuchungen ergeben,
dass die Menschen in den Industriestaaten zu fette und süße Nahrung zu sich nehmen. Doch bleiben auch
die Länder der Dritten Welt von den Folgen der "minderwertigen bzw. einseitigen Ernährung"
nicht verschont. So klagen Politiker in Indien über zunehmende Raten an Fettsucht und Diabetes. Die Übernahme
westlicher Ernährungsgewohnheiten in Entwicklungsstaaten führt zu einer extremen Zunahme an bisher unbekannten
Erkrankungen. In den USA ist es wie nicht anders zu erwarten zu wahren Feldzügen gegen Fastfood-Restaurant-Ketten
gekommen. Sammelklagen und rechtliche Schritte wurden angekündigt und zum Teil auch schon eingebracht.
Lernen aus der Natur. Bionik, die Verknüpfung von Technik und Natur, hat neben der Nanotechnologie auch 2003
wieder zu einigen Highlights in der Wissenschaftsberichterstattung geführt. Technologie übernimmt von
der Natur Wissen, das die Evolution in Jahrmillionen ausgeprägt hat. Einige Beispiele haben gezeigt wie perfekt
die Natur mit Herausforderungen in der Physik und Chemie umgehen kann. Auch natürliche Mittel zum Abbau hochtoxischer
Stoffe zählen hierzu. In der Nanotechnologie sind die Konzeptionen noch kleiner und noch perfekter geworden.
Anwendungen in der Hightech-Medizin haben in der Behandlung zu zahlreichen Innovationen geführt.
Auch die Versorgung mit Energie zählt weiterhin zu den größten Problemen der Menschheit. 2003 war
ein Jahr, in dem Offshore-Windenergieparks einen neuen Höhepunkt erlebt haben. Windenergie wurde auch in Zentral-
und Mitteleuropa zum absoluten Renner. Solarenergie war in Ermangelung an Fördermitteln im Vergleich dazu
abgeschlagen. Immer noch bestimmen multinationale Konzerne die Energieversorgung. In ihrer Hand liegt die Zukunft,
daher werden bestimmte Energieerzeugungsvarianten weiterhin hoch gefördert. Dazu zählt in der EU die
Atomstromerzeugung. Erdöl-Konzerne haben die Zeichen der Zeit teilweise erkannt und betreiben Forschungsprojekte
mit erneuerbaren Energien, insbesondere mit der Entwicklung neuer Solarsysteme. Die finanzielle Systematik in Europa
setzt aber weiterhin auf eine zentrale Energieversorgung. Lokale Produktion spielte auch 2003 eine eher untergeordnete
Rolle. Für Länder der Dritten Welt oder Inselstaaten bedeutet dies weiterhin eine verschärfte Situation,
denn Investitionen sind dort nur in geringem Ausmaß vorgesehen. Hier bleibt die Hoffnung auf finanzielle
Unterstützung der reichen Staaten. Das ist ein weiterer Beweis für die immer größer werdende
Schere zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern. |