Ausgabe Nr. 112 vom 7. Feber 2000

Liebe Leserinnen und Leser!

Abweichend von unserer bisherigen Berichterstattung haben wir uns entschlossen, um a b s o l u t e Objektivität zu wahren, Ihnen diesmal - und nur ausnahmsweise - eine chronologische und unkommentierte Auflistung der Ereignisse rund um die Angelobung der neuen Bundesregierung zu übermitteln.

Zusammenfassung der politischen Ereignisse von Montag, 31. 1. bis Montag 7. 2. 2000

Montag, 31. Jänner:
Abends wurde eine Erklärung der 14 EU-Staaten unter der portugiesischen Rats-Präsidentschaft veröffentlicht, alle bilateralen Kontakte mit Österreich im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verweigern (siehe unsere Nachrichten von ebendiesem Datum).

Dienstag, 1. Februar:
Vormittags wurde in einer Sondersitzung der EU-Kommission in Brüssel beschlossen, daß vorläufig die Zusammenarbeit mit Österreich aufrechterhalten bleibt. Es wird sich nichts an der Arbeit ändern und man will abwarten.

EU-Kommissionpräsident Romano Prodi teilt Bundespräsident Dr. Thomas Klestil telefonisch mit, daß die Arbeit der EU-Gremien nicht betroffen sei und die bestehenden Beziehungen mit den österreichischen Behörden aufrecht bleiben.
Der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) fügt hinzu, die EU-Kommission könne erst handeln, wenn die künftige österreichische Regierung gegen EU-Verträge verstoße.

Auch die USA erwägen Sanktionen und das Weiße Haus schließt sich den Erklärungen des Nationalen Sicherheitsrates der USA an.

Bundeskanzler Klima im ORF-Fernsehen: "Es ist das letzte Mal, daß ich als Bundeskanzler vor Sie trete", und er wendet sich entschieden gegen eine ÖVP-FPÖ-Regierung.

Mittwoch, 2. Februar:
ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel und FPÖ-Chef Jörg Haider berichten Bundespräsident Klestil über ihr Regierungsprogramm, das 100 Seiten umfaßt. Klestil will noch Ergänzungen vornehmen und kündigt seine Entscheidung für Donnerstag an.

Donnerstag. 3. Februar:
ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel und FPÖ-Chef Jörg Haider haben noch keinen Regierungsbildungsauftrag von Klestil erhalten. Sie unterzeichnen in der Hofburg auf Wunsch von Klestil eine Präambel für ein schwarz-blaues Koalitionsprogramm (siehe unsere Sonderausgabe vom 4. Februar).

In der Hofburg sind Medienvertreter aus der ganzen Welt anwesend, 50 bis 60 Fernsehanstalten. Alle wartenden Journalisten erhalten das 121 Seiten umfassende Regierungsprogramm. Um 13 Uhr 30 beginnt die Pressekonferenz.

ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel erwartet, daß es gelingen werde, dem Neuen Gestalt zu geben. Unter schwierigen Bedingungen wurde ein brauchbares Programm erarbeitet. Es enthält ein klares Bekenntnis zu den Grundwerten, zum richtigen Umgang mit der Vergangenheit, ein klares Bekenntnis zu Europa, zu mehr Sicherheit und Solidarität, und ein inhaltliches Erneuerungsprogramm.

FPÖ-Chef Jörg Haider: Eine neue Regierung könne durch kritische Beobachtung beweisen, daß Vorurteile gegenüber der FPÖ unbegründet seien.

Das Regierungsprogramm wird erklärt, Journalisten-Fragen werden beantwortet.

Im Redoutensaal findet eine feierliche Unterzeichnung von allen gemeinsam statt. (Nur der oberösterreichische VP-Landeshauptmann Josef Pühringer und der Vorarlberger FPÖ-Chef Hubert Gorbach konnten aus Termingründen nicht kommen und haben per Fax unterzeichnet.).

Die Skeptiker in der ÖVP, die ihre Bedenken deutlich vorgetragen hatten, haben dem Koalitionspakt zugestimmt, da es keine Alternative zu einer Zusammenarbeit mit der FPÖ gebe.
Die einzige Gegenstimme kommt vom Wiener VP-Landes-Chef Vizebürgermeister Bernhard Görg, er wolle jedoch alles tun, damit die blau-schwarze Bundesregieruing Erfolg habe.

Die Partei-Chefs kündigen eine Aufklärungsoffensive an.

Eine Gruppe von ca. 100 Demonstranten dringt gegen 22 Uhr in das Burgtheater ein, unterbricht die laufende Vorstellung und skandiert von der Bühne aus gegen die schwarz-blaue Koalition gerichtete Parolen. Nach verstärktem Polizeiaufgebot verlassen sie wieder das Burgtheater.

Freitag, 4. Februar:
Angelobung der neuen Regierung durch Bundespräsident Klestil.
Am Ballhausplatz haben sich einige Tausend Demonstranten versammelt. Ein großes Polizeiaufgebot ist bereitgestellt, aber es ist ruhig und friedlich, bis dann eine Handvoll radikaler Demonstranten zu lärmen beginnt, Eier und Tomaten werden geworfen. Ein Demonstrant wird festgenommen, aber kurz darauf wieder freigelassen. Und eben diese Szene wurde von unzähligen Fernsehstationen ausgestrahlt, um zu "beweisen", wie schlimm es in Wien zugeht.

Die neue österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner zeigt Verständnis für die Besorgnis und will sich nun vor allem im Ausland dafür einsetzen, mit Besonnenheit und Geduld zu einer gewissen Beruhigung beizutragen. Haider habe Fehler gemacht, sich aber davon distanziert und er sei schließlich nicht in der Regierung. Er werde sich wieder nach Kärnten zurückziehen und die Regierung arbeiten lassen.

Im großen Ministerratssaal findet die erste Sitzung der neuen Regierung statt. Der neue Regierungs-Chef Wolfgang Schüssel bittet die zahlreich versammelten Medienvertreter um eine faire Berichterstattung, ohne Beeinflussung durch vorgefaßte Meinungen .

Die neue Bundesregierung:
Bundeskanzler (ÖVP) Dr. Wolfgang Schüssel, geb. 1945, bisher Vizekanzler
Vizekanzlerin, (Ressort Frauen), (FPÖ) Dr. Susanne Riess-Passer, geb. 1961, bisher stellvertretende FP-Chefin
Außenministerin (ÖVP) Dr. Benita Ferrero-Waldner, geb. 1948, bisher Staatssekretärin
Infrastrukturminister (FPÖ) Dipl.-Ing. Michael Schmid, geb. 1945, bisher steiermärkischer Landesrat
Innenminister (ÖVP) Dr. Ernst Strasser. geb. 1956, bisher niederösterreichischer Landtagsklubchef
Sozialministerin (FPÖ) Dr. Elisabeth Sickl, geb. 1940, bisher Kärntner Landtagspräsidentin
Bildungsministerin (ÖVP) Elisabeth Gehrer, geb. 1942, bisher Unterrichtsministerin
Justizminister (FPÖ) Dr. Michael Krüger, geb. 1955, bisher NR-Abgeordneter
Agrar- und Umweltminister (ÖVP) Mag. Wilhelm Molterer, geb. 1955, bisher Agrarminister
Finanzminister (FPÖ) Mag. Karl-Heinz Grasser, geb. 1969, bisher Magna-Sprecher
Wirtschaftsminister (ÖVP) Dr. Martin Bartenstein, geb. 1953, bisher Umwelt- und Familienminister
Verteidigungsminister (FPÖ) Herbert Scheibner, geb. 1963, bisher FPÖ-Klubobmann

Staatssekretär im Bundeskanzleramt, für Kunst und Kultur zuständig (ÖVP) Franz Morak, geb. 1946, bisher NR-Abgeordneter
Staatssekretärin für Tourismus im Wirtschaftsministerium (FPÖ) Mares Rossmann, geb. 1953
Staatssekretär Finanzministerium (ÖVP) Dr. Alfred Finz, geb. 1943, bisher im Rechnungshof tätig
Staatssekretär für Gesundheit im Sozialministerium (FPÖ) Univ.-Prof. Reinhart Waneck, geb. 1945, bisher ärztlicher Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Wien


Der österreichische EU-Kommissar Dr. Franz Fischler veröffentlicht ein persönliches Statement zur Regierungsbildung, das wir hier zu einem großen Teil wiedergeben:

"Ich bin mir bewußt, daß mir aus der Tatsache, daß sich die Freiheitliche Partei Österreichs an der österreichischen Bundesregierung beteiligen wird, eine große Verantwortung erwächst - als überzeugter Europäer und als österreichischer Staatsbürger. Ich teile die Besorgnis, die die Kommission in ihrer Erklärung ausgedrückt hat. Es ist die Pflicht und der ausdrückliche Wille der Kommission, ihre Rolle als Hüterin der Verträge in vollem Umfang wahrzunehmen und wachsam zu sein und auch den geringsten Verstoß gegen das EU-Recht zu ahnden. Es ist aber nicht die Aufgabe der Kommission, ein Mitgliedsland zu isolieren. Im Gegenteil: Es ist unsere Pflicht mitzuhelfen, dieses nicht von Europa abdriften zu lassen. Aus diesem Grund wird und muß die Kommission ihre Arbeitsbeziehungen mit Österreich aufrechterhalten.

Ein Teil meiner Verantwortung war und ist es, meinen Landsleuten diese internationale Besorgnis zu vermitteln, zu erklären, daß sich die Europäische Union nicht gegen Österreich als Land und seine Menschen wendet. Sie hat deutlich gemacht, daß die Achtung von Grundwerten der Union wie Toleranz, Solidarität oder die Menschenrechte für jeden Mitgliedstaat selbstverständlich sein müssen. Und kein Österreicher, der sein Land liebt, wird mir hier widersprechen.

Als anderen Teil meiner Verantwortung sehe ich es aber auch, dazu beizutragen, das wohlverdiente Ansehen Österreichs im Ausland zu verteidigen. Denn selbstverständlich ist Österreich kein faschistischer Hort der Intoleranz, sondern eine funktionierende Demokratie. Die Österreicher als Souverän eines unabhängigen Staates haben selbstverständlich das Recht, ihre demokratischen Entscheidungen selbst zu treffen. Das ist geschehen. Es mag einem gefallen oder auch nicht. Was wir nicht akzeptieren könnten, wäre eine Politik, die sich gegen die unverrückbaren Grundwerte der EU richtet. ..."

Freitag zogen Demonstranten durch die Innenstadt. Am Nachmittag besetzten etwa 20 Demonstranten das Sozialministerium und hielten rote Fahnen aus den Fenstern. Als die Exekutive am späten Abend mit Pflastersteinen und Bierflaschen angegriffen wurde, setzte sie Wasserwerfer ein, wobei allerdings nur mit Besprühung ausreichende Wirkung erzielt wurde. Insgesamt wurden acht Personen wegen Diebstahl, Landfriedensbruch und Körperverletzung festgenommen. 43 Polizisten und ein Diensthund wurden verletzt, sowie auch elf Aktivisten. 32 Dienstautos wurden beschädigt und es gab schwere Sachbeschädigungen.

Die Demonstrationszüge werden fortgesetzt, aber es kam seither zu keinen Ausschreitungen mehr.

Samstag, 6. Februar:
Bundespräsident Thomas Klestil verurteilt die schweren Auschreitungen gegen die neue Regierung und ruft zu Mäßigung auf. Er bittet alle Österreicher, "in dieser schwierigen Situation zusammenzuhalten und nicht durch unüberlegtes Handeln eine emotionelle Spaltung innerhalb der Bevölkerung zu riskieren."

In der Fernseh-Pressestunde am Sonntag betont FP-Chef Jörg Haider, daß er Landeshauptmann von Kärnten sei und nicht beabsichtige, von Kärnten aus die Regierungsarbeit zu stören.

Die Grünen hielten Am Graben eine Kundgebung ab und luden in einem Speak-Corner zu Diskussionen ein. Solche Speak-Corner soll es ab jetzt in Wien weiterhin geben.

Montag, 8. Februar:
Die Zahl der Demonstranten nimmt ab, es kehrt gewissermaßen Ruhe ein. Auch die Berichte ausländischer Medien werden, zumindest großteils, wieder besonnener, in den Nachrichtensendungen der großen deutschen TV-Stationen wird zwar nach wie vor über Österreich berichtet, doch werden diese Beiträge zunehmend kürzer und finden sich nicht mehr als d i e Schlagzeile des Tages.

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Die Themenbereiche Wirtschaft und Kultur werden ab nächster Woche wieder ihren gewohnten Platz einnehmen. Da wir auf die österreichischen Spitzenleistungen im Sport besonders stolz sind, haben wir nachfolgende Meldungen mit großer Freude für Sie verfaßt:

Hermann Maier ist wieder Sieger im Riesen-Slalom in Todtnau
Beim Riesenslalom der Herren in Todtnau im Schwarzwald (Deutschland) siegte am Samstag wieder der Salzburger Hermann Maier über den Schweden Fredrik Nyberg und den Schweizer Michael von Grüningen. Als weitere Österreicher kamen Benjamin Raich auf den 5. Platz und Christian Mayer auf den 8. Platz. Hermann Maier, der bisher besonders auf eisigen Pisten seine Überlegenheit bewiesen hatte, überwand auch diesmal wieder souverän die Schwierigkeiten der Piste, die über Nacht weicher und dadurch schlechter geworden war. Er feiert somit seinen neunten Sieg in diesem Winter und zugleich seinen 27. Weltcupsieg.

Andreas Widhölzl siegt beim Skispringen in Willingen
Die Skispringer mußten am Samstag in WiIlingen, Deutschland, mit sehr schwierigen Windverhältnissen kämpfen. Andreas Widhölzl hatte deshalb keine guten Startbedingungen. Trotzdem gelang ihm der Sieg mit der Tageshöchstweite von 130 m. Zweiter wurde der Finne Jane Ahonen, Dritter der deutsche "Superstar" Martin Schmitt, der im Welt-Cup an erster Stelle vor Widhölzl und Ahonen liegt. Der Österreicher Wolfgang Loitzl erreichte den 8. Platz. Stefan Horngacher und Martin Höllwarth, die in der Halbzeit noch auf den 3. und 5. Plätzen lagen, konnten im 2. Durchgang wegen starkem Rückenwind nur mehr die Plätze 13 und 15 erreichen.

Auch beim 2. Skispringen in Willingen Widhölzl wieder Erster
Am Sonntag siegte wieder Andreas Widhölzl mit der sensationellen Weite von 135 Metern beim zweiten Skispringen in Willingen, Deutschland.

Erster im Weltcup-Slalom in Todtnau wurde Rainer Schönfelder
Am Sonntag siegte der 22jährige Kärntner Rainer Schönfelder im Weltcup-Slalom in Todtnau im Schwarzwald (Deutschland). Er hatte 24 Stunden vor dem Rennen noch kürzere Ski-Modelle getestet, hat sich für 1,70 m-Ski entschieden und damit gewonnen. Kurz-Ski fahren auch Mario Matt, der den 4. Platz erreichte und Benjamin Raich, der im 1. Lauf noch Zweiter war, wegen verschlechterter Bedingungen aber auf den 7.Platz zurückfiel.

Werner Schlager im Tisch-Tennis in Europa Nr.2, im Weltrang Nr.4
Der österreichische Tisch-Tennis-Star Werner Schlager, der in Holland gegen Trinko Keen mit 3:2 und auch gegen den Belgier Saive gewonnen hatte, besiegte am Sonntag in Alassio im Semifinale beim europäischen Top-12-Turnier den Franzosen Jean Philippe Gatien mit 3:2 und den Italo-Chinesen Yang Min mit 3:0. Werner Schlager ist jetzt in Europa an zweiter Stelle und der Vierte in der Weltrangliste

Wiener Volleyball-Herren-Team Bayernwerk weiterhin erfolgreich
Volleyball-Herren Bayernwerk Wien besiegten in Sofia Levski 3:2. Damit haben sie in vier Spielen vier Siege erreicht: Gegen Istanbul 3:0, in Maaseik 3:1, in Czestochowa 3:0 und jetzt in Sofia 3:2. Am Samstag ging es dann in Innsbruck um die Entscheidung für den Grunddurchgang der Bundesliga, wo sie Tirol mit 3:0 besiegten.

Wieder Snowboard-Sieg für Manuela Riegler
Die Salzburgerin Manuela Riegler siegte im FIS-Snowboard-Weltcup sowhl am Freitag im Parallelslalom als auch am Samstag im Riesenslalom in Ischgl, Tirol. Sie konnte bereits im schwedischen Tandadalen die Gesamtführung erzielen.