Ins Innere des Salzkammerguts   

erstellt am
14. 04. 07

Vom Weltkulturerbe zum Wanderkompetenzzentrum
Von Wolfgang Heitzmann.
Nach einer Weile erscheinen Felsen, die wie Kirchen gerade aus dem Grasboden aufsteigen
Idyllisch am Fuße des Dachstein gelegen: der Gosausee
Foto: OÖ Tourismus/Bohnacker
und zwischen deren Mauern man längere Zeit hinangehen kann …“ Wer im Dachsteingebirge unterwegs ist, sollte schon eine Wegbeschreibung dabeihaben. Diese hier ist zwar nicht mehr ganz neu, aber selbst im Angesicht der Gletscher durchaus zutreffend: „Es lagen Hügel da, die wie zusammengeschobener Schaum aussahen, als wären Balken und Stangen von Edelsteinen durcheinander geworfen worden … In einigen waren Höhlen eingefressen, durch die man mit einem Arme durchfahren konnte, mit einem Kopfe, mit einem Körper, mit einem ganzen großen Wagen voll Heu. In der ganzen Höhlung aber war es blau, so blau, wie gar nichts auf der Welt ist …“
Idyllischer Rastplatz mit herrlichem Dachsteinblick
Foto: OÖ Tourismus/Himsl
Mit so viel Poesie präsentiert nur Adalbert Stifter das Dachsteingebirge. Mit der Lektüre seiner Novelle „Bergkristall“ wird die dreistündige Wanderung von der Gjaidalm zur Simonyhütte zum besonderen Genuß: nicht nur wegen der fantastischen Hochgebirgsszenerie, die zwischen saftigen Almwiesen und bizarr verwitterten Wetterzirben, spaltigen Eisflächen und majestätischen Felsgipfeln alle Register landschaftlicher Vielfalt zieht, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß sie der Dichter zwar mit Fantasienamen, ansonsten aber exakt wie der Alpenvereinsführer beschreibt. Wie intensiv mußte der Dichter wohl vor Ort recherchieren? Die Antwort mag erstaunen: gar nicht. Sein detailliertes Wissen über das Dachsteingebirge verdankte er vor allem jenem Mann, nach dem unser Hüttenziel am Rand des Hallstätter Gletschers benannt ist: Der Geograf Friedrich Simony (1813-1896) erforschte, beschrieb, zeichnete und fotografierte den ganzen Gebirgsstock, verbrachte als erster Mensch eine Nacht auf dem Dachsteingipfel und besuchte – was anno Biedermeier noch als lebensbedrohlich galt – den Gletscher sogar mitten im Winter. Der „Abenteurer im Gelehrtenrock“ war mit Stifter befreundet, und dieser setzte ihm ein literarisches Dachstein-Denkmal.
Diese Spurensuche ist nur eine von vielen Möglichkeiten, das Innere Salzkammergut per pedes zu erforschen. Hier, wo seit Jahrtausenden nach Salz gegraben wird, laden auch Themenwege zu spannenden „Zeitreisen“ ein. Am besten besucht man zuvor die „Salzwelten“, das Schaubergwerk hoch über Hallstatt, das Museum Kulturerbe unten im Ort – und das nahe Sportgeschäft Janu: Dort kann man sich nicht nur ausrüsten, sondern dank privater Ausgrabungen auch in die Urgeschichte des Ortes hinabsteigen.
Derart mit Wissen und Vorfreunde versehen, läßt sich der historische Soleleitungsweg besonders vergnüglich beschreiten. Er folgt einer Rohrleitung, in der seit 1607 Wasser mit gelöstem Salz vom Hallstätter Bergwerk zum 42 Kilometer entfernten Sudwerk (Saline) von Ebensee fließt. Daher führt diese mit zahlreichen Erlebnisstationen ausgestaltete Route – abgesehen vom steileren, mit Treppen und Geländern ausgestatteten „Einstieg“ durch die felsige Höllschlucht – stets leicht bergab. Auf dem ersten Abschnitt geht es unter dem Motto „Berge, Wald und Seen“ vom Rudolfsturm hoch über Hallstatt durch steile Waldhänge nach Bad Goisern, der Heimat der gleichnamigen Wanderschuhe. Was es dort sonst noch an innovativem Gewerbe gab und gibt, erfährt man auf dem örtlichen Themenweg „Goiserer Geschichte(n)“. Die Mündung des Gosautals übersetzt man übrigens auf dem so genannten Gosauzwang, einer für die damalige Zeit höchst spektakulären Brücke.
     

Ein Blick vom Sarstein hinunter auf einen Zipfel des Hallstättersees
im Inneren Salzkammergut. Foto: OÖ Tourismus/Ritzberger

     
Dort sollte man die Gelegenheit ergreifen, der nahen Gosau einen Wanderbesuch abzustatten. Auch dieses sonnige Hochtal am Fuße des vielgezackten Gosaukammes bietet einen einfach zu begehenden Themenweg, auf dem man viel über die Zusammenhänge zwischen Wildnis und Bauernland erfährt. Und über die „Gosauschichten“, einer etwa 90 Millionen Jahre alten Gesteinsformation aus Sandstein und Mergel: Ersterer bildet das Rohmaterial für die einst weitum begehrten Gosauer Schleifsteine, während sich in zweiterem unzählige Fossilien finden, die als Schmuckstücke geschliffen werden.

Gleich 200 Millionen Jahre der Erdgeschichte dokumentieren die naturkundlichen Wanderwege im Bereich Hallstatt-Obertraun. Etwa der Spaziergang zu den Wasserfällen im tief eingeschnittenen Echerntal bei Hallstatt-Lahn, wo zudem die ausgeschliffenen Felstöpfe
Häuserzeile in Hallstatt im Inneren Salzkammergut
Foto: OÖ Tourismus/Himsl
eines „Gletschergartens“ an das Ende der eiszeitlichen Eiszungen erinnern. Wie das Regenwasser den eisenharten Kalkfels aufzulösen vermag, zeigt der Karstlehrweg vom Krippenstein (Bergstation der Obertrauner Dachsteinseilbahn) zur Gjaidalm sehr eindrucksvoll. Drei Stunden lang wandert man durch die wüstenhafte Hügellandschaft rund um das „Heilbronner Kreuz“ und genießt Prachtblicke zum vergletscherten Dachstein.
All das weckt sicher den Wunsch, einmal nachzusehen, wie das kühle Naß im Bergesinneren als Baumeister wirkt: Im Dachstein-Höhlenpark auf der Schönbergalm, der ersten Zwischenstation der Obertrauner Dachsteinseilbahn, öffnen sich zwei Felsportale, hinter denen sich gewaltige Gänge und Hallen 800 Meter unter der Dachsteinhochfläche, aber auch atemberaubend schöne Eisformationen verbergen. Ein dritter allgemein zugänglicher Schlund lädt ein Stockwerk weiter unten zur Besichtigung ein: die Koppenbrüllerhöhle, in der das Wasser bis heute aktiv arbeitet. Man erreicht sie nur zu Fuß, am besten vom Bahnhof Obertraun auf dem Themenweg „Durch Kalk und Karst“, der durch den stillen Koppenwinkel mit seinem kleinen See und seinen ungestümen Quellen führt. Eine zweite Möglichkeit wäre, beim Bahnhof Bad Aussee zu starten und dem „Weg durch die Wildnis“ durch das tiefe Tal der Koppentraun zu folgen. Beide Routen sind übrigens Abschnitte des neuen und durchgehend beschilderten „Salzkammerweges“, der den Hohen Sarstein umrundet. Obwohl er mit einer Gesamtlänge von mehr als 40 Kilometern an Marathon-Dimensionen herankommt, sollte man hier keineswegs hetzen: In etwa drei Tagen ist die abwechslungsreiche Route für die ganze Familie problemlos zu „machen“. Dank der nahen Bahnlinie und der Schiffahrt läßt er sich natürlich auch in einzelnen Teiletappen erwandern – vorbei am Sommersbergsee bei Altaussee, durch stille Wälder, in denen schon vor 2000 Jahren die Römer unterwegs waren, oder auf hohen Stegen über der tiefsten Stelle des Hallstätter Sees.

Wer diese wunderbare Region durchwandert, wundert sich natürlich nicht darüber, daß sie von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt wurde. Dem geheimnisvollen Zauber, der von ihr ausgeht, kann sich wohl niemand widersetzen: Ihm erlagen schon im 19. Jahrhundert Adelige und Abenteurer, Dichter und Denker; ihm erliegen heutzutage noch Künstler wie Hubert von Goisern oder Schiftsteller wie Alfred Komarek. Ganz restlos aber erliegt ihm, wer die Wanderschuhe schnürt, um per pedes den einen oder anderen Blick ins Innere des Salzkammerguts zu werfen.
     
Diesen Artikel finden Sie auch im "Österreich Journal" pdf-Magazin, Ausgabe 047
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