»Meine Arbeit in Armenien«
Prof. Günter Peter aus dem niederösterreichischen Scheibbs arbeitet ehrenamtlich an der Neuorganisation des Österreichischen Kinderspitals in Gjumri (Armenien). Hier berichtet er über Fortschritt und Pläne.

Dieser Artikel ist am 17. 01. 2003 im »Österreich Journal« erschienen

Ich hatte im März 2001 gerade meine Geschäfte als Kaufmännischer Direktor des Krankenhauses Scheibbs an meinen Nachfolger übergeben,

Österreichisches Kinderspital, errichtet und finanziert von österr. Organisationen

Alle Fotos: Prof. Günter Peter

um auf Urlaub und anschliessend in Pension zu gehen. Gerade zu diesem Zeitpunkt wurde ich vom gemeinnützigen „Verein zur Förderung des Österreichischen Kinderspitals in Gjumri“ gebeten, als ehrenamtlicher Konsulent an der Neuorganisation eines Kinderspitals (ÖKS) in Armenien mitzuwirken.


Mein erster Besuch

Im Mai 2001 besuchte ich zum ersten Mal das ÖKS in Gjumri im Norden Armeniens. Dieses Krankenhaus wurde nach dem schweren Erdbeben von österreichischen Organisationen errichtet und finanziert (Bundesinnung des Baugewerbes, Fachverband der Bauindustrie, Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter, Österreichische Caritas, Armenisch-Apostolische Kirchengemeinde). Die nahezu ausweglose Situation des ÖKS und die materielle Not der Menschen in diesem Land beeindruckten mich sehr. Ich hatte das Gefühl, nicht wegschauen zu dürfen, sondern helfen zu müssen. Seither bin ich drei bis vier Mal pro Jahr (jeweils knapp zwei Wochen) in Armenien.


Das Land

Der junge Armenische Staat kämpft ums Überleben: außenpolitische Probleme (vor allem mit Aserbaidschan), sehr hohe Arbeitslosigkeit,


Straße in der Stadt Gjumri im Norden Armeniens
Auswanderung (vor allem bei den Angehörigen qualifizierter Berufe), enorme finanzielle Schwierigkeiten, die Folgen des schweren Erdbebens im Norden Armeniens.

Massive Mängel bei der Infrastruktur, überwiegend sehr schlechte Straßen, Probleme bei der Energieversorgung (deshalb keine Straßenbeleuchtung), materielle Not im Bildungswesen (teilweise Schichtbetrieb in Containerschulen), zum Teil schlechte gesundheitliche Versorgung und noch vieles mehr. Im Norden Armeniens extrem rückläufige Geburtenrate (1995 gab es noch 2,5 Geburten pro Familie, derzeit nur mehr 1 Geburt).



Das Kinderspital

Die Situation im Kinderspital stellte sich etwa wie folgt dar: Schlechter optischer Zustand des Kinderspitals (das erst im Jahre 1992 eröffnet worden war). Sehr schlechte Auslastung (nur 30 der insgesamt 130 Betten sind belegt!). Keine Medikamente, die Küche ist geschlossen, weil es kein Geld für Lebensmittel gibt. Mangelhafte Beheizung, weil die Energie zu teuer ist.

Medizinische Geräte sind außer Betrieb, weil Ersatzteile oder die notwendigen Verbrauchsgüter fehlen. Die Mitarbeiter werden sehr schlecht bezahlt (15 bis 20 Euro Monatslohn). Der karge Lohn wird mit dreijähriger Verspätung ausbezahlt. Keine Weiterbildung. Schlecht motivierte Mitarbeiter. Es gibt eine einzige Schreibmaschine und keinen Kopierer. Die Ärzte schreiben die Krankengeschichte mit Kugelschreiber. Die (historisch bedingten) autoritären Denkstrukturen behindern weitgehend jede Eigeninitiative der Mitarbeiter.

Es gibt keine Krankenkasse, und der Staat bezahlte (von einigen Ausnahmen abgesehen) die Krankenhausbehandlung nur für Kinder, die nicht älter als drei 3 Jahre sind. Finanziell war das Krankenhaus praktisch konkursreif.
   

Der psychologische Hintergrund

Wichtig war am Anfang, zwischen den (eher mißtrauischen) Mitarbeitern des Kinderspitals und mir Vertrauen zu schaffen. Wir mußten bereit sein, voneinander zu lernen. Ich mußte begreifen, daß ich in einer ganz anderen Welt bin als der, die ich kannte. Ich mußte berücksichtigen, daß die Menschen in Armenien einen anderen kulturellen und politischen Erfahrungshintergrund haben. Ich mußte mir auch bewußt sein, daß noch viele Menschen vom Erdbeben im Jahre 1988 stigmatisiert sind. Zu traumatisch waren die Ereignisse: Es gab 40.000 Tote (unter den damals etwa 200.000 Einwohnern) und doppelt so viele Verletzte. Der Großteil der Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude wurde zerstört.


Was bisher geschah

Zunächst habe ich gemeinsam mit den Mitarbeitern des ÖKS versucht, die Schwachstellen und Probleme zu erfassen und zu analysieren. In der


Andranik, ein Bub im Heim für elternlose Straßenkinder (»Haus der Hoffnung«) in Gjumri
Folge habe ich eine Projektgruppe mit der Aufgabe gegründet, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten und Lösungsansätze für die Umsetzung zu entwickeln. Entscheidend ist auch, daß sich die Mitarbeiter immer mehr in einem kritisch-konstruktiven Dialog mit den Problemen im Spital auseinandersetzen.

Bei den verantwortlichen Politikern der Region Shirak (Gouverneur, Chef der Gesundheitsbehörde) konnte erreicht werden, daß nunmehr auch erwachsene Patienten im ÖKS behandelt werden dürfen. Dadurch ist es möglich, die vorhandenen Krankenbetten besser auszulasten.

Im Wesentlichen konnten bisher folgende Vorhaben verwirklicht beziehungsweise begonnen werden:

  • Positionierung des Kinderspitals als pädiatrisches Zentrum der Region Shirak.
  • Verbesserung des Betriebsklimas (Entwicklung von Visionen, mehr Besprechungen, Bildung von Arbeitsgruppen, offenere Gesprächskultur etc.).
  • Aufbau eines Berichtswesens (Monatsstatistiken über Finanzen, Auslastung, medizinische Leistungen, Energieverbrauch etc.).
  • Verstärkte Kooperation mit anderen Krankenhäusern in Gjumri und Yerevan
  • Mehr Öffentlichkeitsarbeit (Interviews im armenischen Fernsehen und Radio, Berichte in Printmedien, Informationsveranstaltungen).
  • Schulung von Mitarbeitern (Projektarbeit, moderne Betriebsorganisation, Marketing, EDV etc.).
  • Weiterbildung der Mitarbeiter sowohl betriebsintern, als auch extern (in Armenien und auch in Österreich).
  • Verbesserung der Führungsstrukturen (klarere Festlegung der Zuständigkeiten, konkretere Aufgabenabgrenzung).

Mit Spenden finanzierte Projekte

  • Auch mit Hilfe der Spenden, die ich bei meinen Dia-Vorträgen und auch sonst erhalte, konnten einige zusätzliche Projekte im Kinderspital realisiert werden:
  • Die Krankenhausküche wurde nach drei Jahren wieder in Betrieb genommen, weil es möglich war, Lebensmittel anzukaufen.
  • An Patienten und Mitarbeiter des Krankenhauses konnte ich im Vorjahr kurz vor Weihnachten Lebensmittelgutscheine verteilen.
  • Wichtige Medikamente wurden angekauft, um die dringende Behandlung von Kindern zu ermöglichen.
  • Sträucher und Pflanzen sowie Sitzgruppen für den neu angelegten Patientengarten wurden finanziert.
  • Ein EDV-Arbeitsplatz mit Internetanschluß wurde eingerichtet, um die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zu verbessern.


Darüber hinaus konnte ich mit Spenden auch außerhalb des Kinderspitals in einigen Fällen helfen, und zwar:

  • Mitfinanzierung einer überlebensnotwendigen Herzoperation für einen Buben
  • Ankauf von Lehrbehelfen für einige Schulen
  • Finanzierung von Kleidung, Schuhen, Spielsachen und dringend benötigten Gebrauchsgegenständen für das staatliche Waisenhaus und das „Haus der Hoffnung“ (ein Heim für elternlose Straßenkinder).
  • Unterstützung der Projektgruppe der Pädagogischen Hochschule (Germanistik) zur Gründung des Deutschsprachigen Zentrums ÖKS.
  • Dadurch Intensivierung des Deutschunterrichtes für KH-Mitarbeiter und damit bessere Weiterbildungsmöglichkeiten im deutschsprachigen Ausland.
  • Finanzielle Unterstützung von Einzelpersonen (zum Beispiel Ankauf von Schuhen für die drei Kinder einer Witwe).
  • Verteilung von gebrauchten Kleidern und Spielsachen, die ich aus Österreich mitgebracht hatte (Kinderspital, Kinderheime und Schulen.
   

Wie geht es weiter?

Auch in Zukunft sollen mit Hilfe von Spenden bereits begonnene Vorhaben weitergeführt und neue ermöglicht werden. Dazu zählen unter anderem:


Einer meiner vielen Besuche in einem der staatlichen Waisenhäuser

  • Weiterbetrieb der Küche im ÖKS.
  • Ankauf von dringenden medizinischen Verbrauchsgütern (vor allem Medikamente).
  • Anschaffung von Spielgeräten für den Patientengarten des Kinderspitals.
  • Unterstützung von einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter des Kinderspitals.
  • Gesundheitsfördernde Maßnahmen (eine eigene Arbeitsgruppe im Kinderspital befaßt sich mit diesem Thema und erarbeitet Vorschläge dazu).
  • Psychologische Betreuung von Patienten (zum Beispiel bei Tod oder Krebserkrankung eines Kindes) und Mitarbeitern des Kinderspitals.
  • Psychologische Schulung und Betreuung (Supervision) der Mitarbeiter von Waisenhäusern. Sie sind zum Teil noch immer von den traumatischen Erlebnissen des Erdbebens stigmatisiert und von den tristen Lebensumständen demotiviert.
  • Weitere Unterstützung der Waisenhäuser (Kleider, Lebensmittel, Spielzeug, Einrichtung für Therapiewerkstätten etc.).
  • Unterstützung des Deutschsprachigen Zentrums am Kinderspital (Lehrmittel).
  • Unterstützung von Schulen (Ankauf von Unterrichtsbehelfen).
  • Unterstützung von besonders bedürftigen Einzelpersonen (Medizinische Behandlungskosten, Ankauf von Schuhen und der gleichen).
  • Mitfinanzierung von plastischen Operationen von Waisenkindern mit Mißbildungen (Operationskosten, Beistellung von wichtigen Medikamenten).


Öffentlichkeitsarbeit

Seit einem Jahr habe ich etwa 20 Diavorträge gehalten. Der Bogen reicht von Pflichtschule und Gymnasium über Krankenhaus, Gemeinde und Pfarre bis hin zu Lionsclub und Seniorenheim. Weitere Vorträge sind in geplant, wobei sogar schon für November 2003 konkrete Termine vereinbart wurden.

Der Großteil meiner Vorträge verteilt sich auf die Bezirke Scheibbs, Amstetten, Melk und Waidhofen an der Ybbs, aber auch auf Oberösterreich (Linz, Wels, Gmunden etc.), Steiermark (Graz, Kapfenberg) und Tirol (Innsbruck, Reutte). Auch in Deutschland sind einige Vorträge geplant.


Informationsbroschüre

Ich habe in einer kleinen Informationsbroschüre mit Text und einigen Bildern versucht, in kurzer Form über mein Projekt zu informieren. Diese Broschüre verteile ich bei meinen Vorträgen. Ich habe einige hundert Stück mit einem Begleitbrief an verschiedene Personen mit der Bitte um Unterstützung versandt. Darüber hinaus liegt die Broschüre auch bei einigen Institutionen auf.

Presseberichte

Durch einige Berichte in den Printmedien ist mein Armenienprojekt auch einem breiten Publikum bekannt geworden. Das hat sich positiv auf die Spendenbereitschaft ausgewirkt.


Abrechnung der Spenden

Alle Spenden werden auf das dafür eingerichtete Spendenkonto (Sparkasse Scheibbs, 0000-0040899) eingezahlt. Das gilt auch für die Spenden, die ich bei Vorträgen bekomme. Die Hälfte aller Spenden stammt von meinen Dia-Vorträgen, der Rest aus sonstigen Spenden.

Die Spenden werden von mir zur Gänze für Projekte Armenien selbst ausgegeben (bisher etwa 11.000 Euro). Alle Nebenkosten (Bürokosten, Telefon, Fahrtkosten für Vorträge etc.) finanziere ich ausschließlich privat.

Die Abrechnung der Spenden wird von einem beeideten Buchprüfer kontrolliert. 

   

 Persönliche Gedanken

Mein Aufenthalt in Armenien ist auch geprägt von ganz persönlichen Eindrücken.

Vor allem die Begegnung mit den Menschen ist es, die mich oft sehr berührt.

Wie immer ist die An- und Rückreise gleichermaßen beeindruckend und anstrengend: Nachtflug, Fahrt durch das unbeleuchtete Yerevan, zahlreiche Polizeikontrollen, allein nachts mit dem Fahrer und dessen klapprigen Auto über eine 2200 Meter hohe Paßstraße in den Norden des Landes und die Zeitverschiebung.

An der Situation der Menschen in Armenien hat sich im Allgemeinen kaum etwas verändert. Das gilt vor allem für den Norden. Die Armut ist allgegenwärtig und für einen Fremden sehr bedrückend.

Da sind nach wie vor die vielen Häuser, die seit dem schweren Erdbeben im Jahre 1988 zerstört, beschädigt, unbewohnt und verfallen sind. Da ist der Friedhof außerhalb der Stadt, den man angelegt hat, um die Tausenden von Erdbebenopfern begraben zu können. Da sind die vielen Menschen, die auch jetzt noch in Notquartieren (Containern, Blechhütten) leben, die schlecht beheizt und meist ohne Wasser sind.

Da sind die vielen Menschen ohne Arbeit, da sind die Jungen ohne Visionen, da sind die Bettler auf der Straße und da sind auch die tiefgläubigen Menschen in der Kirche, die um Hilfe zu Gott beten.

Da ist der katastrophale Zustand mancher Krankenhäuser, da sind die Patienten, die frieren, weil man kein Geld für die Heizung hat. Da ist die Krankenschwester, die für ihren kargen Monatslohn nur 4 kg Schweinefleisch kaufen kann. Und da ist das kleine Mädchen, das sterben muß, weil es zu wenig Geld für Medikamente gibt.

Da ist die triste Situation an der Universität und an den Schulen, wo im Schichtbetrieb unterrichtet wird und wo es zuwenig Geld für Lehrbehelfe und Heizung gibt.

Da ist die sehr bedrückende Situation in den Waisenhäusern. Da ist der neunjährige Andranik im „Haus der Hoffnung“, dessen Mutter Prostituierte und dessen Vater Alkoholiker ist. Da sind die relativ vielen Kinder mit Mißbildungen. Da ist die Witwe mit ihren drei kleinen Kindern, die die Schule nicht besuchen können, weil sie keine Schuhe haben.

Da ist auch die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Armenier. Da sind die ausdrucksvollen Kinderaugen. Und da sind auch die Menschen, denen ich mit Spenden helfen kann und denen ich auch ein wenig Hoffnung zu geben vermag.

Kontakt

Prof. Günter Peter
Schmelzergasse 19
A-3270 Scheibbs
Telefon: ++43 / (0)664 / 3378065
              ++43 / (0)7482 / 42202
Telefax: ++43 / (0)7482 / 43976
E-Mail: g_peter@gmx.at
Internet: http://www.gpeter.at

Spenden
»Armenienprojekt von Prof. G. Peter«
Spenden-Konto-Nr. 0000-0040899
Sparkasse Scheibbs, BLZ 20257
     
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