Das Kunsthistorische Museum  

erstellt am
30. 01. 09

Kurzfassung des Vortrags von Univ.-Prof. Gottfried-Karl Kindermann von der Ludwig- Maximilians-Universität München vor der Österreichisch-Bayerischen Gesellschaft in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften München am 11. März. 2008.
     
Wien 1., Maria-Theresien-Platz: Das Kunsthistorische Museum mit dem Denkmal der Kaiserin Maria Theresia
Wien 1., Maria-Theresien-Platz: Das Kunsthistorische Museum mit dem Denkmal der Kaiserin Maria Theresia
Viele der größten und berühmtesten Sammlungen Europas sind bis heute in den ehemaligen königlichen oder kaiserlichen Schlössern der Hauptstädte untergebracht, im Palais du Louvre, in der Eremitage des Zaren, im Palazzo Pitti der Medici oder im Belvedere – und sie bewahren bis zum heutigen Tage trotz vieler Veränderungen den Eindruck repräsentativer fürstlicher Privatsammlungen. Erst im 19. Jahrhundert begann man für die rasch wachsenden Sammlungen mit dem Bau eigentlicher Museumsgebäude, wie in London, Amsterdam, München oder Berlin. Solche Pläne gab es seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Wien, wo der Großteil der kaiserlichen Sammlungen im Schloß Belvedere, dem ehemaligen Sommerpalais des Prinzen Eugen, ausgestellt war; der Rest war in verschiedenen Trakten der Hofburg untergebracht. Nach 1860 wurde im Zuge der Planung der Wiener Ringstraße für die Museumsgebäude der kaiserlichen Sammlungen der Platz vor dem Burgtore vorgesehen. Mit dem neuen Flügel der Burg, der heute ebenfalls Sammlungen beherbergt, und dem Hofstallgebäude sollten die Museen einen weiten Platz einschließen, der als Kaiserforum gedacht war. Die Planung für die beiden großen Museen, von denen das eine die kunsthistorischen Sammlungen, das andere die naturhistorischen Sammlungen des Hofes aufnehmen sollte (siehe: „Österreich Journal“, Ausgabe 66: „Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung“, Bericht über das Naturhistorische Museum), wurde nach langen Erwägungen der Entwürfe anderer Architekten, die sich 1866 an einem Wettbewerb beteiligt hatten, unter ihnen Ferstel und Hansen, dem Wiener Architekten Karl Hasenauer (1833 – 1894) übertragen. Seine Entwürfe hat der große deutsche Architekt Gottfried von Semper (1803 – 1879) mit souveräner Überlegenheit überarbeitet und damit den Bauwerken jenen Eindruck der Feierlichkeit verliehen, dem sich der Beschauer auch heute nicht entziehen mag.

Im Herbst des Jahres 1871 wurde mit dem Bau beider Gebäude begonnen, um 1880 waren sie äußerlich bereits vollendet. Die reiche Innenausstattung des Kunsthistorischen Museums, an der bis 1891 gearbeitet wurde, ist Hasenauers eigenes Werk. Der „Ringstraßenstil“ ist nur noch in den beiden Theaterbauten des Kaisers, der Hofoper und dem Burgtheater, in solcher Reife ausgeprägt; zum Unterschied zu diesen im Zweiten Weltkrieg gänzlich ausgebrannten Bauten ist die Innendekoration des Kunsthistorischen Museums, trotz schwerer Bombenschäden in allen Teilen des Gebäudes, weitgehend erhalten geblieben.

Die zwölf Lünetten des Stiegenhauses schmückte Hans Makart mit Darstellungen der großen Künstler Dürer, Holbein, Leonardo, Raffael, Michelangelo, Tizian, Rubens, Rembrandt, van Dyck und Velázquez

Die zwölf Lünetten des Stiegenhauses schmückte Hans Makart mit Darstellungen der großen Künstler Dürer, Holbein, Leonardo, Raffael, Michelangelo, Tizian, Rubens, Rembrandt, van Dyck und Velázquez


Hasenauer mußte nicht sparen, konnte kostbarstes Material verwenden und die bedeutendsten Künstler der Zeit heranziehen. Auch die Bestimmung der Räume forderte nach den Ideen der Zeit reichste Dekorationen.

Darüber hinaus wurden sehr genaue Untersuchungen und gründliche Überlegungen angestellt, um optimale Lichtverhältnisse nicht nur in den Oberlichtsälen der Gemäldegalerie zu erreichen, sondern auch in den großen Sälen des Hochparterres, die gegen die Fassade hin angeordnet sind. Sie werden durch eine fortlaufende Reihe von Säulen unterteilt, die nicht nur die Mittelmauer des ersten Stockes zu tragen haben, sondern auch ein bedeutendes dekoratives Element darstellen, da Monolithe aus poliertem Granit gewählt wurden, die teilweise mit vergoldeter Bronze montiert wurden: In den beiden Sälen der Ägyptischen Sammlung wurden sogar drei altägyptische Säulen aus rotem Granit eingesetzt, was konsequenterweise eine Ausstattung aller Räume dieser Sammlung mit ägyptischer Wandmalerei, Türleibung und Vitrinen zur Folge hatte.

Die Gemäldegalerie gehört zu den bedeutendsten der Welt.

Die Gemäldegalerie gehört zu den bedeutendsten der Welt.
   

In den Deckengemälden der Säle des Hochparterres ist vielfach auch sonst auf die Epochen und Meister der Kunstwerke Bezug genommen, die in ihnen Platz finden sollten. Der große Saal der Antikensammlung ist der Architektur der römischen Kaiserzeit nachempfunden und mit einem imitierten Relieffries mit Göttermythen von August Eisenmenger geschmückt. Sein Pendant in der anderen Gebäudehälfte war als Hauptsaal der Hofjagd- und Rüstkammer gedacht, die jetzt in der Neuen Burg untergebracht ist; die Decke wurde mit 32 Wappen der habsburgischen Länder der Epoche Kaiser Karls V. von Friedrich Schönbrunner nach Entwürfen von Karl Krahl geschmückt.

Der Mittelsaal des Hochparterres, hinter dem Stiegenhaus gelegen, ist durch ein großes Deckengemälde „Die Mäcene der bildenden Künste im Haus Habsburg“ von Julius Berger besonders hervorgehoben. Auf diesem Ölgemälde auf Leinwand erkennt man die bedeutendsten Kunstförderer des Hauses Habsburg, vielfach den Bildnissen der großen Meister nachempfunden, etwa Maximilian I. nach Dürer (in der Mitte). Die Türen zwischen den Sälen der Gemäldegalerie im ersten Stockwerk wurden mit 49 Portraitbüsten großer Maler von Viktor Tilgner geschmückt, die leider nur mehr im Mittelsaal VIII erhalten sind. Auf dem Podest des besonders prächtig ausgestatteten Stiegenhauses erblickt der Besucher Antonio Canovas Theseusgruppe, für die um 1820 der Theseustempel im Volksgarten errichtet worden war, die aber dann als effektvolles Schaustück für diesen Platz auserkoren wurde.

Das große Deckengemälde, die „Apotheose der Renaissance“, stammt von dem damals in Paris lebenden ungarischen Maler Michael (Mihàly) von Munkácsy (1844 – 1900).

Wir sehen ganz vorne links den alten Leonardo mit dem jungen Raffael im Gespräch die Treppe herabsteigen, darüber auf einem Gerüst vor der Leinwand Veronese, rechts hinter der Balustrade Michelangelo. In der Mitte, oberhalb der Treppe, Tizian mit einer Schülerschar vor zwei weiblichen Akten. In der Loge im Zentrum erkennen wir Papst Julius II., ein vorgewiesenes Blatt studierend. Über allem schweben die Gestalten der Gloria und der Fama.

Die zwölf Lünetten des Stiegenhauses schmückte Hans Makart mit Darstellungen der großen Künstler Dürer, Holbein, Leonardo, Raffael, Michelangelo, Tizian, Rubens, Rembrandt, van Dyck und Velázquez sowie mit einer Allegorie „Gesetz und Wahrheit“ gegenüber dem Treppenaufgang und der Personifizierung der religiösen und der profanen Malerei ihr gegenüber. Die Zwickelbilder zwischen den Kapitellen der riesigen, mit vergoldeter Bronze montierten Säulen aus Grand-antique (Marmor von Aubert am Fuße der Pyrenäen) malten die Brüder Ernst und Gustav Klimt und Franz Matsch mit Bildern aus dem Entwicklungsgang der Kunst.

Als Frühwerk des später so berühmt gewordenen Gustav Klimt interessieren heute besonders dessen „Ägypten“ die „Griechische Antike“, die „Altitalienische Kunst“, das „Florentinische Cinquecento“ und das „Römische und venezianische Quatrocento“.

Die aus habsburgischem Besitz hervorgegangene Antikensammlung gehört zu den bedeutendsten ihrer Art und besitzt Objekte höchsten Ranges vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis um 1000 n. Chr.

Die aus habsburgischem Besitz hervorgegangene Antikensammlung gehört zu den bedeutendsten ihrer Art und besitzt Objekte höchsten Ranges vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis um 1000 n. Chr.


Schließlich wurde der riesige Kuppelraum zu einer Ruhmeshalle der Sammler des Hauses Habsburg ausgestaltet. Die Kaiser Maximilian I., Karl V., Rudolf II., die Erzherzöge Ferdinand (II.), Albrecht (VII.) und Leopold Wilhelm, die Kaiser Karl VI. und Franz Joseph I. wurden von Johann Benk in Bildnismedaillons in der Kuppel dargestellt, während Rudolph Weyr die bedeutendsten der für diese Habsburger wirkenden Künstler in großen Reliefs vereinte.

Eine besondere Vorliebe und Verständnis für seine Verwendung hatte das Fin de siècle für kostbares Material, verschiedenfarbige Granite und Marmorarten, die aus ganz Österreich, von Böhmen bis Istrien, aus Frankreich, Italien, Belgien und Schweden herbeigeholt wurden, aber auch für qualitätvollsten stucco lustro, dessen differenzierte Farbigkeit heute größte Bewunderung hervorruft.

Größte Aufmerksamkeit wurde auf den Skulpturen-Schmuck der Fassaden gelegt, der nach einem von Semper entworfenen Programm sowohl die verschiedenen Kunstzweige versinnbildlichen als auch die großen Künstler und Denker aller Epochen darstellen sollte. Die Kuppellaterne wird von einer Statue der Pallas Athene als Beschützerin der Künste und Wissenschaften von Johann Benk bekrönt. Über den Eingangsportalen kündet die Inschrift: „Den Denkmälern der Kunst und des Alterthums Kaiser Franz Joseph I. MDCCCLXXXI“ von der vorwiegend wissenschaftlichen Intention, die den Hofmuseen zur Zeit ihrer Gründung gegeben wurde.

Fast gleichzeitig mit dem Bau der Museen wurde 1881 auch die Errichtung des großen halbrunden Flügels der Hofburg nach Plänen Sempers begonnen. Die Bauleitung führten Hasenauer, später E. Ritter v. Förster, Friedrich Ohmann und Ludwig Baumann. Die Fertigstellung dieses Baues zog sich bis zum Ersten Weltkrieg hin, er ist heute nicht ganz vollendet. Seit 1908 beherbergt das als Neue Burg bekannte Gebäude auch schon Sammlungen, zuerst die Weltreisesammlung des Thronfolgers Franz Ferdinand, die nach dessen Ermordung im Jahre 1914 als „Estensische Sammlung“ den kaiserlichen Sammlungen angeschlossen wurde. Nach und nach wurden immer mehr Sammlungen des Kunsthistorischen Museums in die Neue Burg übertragen. Im Hauptgeschoß befinden sich seit 1935 die Hofjagd- und Rüstkammer (früher: Waffensammlung) und nach einer ersten Ausstellung noch im Rahmen der Estensischen seit 1947 die Sammlung alter Musikinstrumente, während im prunkvollen Stiegenhaus 1978 das Ephesosmuseum eingerichtet wurde.

Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung des KHM zählt zu den bedeutendsten Sammlungen ägyptischer Altertümer der Welt.

Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung des KHM zählt zu den bedeutendsten Sammlungen ägyptischer Altertümer der Welt.


Die Gemäldegalerie
Die Gemäldegalerie gehört zu den bedeutendsten der Welt. Ihr reicher Bestand spiegelt Geschmack und Mäzenatentum der kaiserlichen Sammler wider, die ihn über Jahrhunderte zusammengetragen haben. So besitzt das Museum die weltweit größte und wichtigste Sammlung von Bildern Pieter Bruegels d. Ä., die, wie der Dürer-Bestand, vor allem der Sammelleidenschaft Kaiser Rudolfs II. zu verdanken ist. Der eigentliche Begründer der Gemäldegalerie war jedoch Erzherzog Leopold Wilhelm. Er erwarb im 17. Jahrhundert als Statthalter der Spanischen Niederlande an die 1400 Gemälde. Zu den Schwerpunkten seiner Sammlung zählen venezianische Meister des 16. Jahrhunderts (Tizian, Tintoretto und Veronese) sowie eine in ihrer Dichte hervorragende Sammlung flämischer Barockmalerei mit Meisterwerken von Rubens und van Dyck. Berühmt sind in der Wiener Gemäldegalerie auch die Werke von Rembrandt, Vermeer, Velázquez und Bellotto.

Die Antikensammlung
Die aus habsburgischem Besitz hervorgegangene Antikensammlung gehört zu den bedeutendsten ihrer Art und besitzt Objekte höchsten Ranges vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis um 1000 n. Chr. Unter ihnen befinden sich Skulpturen, antike Vasen sowie Statuetten aus Bronze und Ton. Dabei sind vor allem zwei Bestände von Weltgeltung hervorzuheben: die einzigartigen Prunkkameen sowie die völkerwanderungs-zeitlichen und frühmittelalterlichen Schatzfunde.
Die Antikensammlung des KHM gehört zu den bedeutendsten ihrer Art. Zwei Bestände vor allem stellen die Sammlung, deren zeitliche Grenzen von der bronzezeitlichen Keramik Zyperns aus dem 3. Jt. v. Chr. bis zu den slawischen Funden aus der Zeit um 1000 n. Chr. reichen, in die vorderste Reihe der Museen von Weltgeltung.

Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung
Zum spektakulären Bestand der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung gehören zahlreiche ausgesprochen qualitätvolle Skulpturen aus allen Perioden des Alten Ägypten. Zusammen mit wertvollen Papyri, Inschriften und Reliefs veranschaulichen Grabbeigaben und Sarkophage aus Holz und aus Stein Religion und Alltag im Alten Ägypten. Dazu kommen archäologische Funde der Prähistorie und aus Nubien. Den Kern der Orientalischen Sammlung bilden Plastiken und Inschriften aus dem antiken Südarabien.


Die Schatzkammer
Eine Urkunde von 1337 informiert darüber, daß damals der gesamte Schatz der Habsburger in der Sakristei der Hofburgkapelle verwahrt wurde. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Kaiser Ferdinand I. die Schatzkammer von der Sakristei in ein neu eingerichtetes, unweit des Schweizertores gelegenes Schatzgewölbe verbringen. Nicht alles wurde jedoch dorthin verlagert: Ein Grundstock an Monstranzen und Kelchen, Meßgewändern und allerlei Kirchensilber blieb in der Sakristei zurück und in der direkten Obhut des Burgpfarrers.

Es gibt heute kaum einen zweiten Ort, an dem ein Jahrtausend abendländischer Geschichte größere Gegenwart gewinnt und intensiver erfahren werden kann als in der Wiener Schatzkammer.
http://www.khm.at
     
Alle Fotos: KHM / Michael Mössmer
     
Den vollständigen Artikel finden Sie im "Österreich Journal" pdf-Magazin,
Ausgabe 068 vom 30. 01. 2009
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