10 Jahre Euro  

erstellt am
20. 05. 08

»Stabilitätsorientierte Politik – Erfolgsfaktor für Wirtschafts- und
Währungsunion« – Nationalbank-Gouverneur Liebscher zieht positive Bilanz
     
Die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) war und ist die richtige Antwort Europas auf die Herausforderungen der Globalisierung und die Teilnahme Österreichs von Beginn an war der einzig logische Schritt, stellte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und Mitglied des EZB-Rates, Klaus Liebscher, bei der Eröffnung der Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB am 28. April fest. Ein auch währungspolitisch geeintes Europa stärke die Wettbewerbsfähigkeit und trage dazu bei, daß wir in der globalen Arbeitsteilung des 21. Jahrhunderts erfolgreich bestünden. „Aber der Erfolg wird sich auch weiterhin nicht automatisch einstellen“, setzte Liebscher
 

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fort. Er setzt voraus, daß die gemeinsame Geldpolitik wie im EU-Vertrag festgeschrieben, eine stabilitätsorientierte ist. „Dauerhafte Geldwertstabilität ist der Humus, der den Boden für erfolgreiches Wirtschaften aufbereitet“, so der Gouverneur.


„Wir sind mit dieser stabilitätsorientierten Politik in den vergangenen 10 Jahren sehr gut gefahren“, hielt Liebscher fest. Die Inflationsrate lag in diesem Zeitraum im Euroraum durchschnittlich knapp über 2 % und in Österreich knapp unter 2 %. Ein großer Erfolg, wenn man berücksichtigt, daß die letzten Jahre durch wiederholte externe, aber zuletzt auch durch teils „hausgemachte“ Preisschocks gekennzeichnet waren.

Die stark gestiegenen Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise, wie auch Anhebungen der administrierten Preise und indirekten Steuern durch die öffentliche Hand und die damit verbundene Gefahr für Zweitrundeneffekte erfordern besondere Aufmerksamkeit und vorausschauendes Handeln des EZB-Rates, so der Gouverneur. Nur so kann dauerhaftes, inflationsfreies Wachstum mit seinen positiven Auswirkungen auf Investitionen und Beschäftigung gesichert werden. Die einheitliche Geldpolitik des Eurogebietes darf im Interesse der Glaubwürdigkeit und Stabilisierung der Inflationserwartungen weder kurzfristige Konjunktur- oder beschäftigungspolitische Ziele, noch einzelne Länder- oder Brancheninteressen verfolgen.

Nicht minder wichtig für die Funktionsfähigkeit der Währungsunion ist ein stringentes und klares fiskalisches Regelwerk, wie auch eine dynamische Strukturpolitik. Die Anstrengungen zur Budgetkonsolidierung wie auch die teils sehr ambitionierten Strukturreformen haben in den letzten Jahren die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder des Euroraums bzw. der EU stimuliert, Beschäftigung und Wachstum geschaffen sowie resistenter gegen externe Schocks gemacht.

Das reale Wirtschaftswachstum im Euroraum betrug seit Beginn der Währungsunion 2,2% p.a. Die Zahl der Beschäftigten wuchs seit 1999 um rund 18 Mio., die Arbeitslosenquote verringerte sich von 10 % (1998) auf zuletzt 7,1 %. Dies ist der niedrigste Stand seit mehr als 25 Jahren. Der Budgetsaldo ging von seinem Höchststand von -3,1 % im Jahr 2003 auf -0,6 % des BIP 2007 zurück.

Gouverneur Liebscher stellte fest, daß die seit 1999 bestehende Mitgliedschaft Österreichs in der Währungsunion auch in unserem Land beträchtliche Wohlstandsgewinne generiert hat. Bei Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität nimmt Österreich eine Spitzenposition ein. Das Wirtschaftswachstum ist robust und war in den letzten Jahren durch einen stabilen Wachstumsvorsprung von rund ½ Prozentpunkt gegenüber dem Durchschnitt des Euroraums gekennzeichnet. Die Arbeitslosenquote ist international gesehen sehr niedrig, die Beschäftigung wuchs dynamisch.

Die hohe Preisstabilität in Österreich, die dadurch hervorragende preisliche Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Integration haben auch zur herausragenden außenwirtschaftlichen Performance Österreichs beigetragen, so der Gouverneur. Die Leistungsbilanz wies in den letzten Jahren ein steigendes Aktivum von über 3 % des BIP im Jahr 2007 auf. Die Direktinvestitionen Österreichs im Ausland haben sich von 8 % (1998) auf rund 32 % des BIP (2007) vervierfacht.

Die Erweiterung der WWU bezeichnete der Gouverneur als eine der zentralen künftigen Herausforderungen. Waren es beim Start 1999 elf Mitgliedstaaten die den Euro einführten, folgten 2001 Griechenland, 2007 Slowenien und am 1.1.2008 Malta und Zypern. Das Eurosystem ist auch weiterhin offen für neue Beitritte zur Währungsunion, hielt Dr. Liebscher fest. „Die Anwendung der Konvergenzkriterien für die neuen EU-Mitgliedstaaten darf jedoch keineswegs schwächer, aber auch nicht schärfer als für die bestehenden Euro-Teilnehmerstaaten erfolgen“, stellte der Gouverneur klar.

Abschließend zitierte Gouverneur Liebscher den berühmten österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter, der einst zu dem Urteil kam: „Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände“. So gesehen, meinte der Gouverneur, ist das erfolgreiche Projekt der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion viel mehr als nur ein wirtschaftliches Projekt – es ist auch ein gesellschafts- und sicherheitspolitisches Projekt mit dem Ziel der Friedenserhaltung und Wohlstandsvermehrung in Europa.

Gusenbauer: Vieles ist gelungen
„Vieles ist gelungen, der Euro funktioniert und hat sich international großartig behauptet. Er ist eine – auch von vormaligen Kritikern – weltweit anerkannte Erfolgsgeschichte, auch dank der hervorragenden Arbeit der Notenbanken und der Europäischen Zentralbank, die im Juni ihr zehnjähriges Bestehen feiert“, erklärte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zu Beginn seiner Rede. Doch vieles habe sich in diesen zehn Jahren auch verändert, und daß es keine Währungsunion aus einem Guss gebe, sondern daß sie, um erfolgreich zu sein, Zeit brauche, sei für niemanden von der Anwesenden etwas Neues. „Wesentlich für die europäische Erfolgsgeschichte ist nicht nur die Vertiefung der Europäischen Union, sondern auch deren Erweiterung. Der 1. Mai 2004 war ein historisches Datum, an dem die Teilung Europas beendet wurde. Die Vereinigung unseres Kontinents machte eines klar: Stabilität, Wachstum und Wohlstand können langfristig nur garantiert werden, wenn Solidarität und nicht Abgrenzung in den Vordergrund gerückt werden“, so Gusenbauer, der es als wichtig bezeichnete, festzuhalten, „daß der Euroraum keine geschlossene Gesellschaft ist und sich auch nicht den Anschein geben darf, ein exklusiver Klub zu sein. Denn von Anfang an war es erklärtes Ziel der Gemeinschaft, daß letzten Endes alle Mitgliedsländer den Euro einführen sollen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß die WWU unter Ausgangsbedingungen entworfen wurde, die den Herausforderungen der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts entsprachen: relativ hohe Budgetdefizite und Staatsverschuldung sowie Inflationsraten, die über dem heutigen Preisstabilitätsziel liegen“, so der Regierungschef. Die Kriterien für den Eintritt in die Eurozone würden diese Herausforderungen widerspiegeln und sie seien – mangels anderer historischer und ökonomischer Erfahrungen – für die Industrieländer Westeuropas konzipiert worden.

Diese Situation habe sich jedoch geändert. Die Länder, die nun vor einem Beitritt zur WWU stünden, seien dynamische, rasch aufholende Volkswirtschaften und würden sich sich damit vom Kern der Gründungsmitglieder der Eurozone unterscheiden. Ausgehend von niedrigeren Niveaus der Wirtschaftsleistung seien sie durch höhere Wachstumsraten gekennzeichnet, welche vor allem auf ein hohes Produktivitätswachstum und eine robuste Binnennachfrage zurückzuführen seien. Nur drei Staaten sei es daher bisher gelungen, die Eintrittkriterien zu erfüllen: Slowenien, Malta und Zypern.

„Unser Nachbar, die Slowakei, hat sich zum Ziel gesetzt, mit 1. Jänner 2009 den Euro einzuführen. Die makroökonomischen Indikatoren zeigen, daß die Slowakei auf einem guten Weg ist. Die abschließende Bewertung der slowakischen wirtschaftlichen Konvergenz obliegt der Europäischen Kommission – auch der EZB. Ich bin zuversichtlich, dass der Europäische Rat im Juni die Aufnahme der Slowakei in den Euroraum beschließen wird“, so Gusenbauer.

Molterer: Erfolgsgeschichte für EU und Österreich
Vizekanzler Finanzminister Wilhelm Molterer erklärte, der Euro sei eine Erfolgsgeschichte für die EU und für Österreich: „Die Wirtschafts- und Währungsunion hat maßgeblich dazu beigetragen, daß die EU jetzt als Stabilitätsanker in der Welt gilt. Das zeigen gerade die jüngsten Entwicklungen auf den globalen Finanz- und Kapitalmärkten“, so Molterer.

Damit sei die Einführung einer gemeinsamen Währung nicht nur ein wichtiger wirtschaftspolitischer Schritt gewesen sondern auch eine politische Entscheidung. „Die Euro-Einführung war einer der historisch weitreichendsten Schritte, die die EU je gemacht hat. Er stärkt die globale Rolle der EU und ist ein entscheidender Beitrag zur Integration der EU“, sagte Molterer, der auch den Beitrag des Euro zur Realisierung des europäischen Binnenmarktes betonte.

„Der Euro hat klare Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger und macht die Vorteile der EU deutlich. Der Euro hat auch eine wichtige Rolle für eine stabilitätsorientierte Währungspolitik. Dafür unbedingt notwendig ist eine starke und unabhängige EZB“, so der Vizekanzler. „Wir brauchen außerdem neue Erweiterungssignale für die Europagruppe. Dabei ist es notwendig, daß wir auch weiter die Konvergenzkriterien streng anwenden“, sagte Molterer.

Der Vizekanzler ging in seiner Rede auch auf die aktuelle Inflationsentwicklung ein. Daraus müsse man die richtigen Schlüsse ziehen – und das Problem an der Wurzel anpacken. Dafür gebe es mehrere Ansatzpunkte. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur EZB und ihrer Unabhängigkeit. Alle politischen Verantwortungsträger müssen das unterstützen, wenn wir einen stabilitätsorientierten Kurs verfolgen wollen. Das ist gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten notwendig. Österreich muß auch weiterhin für eine Öffnung der Märkte eintreten – das hat unseren Wirtschafts- und Arbeitsstandort in den letzten Jahren stark gemacht. Dazu zählt auch ein erfolgreicher Abschluß der WTO-Verhandlungen, der für Europa eine weitere Dynamisierung bringen würde“, betonte der Vizekanzler.

In der aktuellen Wirtschaftslage seien auch verstärkte Deregulierungs-Schritte und stärkerer Wettbewerb notwendig. „Wir dürfen es nicht zulassen, daß es in Europa eine Rückkehr in alten Protektionismus gibt. Wir brauchen auch eine verantwortungsvolle Tarifpolitik, um unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen zu können“, so Molterer, der auch die Notwendigkeit von Haushaltsdisziplin hervorhob. „Das gilt gleich für alle Gebietskörperschaften. Nur so können wir die Senkung der Steuern- und Abgabenquote fortsetzen und den Faktor Arbeit nachhaltig entlasten“, so der Vizekanzler.

Abschließend betonte er die Notwendigkeit der Stärkung der Innovationskraft als „Lebenselexier einer Gesellschaft und einer Volkswirtschaft“ und ging auf die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten ein. „Die derzeitigen Entwicklungen zeigen, daß globale Märkte globale Regeln brauchen. Wir müssen eine richtige Balance zwischen Reglementierung und martktwirtschaftlicher Orientierung finden. Jetzt gilt es zu diskutieren, wie wir die globalen Finanz- und Kaptilalmärkte stärken können – gerade in ihrer Bedeutung als Säulen eines wirtschaftspolitischen Kurs, der Wachstum und Vollbeschäftigung verfolgt“, schloß Molterer.
     
Diesen Artikel finden Sie auch im "Österreich Journal" pdf-Magazin, Ausgabe 060
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