Ein Hort der Kultur
Das Stift St. Paul im Lavanttal, seit über 900 Jahren ein Ort des Glaubens, ist auch ein Hort der Kultur, wird doch in den ehrwürdigen Mauern eine der wertvollsten Kunstsammlungen Österreichs aufbewahrt. Rund 1200 Exponate können von 4. Mai bis 29. Oktober 2003 in der Ausstellung »Die Bibel – Faszination und Mythos einer unendlichen Geschichte« bewundert werden.
Von Gerfried Sitar und Christa Mössmer (Text), Michael Mössmer (Fotos)

     

Oft schrecken uns die vielen Namen, die Fakten, die Ereignisse, die sich im Laufe der Geschichte angesammelt haben. Wer wann, welches, Schloß, welches Kloster, welche Burg erbaute, erweiterte, befestigte, zerstörte, niederbrannte, wieder aufbaute,

 

über alten Mauern neue errichtete; die Unzahl an Dokumenten, Briefen, Aufsätzen und Enzyklopädien tragen nicht gerade dazu bei, Geschichte in gerader Linie zu verfolgen zu können. Beim Studieren geschichtlicher Merkmale vergessen wir allzuoft die Schicksale jener Menschen, die hinter diesen Fakten lebten. Mächtig, arm, reich, gebieterisch, versklavt, mutig, feig, diplomatisch, listig, klug, politisch, weitsichtig, gläubig, demütig, fromm, abergläubisch, rachsüchtig. Ein Spektrum der Menschheit, oft eingepfercht in ein einziges Menschenleben. In den Werken, die unsere Vorfahren hinterlassen haben, wenn auch oft nur mehr torsoartig für uns sichtbar, zeigen sie uns die Schicksale, die es zu bewältigen galt. Wer Geschichte unter dem Aspekt des Lernens von Daten erfaßt, erlebt die Geschichte anämistisch - blutleer, blaß, fahl, langweilig. Derjenige jedoch, der versucht, die Zusammenhänge, die auferlegten Zwänge, die menschliche Neigungen zu verstehen, mitzutrauern, mitzuklagen, mitzukämpfen, dem tritt die Geschichte unserer Vergangenheit, deren kleiner Teil auch wir sind, ganz anders entgegen.

Geschichte, und wenn sie noch so alt ist, muß leben, muß lebendig erhalten werden. Während die Fakten als Orientierung dienen, steht die Geschichte meist für Lebendigkeit. Legenden haben sich immer hartnäckiger in das Gedächtnis des Volkes eingeprägt als endlose Zahlenkolonnen. Zugegeben: das eine kommt ohne dem anderen nicht aus. Wer es aber nicht versteht, sich von der Atmosphäre alter Mauern, alte Räume und Höfe einfangen zu lassen, sondern nur versucht, Baustile zu eruieren, Jahreszahlen aufzuzählen, Namen zu memorieren, wird mit weniger nach Hause fahren, als jener, der die verdichtete Atmosphäre der vergangenen Jahrhunderte, in deren die einzelnen Freudens- und Leidensgeschichten eingebettet sind, in sich aufnehmen kann und der nachfolgenden Generation sein Wissen und seine Gefühle weiterschenkt.

   

Das erste Mal St. Paul
In dieser verdichteten Atmosphäre wurde ich eingefangen, als ich zum erstenmal aus dem Zug, der langsam der trägen und vom gleißenden Sonnenlicht durchfluteten

 

Lavant entlang fuhr, plötzlich das Stift St. Paul erblickte. Stumm, mächtig, ehrwürdig, ragt es auf einem Hügel inmitten der Gemeinde. Fast tausend Jahre hat es, umgeben von den St. Pauler Hausbergen – dominiert jedoch von den noch verschneiten Karawanken – hat es seine abwechslungsreiche Geschichte getragen. Wir halten den ersten Augenblick mit unserer Kamera fest.


Es ist der Beginn eines kurzen Kärnten-Aufenthaltes, der uns nach St. Paul führt, um das Stift und die wahrscheinlich größte Bibel-Ausstellung Europas zu besichtigen.


Mit viel Wissen und Begeisterung führt uns Anna Hoffmann vom Austrian Imperial Service durch die klösterliche Anlage und mit Spannung warten wir auf die Begegnung mit Mag. Gerfried Sitar, dem Benediktiner-Pater, der für das Ausstellungszentrum im Stift verantwortlich zeichnet. Es bedarf keiner geheimnisvollen Einweihung – allein durch die nahezu greifbare Ruhe inmitten der ehrwürdigen Mauern eröffnet sich das Mysterium des Stiftes. Leiser Gesang klingt aus der Basilika, leises Pätschern eines Brunnens und Vogelgezwitscher sind wohl geeignet, in sich hineinzuhören. Gerade zu Ostern sollte man in sich gehen – am Weg des Leidens bis hin zum freudigsten und glückseligsten Punkt jedes Christen, der Auferstehung – wieviel Glauben, wieviel Hoffnung liegt im diesem höchsten Fest der katholischen Kirche!


Die Geschichte des Stiftes St. Paul
Die Geschichte des Stiftes St. Paul reicht über 900 Jahre zurück bis ins Jahr 1091, als die Grafen von Spanheim das erste Kloster gründeten und damit dem Vorbild der großen Landesfürsten der damaligen Zeit folgten, nämlich Begräbnisstätte für sich und ihre Nachkommen zu schaffen. Und so haben sie das auch in St. Paul getan und haben die ersten Mönche aus Hiersau nach St. Paul berufen. Es waren Benediktinermönche, die hier mit dem Leben nach den Leitsätzen des Ordensvaters „ora et labora“ begonnen haben.


Die Geschichte erlebte, zunächst im Mittelalter einen Höhepunkt, nachdem sehr viele Ländereien zum Kloster dazukamen und sich so der über weite Teile Kärntens, der Steiermark, Friauls und sogar des niederösterreichischen Raumes Niederösterreichs erstreckte. Diese Ländereien waren die Grundlage damit die Mönche hier leben konnten. Sie rodeten die Wälder, begannen anzubauen, Land- und Forstwirtschaft zu betreiben und bestritten so ihren Lebensunterhalt. Sehr früh gab es in St. Paul auch schon eine Schule und der berühmteste Schüler dieser Anstalt war der Mediziner Paracelsus, der hier seine ersten Ausbildungsjahre genossen hat und wie er selbst schreibt, „bei den schwarzen Mönche Latein gelernt“ hat.
   

Es kam aber dann auch eine sehr schwierige Zeit, vor allem in der Renaissance, wo das Kloster unter dem Abt Ulrich von Pfinzing einen Tiefgang erlebt hat.

 

Der hatte als weltlicher Generalschatzmeister Kaiser Maximilians das Kloster übernommen, aber bald auch zugrunde gewirtschaftet. Die Mönche haben ihn vertrieben – was aber zurückblieb, war eine sehr marode Wirtschaft, und so mußte man sich in den nächsten Jahren darum kümmern, das Kloster wieder hoch zu bekommen. Der aus Schwaben stammende Abt Hyronimus Marchstaller führte das Kloster wirtschaftlich und personell wieder zur Blüte, weshalb man ihn auch als zweiten Gründer der Abtei bezeichnet.


In dieser Zeit des Barocks erlebte das Kloster einen neuen Aufschwung, die Gebäude wurden wieder hergerichtet, die mittelalterliche Klosteranlage wurde restauriert, umgebaut und letztlich zu einem barocken Kloster umgestaltet, das sich am Vorbild des spanischen Escorials orientierte. Der zweite Nachfolger Hyronimus Marchstallers, Albert Reichert, ließ 1683 die prächtige Bibliothek erbauen und hatte eigentlich den Plan, das Kloster so groß zu gestalten, daß es seinesgleichen in Österreich suchen sollte. Allerdings machten der 30jährige Krieg und die damit verbundenen Kriegsabgaben einen strengen Strich durch die Rechnung des Abtes, der sich mit einem kleineren Gebäude zufrieden geben mußte. So ist die Bibliothek, wie wir sie heute sehen, auch keine große Schaubibliothek, wie zum Beispiel in Admont oder Melk, sondern ein kleiner Raum geblieben, der mit fünfzehn Meter Länge dennoch den gewaltigsten Bücherschatz einer klösterlichen Bibliothek in Österreich beherbergt.
   

Die Geschichte führt dann weiter in die Zeit Josephs II., wo bekanntlich in Österreich sehr viele Klöster dem Zugriff des Kaisers zum Opfer gefallen sind. So auch

 

St. Paul, das 1787 aufgelöst wurde und erst Jahre später, 1809, gelang es den Mönchen aus St. Blasien im Schwarzwald, wieder neues benediktinisches Leben zu beginnen.


Der damalige Fürst Abt Berthold Rottler kam mit 45 seiner Mönche nach St. Paul und errichtete die Abtei neu. Ihm ist es auch zu verdanken, daß als wirtschaftiche Grundlage eine reiche Dotation des Klosters begründetete und so weite Ländereien heute noch zum Kloster gehören. Und auch heute noch die Lebensgrundlage der hier lebenden Benediktinermönche bildet.


1940 wurde das Kloster erneut aufgehoben aber schon 1945 konnten die Mönche wieder einziehen und dem damaligen Abt Paulus Schneider ist es zu verdanken, daß das Kloster eine neue Blüte erlebte, die bis heute dauert und fortgesetzt wird, indem das Kloster eine kurze Durststrecke erlebte, sich heute aber sehr regen Zulaufs erfreut. Einige Junge haben sich der Klostergemeinschaft angeschlossen und wollen das ererbte Gut, das „ora et labora“ des Hl. Benedikts, auch in das 3. Jahrtausend forttragen.


Grundlage der Sammlung
Die Geschichte des Klosters ist ja eng mit St. Blasien verwoben, nachdem die Mönche 1809 nach St. Paul gekommen sind, haben sie natürlich nicht leere

Hände mitgebracht, sondern sie haben die großen Kostbarkeiten von dieser einst reichsten deutschen Abtei mitgebracht. So verfügt das Kloster St. Paul heute über eine der reichsten Kunstsammlungen Österreichs und über die bedeutendste private Bibliothek, die es im österreichischen Raum gibt, in einem Atemzug mit der Nationalbibliothek in Wien erwähnt wird. Bestände dieser alten Bibliothek sind beispielsweise das älteste handgeschriebene Buch Österreichs aus dem 5. Jahrhundert und das älteste Druckwerk Gutenbergs aus dem Jahre 1450, das als Vorläufer der berühmten Gutenbergbibel gilt. Die Gutenbergbibel selbst mußte, aufgrund einer weltwirtschaftlichen Krise, die auch vor dem Stift nicht halt machte, verkauft werden. Mit dem Erlös konnten damals die Dächer und das gesamte Klosterareal restauriert und renoviert werden.


Die erste Ausstellung
Die Darstellung der Geschichte des Klosters hat 1991 mit der großen Landesausstellung „Schatzhaus Kärntens“ begonnen. Damals wurde auch der Grundstein für ein international anerkanntes Ausstellungszentrum gelegt. Und mit diesem Austellungsfluß konnten jedes Jahr zahlreiche verschiedenen Austellungen gestaltet werden, die sich immer wieder verschiedenen Themen zuwendeten. Nach einer Barockausstellung, einer Ausstellung über das Mönchtum, einer Ausstellung, die sich den Schätzen Europas widmete, eine Ausstellung über Tischkultur und eine über die Habsburger, widmet sich das Ausstellungsareal heuer dem Thema „Bibel“.


Die Bibel
Das Jahr 2003 wurde im deutschsprachigen Raum als Jahr der Bibel ausgerufen und so haben sich die Mönche des Stiftes St. Paul entschlossen, eine Chronologie der Heiligen Schrift, des Buches der Bücher, zu gestalten. Beginnend bei Adam und Eva, den Ureltern, die sich im Spiegel der Naturwissenschaft finden, die Erzählung geht weiter über die Patriarchen, die ersten Väter, die Sintflut, das große Geschehen, das damals die Menschheit bewegt hat, über das Exil des Volkes Israel in Ägypten, wo das Volk ursprünglich als ein gleichberechtigtes Volk behandelt wurde, später aber in Sklavschaft geriet, und dann durch Moses herausgeführt wurde, wie das Buch Exodus schildert – auch das wird in der Ausstellung gezeigt. Die Höhepunkte, die das Volk Israel erlebt hat, als es eigene Könige wählte und in den Personen von Salomon und David diese gefunden hat, werden geschildert. Der Dienergang und das babylonische Exil beschließen den ersten Teil der Ausstellung, die über 21 Räume reicht und etwa 1200 Exponate zeigt.


Der zweite Teil wird eröffnet mit der Geschichte des Volkes der Römer. Die Römer hatten in unseren Breiten ja sehr wesentlichen Einfluß, der Großraum Kärnten gehörte damals schließlich zur römischen Provinz Noricum. Und die Römer waren es auch, die letztlich das Christentum nach Kärnten brachten. Aber zunächst waren die Römer Feinde des Christentums. Wir wissen das aus der Geschichte und so erzählen das auch die vier Evangelien. Sie erzählen aber auch die Geschichte Jesu von den Anfängen, von der Geburt, von seinem Wirken bis hin zu seinem Tod am Kreuz und – „wer es glaubt, der wird selig“, so heißt eine Ausstellung in Niederösterreich – und wer glaubt, der weiß auch, daß es eine Auferstehung gab, und nach dieser Auferstehung lebt der christliche Glaube. Und lebt letztlich auch die Ausstellung.


Dem Besucher werden die erste Zeit des jungen Christentums, die Apostelgeschichte, das Aufkeimen des Christentums auch in unserer Gegend gezeigt. Die Römer brachten den Glauben nach Kärnten; Es entstehen die ersten Basiliken, die ersten Kirchen; es entstehen die ersten sozialen Hilfswerke – und daraus ergibt sich auch eine eigene Kunstrichtung.


Die Kirche war ja immer ein großer Förderer der Kunst und so verdanken wir heute wohl die meisten Kunstwerke auch der Grundthematik der Bibel. Das wird auch in dieser Ausstellung aufgerollt.


Die Ausstellung im Stift St. Paul ist vom 4. Mai bis 29. Oktober 2003 geöffnet und bietet einen bunten Querschnitt durch diese sehr vielschichtige Geschichte eines Buches, das als das „Goldene Buch“ oder als „Das Buch der Bücher“ bezeichnet wird. Heute würde das salopp „Bestseller der Bestseller“ heißen. Und das ist sie auch, die Bibel. Dem wird auch ein eigenen Themenbereich der Ausstellung gewidmet, nämlich in der Verquickung des alten Wortes mit neuen Medien transparent gestaltet für eine neue Gesellschaft. Und so soll die Bibel kurz auf den Punkt gebracht werden: Ein Buch, das aus dem Gestern im Heute für das Morgen lebt.


Eine kurze Einstimmung auf die Ausstellung
Was wir hier versuchen in Worte zu fassen, kann nicht viel mehr, als Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Lust auf einen Besuch dieser Ausstellung zu machen. Wir können auf keine Details eingehen, sondern nur Stimmung und, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, „Highlights“ anzusprechen.
   

Im ersten Stock eines großen Seitentraktes, der – den dort aufbewahrten Kunstschätzen entsprechend – bestens elektronisch gesichert und überwacht ist, wurden, wie erwähnt, 21 Räume zur Darstellung adaptiert. Jeder dieser Räume ist in verschiedenen, den führenden Raumthemen entsprechenden Farben gestaltet. Gleich im ersten Raum erleben wir eine Inszenierung, die uns auf das einstimmt, was uns noch erwarten wird: Ein riesengroßer Bergkristall, vorsichtig geschätzt 40 oder 50 Zentimeter im Quadrat und an der höchsten Stelle vielleicht 40 Zentimeter hoch, wird von ausgeklügelt gesetzten Halogen-Spots illuminiert. In dem ansonsten dunklen Raum wirkt dieses Spiel des Lichts faszinierend. Es soll, so erklärt uns Pater Gerfried, das Urlicht, das Licht der Schöpfung, zum Ausdruck bringen. Obwohl es ist nicht möglich ist Gott darzustellen, auch wenn es über Jahrtausende ebenso tausendfach versucht wurde, kommt man der Stimmung hier in St. Paul sehr nahe: Eine reine Form der Schöpfung, also der Bergkristall, leuchtet aus sich selbst. So wie Gott in der Schöpfung leuchtet.


Adam und Eva, deren Darstellung mit einer goldenen Schlange zu sehen ist, leitet im nächsten Raum die chronologische „Auffädelung“ der ersten Menschen ein. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes ist – gewissermaßen im Spiegel dazu – die früheste Geschichte aus naturwissenschaftlicher Sicht beleuchtet: die Urgesteine, das Werden der ersten Reptilien, der erste Mensch, verdeutlicht in der Gegenüberstellung des Schädels eines Neanderstalers mit einer kunstvollen Darstellung anatomische Schädelstudie aus Elfenbein, die ins 18. Jahrhundert datiert wird.


Es folgt die Darstellung der ersten Patriarchen von Abraham bis Isaak. Wuchtige Gemälde von Kremser Schmidt (hieß eigentlich Martin Johann Schmidt, wurde 1718 in Krems geboren und starb 1801 in Stein) unterstreichen deren gewaltige Stellung. Die Mitte dieses Raumes wird von einer recht eigenwilligen, turmförmigen Vitrine dominiert, die tönerne und steinerne Götzenidole zeigt.


Die Geschichte Josefs in Ägypten – der „Verkauf des Josef“, die „Deutung des Traumes des Pharao“ und „Josef und seine Brüder“ und „Josef als der zweite Mann von Ägypten“ leiten die Geschichte des Volkes Israel ein. Es erlebt die Kultur der Ägypter, die hier in Form der Mumie einer ägyptischen Prinzessin aus dem 1. Jahrtausend vor Christus und einiger anderer Exponate in einer nachempfundenen Pyramide dargestellt wird, die ja die ägyptische Kultur schlechthin symbolisiert.


Ein Original Beduinen-Zelt bringt die damalige Lebenskultur der Israeliten als Nomadenvolk zum Ausdruck. Wie wir aus der Geschichte kennen, hat ja die Wanderung durch die Wüste nach dem Exodus vierzig Jahre gedauert, ehe man sich schließlich im Land Kanaan niedergelassen hat.


Der nächste Raum, den wir besichtigen können, beeindruckt auch, wenn man kein Büchernarr ist. Es ist, wie Pater Gerfried nochmals erklärt, keine typische Schaubibliothek wie man sie aus Admont, aus Göttweig oder aus Kremsmünster kennt. Es ist vielmehr eine „Speicherbibliothek“, die ursprünglich als Provisorium konzipiert war. Ein Blick in die Pläne macht deutlich, daß eine lange Bibliothek mit über 70 Meter Länge geplant war. Wegen allzugroßer Kriegsabgaben konnte dies, wie eingangs bereits erwähnt, verwirklicht werden. So hat man kurzerhand den Empfangsraum des Abtes als Bibliothek konzipiert, der von einem Gemälde aus 1683 überspannt wird. Wolfgang Fellner hat dieses Gemälde, das die beiden Hemisphären darstellt, geschaffen, das im Umland einzigartig ist und sich Anleihen am Palazzo Farnese in Rom holte (auch die päpstliche Privatkapelle ist mit ähnlichen Malereien ausgestattet). Heute sind in diesem Raum etwa 60.000 Bücher untergebracht, die bei weitem nicht dem Gesamtbestand der Bücher im Stift St. Paul entsprechen (die Bücher sind auf fünf Bibliotheken verteilt).


Der Thron Salomos steht – ein paar Jahrhunderte, aber nur wenige Schritte entfernst – zentral im nächsten Raum und soll die Königsherrschaft Israels zum Ausdruck bringen. Der Wunsch, einen eigenen König zu haben, hat sich des Volkes bemächtigt und so wurde Saul von Samuel als erster König gesalbt. Saul ist dann in der Schlacht gefallen, sein Nachfolger wurde David, der wohl berühmteste König Israels, dem wir auch einen Teil unserer Psalmengesänge verdanken. Der Abstieg des Volkes Israel wird ansatzweise dokumentiert, seine babylonische Gefangenschaft, die Deportation durch Nebukadnezar, das Volk war entrechtet und hat letztlich wieder einen Aufstieg erlebt. Das Volk ist wieder zurückgekehrt und konnte sich wieder im eigenen Land etablieren. Es hat aber nie mehr diese Größe und diese Bedeutung erlangt, die es ehemals hatte.
   

Ein eigener Raum widmet sich dann dem jüdischen Volk und der jüdischen Religion. Zum besseren Verständnis werden die fünf großen jüdischen Festen dokumentiert und in eigenen Abteilungen eine sehr eindrucksvolle Schau geboten, wie im jüdischen Glauben gefeiert wird. Man erkennt schließlich, wie wenig sich das Jüdische vom Christlichen unterscheidet.


Der nächste Schritt in der Geschichte wendet sich dem Aufstieg des römischen Volkes zu. Es wird die Legende von Romulus und Remus erzählt, die von einer Wölfin gezeugt wurden, dann der Aufstieg des Volkes hin zur Weltherrschaft unter den berühmten Kaisern, die durch Kriege – oftmals erfolgreich – versucht haben, ihr Terretorium massiv zu erweitern. Was – bekanntermaßen – mit dem Zerfall des römischen Reiches geendet hat. Das Christentum hat das römische Reich überlebt. Wer hätte das damals wohl gedacht?


Über ein Multi-Media-Erlebnis „Jesus von Nazareth“ gelangt man zum „Wirken Jesu“. Johannes der Täufer tritt in der Wüste auf und bereitet, wie er selbst sagt, dem Herrn einen Weg. Es wird die Hochzeit von Kanaan, das erste Wunder, das Jesu gewirkt hat, geschildert und damit gewissermaßen der erste Auftritt Jesu in der Öffentlichkeit.


Die Geschichte der letzten Tage Jesu, den Verrat, das letzten Abendmahl, die Gefangennahme Jesu und schließlich seine Verurteilung sind Thema des nächsten Raumes. Durch sehr kraftvolle Exponaten wird versucht, diese wichtige Geschichte oder wichtigen Stationen im Leben Jesu zu schildern, die auch letztlich zur wichtigsten Begebenheit innerhalb des Christentums und zur zentralen Glaubensgeschichte wurde.


Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist das „Reichskreuz Rudolfs von Schwaben“, das mit Sicherheit zu den bedeutendsten Kulturschätzen des deutschsprachigen Raumes zählt. Dieses Kreuz stammt aus dem 11. Jahrhundert und gehörte Rudolf von Reinfelden, der von der päpstlichen Partei als Gegenkönig im Investiturstreit zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. aufgestellt wurde. Dieses Kreuz ist im übrigen das Gegenstück des Reichskreuzes in der Wiener Schatzkammer und das bedeutendste und wertvollste Objekt dieser Ausstellung. Es ist darüber hinaus auch das wertvollste Stück der Sammlung des Stiftes – und daher auch in allen Ausstellungen präsent. Seine Rückseite wurde im 12. Jahrhundert im Kloster St. Blasien gestaltet und zeigt Christus als den Weltenherrscher und die vier ihn umringenden Evangelisten.
   

Der nächste Raum, das „heilige Grab“, vermittelt einen meditativen Charakter: Der Tod als Element des Lebens ist in jedem Leben präsent und mag auch ein wenig nachzudenken geben, daß er etwas ist, womit wir Leben müssen. Für den Glaubenden gibt es nach dem Tod die Auferstehung – und das soll dieser Raum zum Ausdruck bringen. Tod und Auferstehung, Leben und Sterben. Sehr eng miteinander verbunden.


Für die Auferstehung stehen glanzvolle Exponate, wie eine gotische Turm-Monstranz und zahlreiche, sehr wertvolle Handschriften. Ein Elfenbeinrelief der jüngeren Metzer Schule aus dem 9. Jahrhundert rundet die Kostbarkeiten dieses Raumes ab.


Der nächste Bereich schildert den Anfang des Christentums, die junge Kirche, die Apostel, die sich, gleichsam als Missionare, aufgemacht haben, um Zeugnis zu geben von der Auferstehung. Die hinausgezogen sind in die Welt, um den Auftrag Jesu zu erfüllen: „Geht hinaus in alle Welt, lehret sie und taufet sie. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Die Zentralfigur stellt hier Hyronimus, der als erster die Bibel aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt hat, die berühmte Vulgata und damit auch einen breiteren Zugang geschafft hat. Die Bibel wurde ja in sehr viele Sprachen übersetzt. Die älteste deutsche Bibel, die „Ottheinrich-Bibel“ (wird auch die „Königin der deutschen Bibeln“ genannt), wurde als Leihgabe in die Ausstellung aufgenommen. Aber auch eigene Objekte sind zu sehen, wie zum Beispiel einer der frühesten Drucke von Anton Koberger aus Nürnberg, der hier in zweifacher Ausführung zu sehen ist.


Der letzte Raum der Ausstellung ist dem jungen Christentum gewidmet, als es in Kärnten aufgekeimt ist, wie man die ersten Kirchen gebaut hat, wie das Volk letztlich christlich geworden ist. Und wie diese Tradition, die mit Adam und Eva begonnen hat, in die Zukunft hinaus getragen wird.


Beindruckt von der Fülle der Geschichte, auch wenn eine zumindest gleiche Menge an Daten und Jahreszahlen auf mich „hereingeprasselt“ ist, beende ich die Reise durch Jahrtausende, die wohl ein wenig aufgewühlt hat. Ein kurzer Aufenthalt in den ruhigen Höfen des Stiftes läßt mich das Erlebte, Gesehene, Aufgenommene ein wenig ordnen, dann ein tiefes Durchatmen: Trotz der vielen Namen, Fakten, Ereignisse, tritt mir die Geschichte heute ganz anders entgegen.
     
     
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