Verborgenes wiederendeckt   

erstellt am
28. 05. 06

     

 
Das Stift Klosterneuburg erstrahlt in neuem Glanz – unvollendeter barocker Bauteil ist als neuer Eingangsbereich erstmals zugänglich
Am 6. Mai 2006 war die unvollendete "Sala terrena" zum allerersten Mal als neuer Eingangsbereich für Besucher zugänglich. In einem zeitgemäßen und besucherfreundlichen Ambiente lädt das Stift Klosterneuburg nun alle Kunst- und Kulturinteressierten ein, das Entstehen der barocken Pracht in allen Bauphasen 300 Jahre nach dem Bau mitzuerleben. Weitere Schwerpunkte anläßlich der Eröffnung sind: die Neuaufstellung herausragender Werke mittelalterlicher Kunst als permanente Präsentation im ehemaligen Refektorium der Chorherren und eine Schau, die das Leben und die Aufgaben der Augustiner Chorherren des Stifts Klosterneuburg, seine Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Persönlichkeiten über die Jahrhunderte bis in die Gegenwart darstellt. Anläßlich der Neueröffnung hat das Stift Klosterneuburg als ältestes und größtes Weingut Österreichs auch für alle Weinliebhaber sein bereits umfassendes Angebot erweitert.

Kunstschätze des Mittelalters
Das Stift Klosterneuburg besitzt eine für Europa einzigartige Sammlung der Kunst nach 1330. Die meisten dieser Kunstwerke


Atlant in der Sala terrena (erbaut zwischen 1735 und 1739) Lorenzo Mattielli (1688-1748) Copyright: Stift Klosterneuburg / Jürgen Skarwan, 2004
wurden für das Stift geschaffen und haben das Haus seither nie verlassen. Nun sind erstmalig neben dem wohl bedeutendsten Kunstwerk des Mittelalters, dem Verduner Altar von Nikolaus aus Verdun (1130-1205), weitere ausgewählte Kunstobjekte in einer permanenten Präsentation im mittelalterlichen Refektorium, dem ehemaligen Speisesaal der Chorherren, zu bewundern. Gezeigt werden ausgewählte Werke wie u. a. die Rückseiten des Verduner Altars, die Klosterneuburger Madonna, Apostelfiguren aus der nicht mehr existierenden Capella speciosa und Fragmente der Glasmalerei aus dem Kreuzgang - in einem neuen Präsentationskonzept, das von driendl*architects gestaltet wurde.

Unvollendeter Barock
Mit der Neueröffnung ist der unvollendete barocke Bauteil des Stifts Klosterneuburg als neuer Eingangsbereich für die Öffentlichkeit erstmals zugänglich. Auf unverwechselbare Weise wird für den Besucher die barocke Pracht in allen Bauphasen 300 Jahre nach dem Bau neu erlebbar: vom rohen Mauerwerk der Chorherrenstiege über das kalte Weiß der Kaiserstiege bis hin zur triumphalen Farbenpracht der Kaiserzimmer und des Marmorsaales. 1730 wurde der Barockbau des Stiftes begonnen. Kaiser Karl VI. (1685-1740) wollte den weltumspannenden Anspruch des Hauses Habsburg nach dem Vorbild des spanischen Escorials dokumentieren und eine gewaltige Klosterresidenz schaffen.

Doch 1740 starb der Kaiser plötzlich und seine Tochter und Nachfolgerin Maria Theresia hatte kein Interesse, den ambitionierten Bau zu vollenden. Ebenso wenig wie die Klosterneuburger Chorherren, auf deren Kosten die barocke Pracht entstehen sollte. Fertig gebaut wurden nur: der Marmorsaal, die Kaiserstiege und schließlich auch der Kaiserhof, dessen Trakte rund hundert Jahre später fertig gestellt Kaiserstiege (die jetzige "Chorherrenstiege") zur "Sala terrena", dem Riesensaal. In diesem Raum hatte zwar Hofbildhauer Lorenzo Mattielli (1688-1748) die tragenden Atlanten geschaffen, doch sonst existierte nur das nackte Mauerwerk aus Ziegeln, die zu Millionen das Fundament des Barockbaues bilden. Die Sala terrena wurde nie vollendet und diente jahrzehntelang als Kartonagenlager des stifteigenen Weingutes. Andere barocke Anlagen wurden verbaut, Büros geschaffen und Räume abgemauert. Jetzt sind sie zurückgebaut und in barocken Dimensionen erstmals erlebbar.

Eindrucksvoller Besucherempfang
Im Zuge der großangelegten Restaurierungssarbeiten wurde gemeinsam mit dem Bau der Tiefgarage und der Biomasse-Fernheizung des Stifts Klosterneuburg auch ein neuer Besucherempfang geschaffen. Dieser führt durch die "Sala terrena". "Das Besondere an der Um- und Neugestaltung der ,Sala terrena' ist", so Wirtschaftsdirektor Leopold Nußbaumer, "die Vollendung eines Teils der barocken Planung in einem an unsere Zeit und unsere Bedürfnisse angepaßten Ambiente. Architekt Georg Driendl gelang es, die in der ursprünglichen Barockplanung vorgesehene raffinierte Lichtführung herzustellen und mit den modernen Einbauten und der heutigen Technik zu kombinieren." In der "Sala terrena" wird der Besucher empfangen, wo er auch einen Shop vorfindet und alle Nebenräume, die für eine moderne Ausstellungsinstitution notwendig sind wie Garderoben und ein Kaffeehaus mit großer Aussichtsterrasse.
     

Das wohl bedeutendste Kunstwerk des Mittelalters: der Verduner Altar von
Nikolaus aus Verdun (1130-1205)                             Foto: Stift Klosterneuburg

   

Spannende Einblicke ins Klosterleben
Von hier aus gelangt der Besucher zur bisher verschlossenen Chorherrenstiege, wo eine umfassenden Schau über das Stift Klosterneuburg informiert, sowie über seine religiösen Grundsätze und Persönlichkeiten, die mit der Entstehung und der Geschichte des Stifts untrennbar verbunden sind - wie u. a. der Stiftgründer Markgraf Leopold III. (1073-1136), Kaiser Karl VI. (1685-1740), die Pröpste Floridus Leeb (1731-1799), Joseph Kluger (1865-1937), Friedrich Gustav Piffl (1864-1932), Georg Müstinger (1418- 1442), die Chorherren Pius Parsch (1884- 1954) und Roman Karl Scholz (1912-1944) der derzeitige Bischof von Oslo und ehemalige Novizenmeister und Chorherr Markus Bernt Eidsvig (geb. 1953). Die Bedeutung des Stifts Klosterneuburg für die Geschichte Österreichs und Niederösterreichs und das Engagement der Augustiner Chorherren in verschiedensten Bereichen Kunst und Wissenschaft, Wirtschaft und Soziales sowie Seelsorge und Liturgie sind weitere Themen, die in dieser Schau am Beispiel von originalen Textquellen, Objekten und Bildmaterial dokumentiert werden. Konzipiert wurde die Schau vom international bekannten Museumsplaner Dieter Bogner gemeinsam mit dem Kultur-Team des Stifts Klosterneuburg.

Auf den Spuren des Weins
Mit seiner nahezu 900-jährigen Tradition ist das Weingut des Stifts Klosterneuburg das älteste und größte in Österreich. Auf über 100 Hektar erstrecken sich in einigen der besten Lagen Österreichs die Weingärten des Stifts: In der Weinbauregion Donauland die Rieden in Klosterneuburg und in Wien mit den Weingärten am Kahlenberg und Nußberg. Dazu kommen in der Thermenregion Gumpoldskirchen und Tattendorf umfangreiche Rebanlagen. Im Zuge der Neueröffnung hat das Stift Klosterneuburg für interessierte Besucher einen neuen "Weinkultur- Weg" konzipiert, der auf stimmungsvolle und informative Weise unter Beweis stellt, daß "Genuß" auch eine Kunst ist. "Der Weinkultur-Weg", der die Kunst- und Weingenießer in die Geschichte des Weingutes und die aktuelle Weinerzeugung einführt, lädt im Anschluß zu einer Weinprobe in die Vinothek ein. Neben den bisher gebotenen Gruppenführungen sind ab der Neueröffnung täglich unter dem Motto "Der Kellerblick" auch Kellerführungen für Einzelpersonen möglich.

Themenorientierte Führungen
Das engagierte Kultur-Team des Stifts Klosterneuburg hat ein breitgefächertes Anbot an Führungen entwickelt. Themenführungen erschließen dem Besucher die wichtigsten Bereiche des Stiftes: "Der Sakrale Weg" vermittelt das geistliche Erbe und die wichtigsten mittelalterlichen Kunstschätze. "Der Imperiale Weg" widmet sich dem gigantischen Bauprojekt Kaiser Karl VI., das Stift Klosterneuburg zu seiner Residenz auszubauen; "Der Weinkultur-Weg" leitet den Besucher durch die Jahrhunderte alte Tradition des ältesten und größten Weingutes in Österreich; ergänzt werden die einstündigen Themenführungen mit den vertiefenden Rundgängen: "Das Mittelalter", "Die Kaiserappartements" und "Der Kellerblick".


Die Volksseite des Verduner Altares (Foto: Stift Klosterneuburg)


Für die Kleinsten zum Mitmachen
Mit der Neueröffnung bietet das Stift Klosterneuburg neben einem vielfältigen Programm von Führungen für Erwachsene ein eigenes Kinderatelier an, das in Kooperation mit dem ZOOM Kindermuseum entwickelt wurde. Das Kinderatelier dient Kindern ab fünf Jahren als Basisstation für ihre Entdeckungsreisen durch die verschlungenen Gänge und prunkvollen Räume des Stifts. Von erfahrenen Kunstvermittlern und Künstlern betreut lernen sie die verschiedenen Techniken und Materialien der ausgestellten Kunstschätze kennen und können selbst kreativ tätig sein. Jeden Sonntag findet von 14 bis 16 Uhr das Sonntagsatelier mit einem themenbezogenen Rundgang durch das Stift und anschliessendem kreativen Gestalten statt.
   

»Sala terrena« Einrichtungskonzeption »driendl*architects«

Kulinarisches für kleinen und großen Hunger
Neu ab Mai findet der Besucher im "Café Escorial" mit dem Ambiente eines Wiener Kaffeehauses Süßes und Pikantes für den kleinen Hunger. Das "Café Escorial" ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Wer sich von Haubenkoch Gerald Höhenberger verwöhnen lassen möchte, besucht das komplett neu restaurierte "Restaurant Schüttkasten". Dort verstärkt der ehrgeizige Koch mit internationaler Erfahrung, der u. a. bei den bekannten Kochkollegen Karl Eschlböck und Heinz Winkler in Aschau tätig war, das Team von e-Catering. Aufgetischt werden Speisen aus der bürgerlichen und regionalen Küche in einem fairen Preis-Leistungsverhältnis. Neben ausgezeichnete Weinen aus den stifteigenen Kellereien werden auch internationale Spitzenweine serviert. Für das Interieur, das mit viel Liebe zum Detail gestaltet ist, zeichnet id-gastro verantwortlich. Das auf Gastro-Einrichtung spezialisierte Unternehmen hat den ehemaligen, aus dem 17. Jahrhundert stammenden Getreidespeicher zu einem attraktiven Anziehungspunkt im Stift Klosterneuburg gemacht. Das Restaurant Schüttkasten ist täglich außer Montag von 11 bis 22 Uhr geöffnet.

Bewegte (Kultur)Massen
Im Zuge der Neugestaltung konnte das Stift Klosterneuburg zusätzliche Präsentationsflächen von 5200 m² schaffen. Mit der Gesamtrenovierung des Schüttkastens mit Restaurant, Stiftskeller und Seminarbereich kommen noch weitere rund 2600 m² Innenraumfläche dazu. Die neue, naturnahe Gestaltung der Gartenanlagen vor dem neuen Besucherzugang erstreckt sich über rund 15.000 m²: Dort blühen im Mai 2006 15.000 Tulpen. Danach wird die Gartenanlage je nach Saison in verschiedenen Farben erblühen. Die Investitionen des Stiftes für das Gesamtprojekt betragen 33 Millionen Euro.

http://www.stift-klosterneuburg.at
Diesen Artikel finden Sie auch im "Österreich Journal" pdf-Magazin, Ausgabe 036
     
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