Ausgabe Nr. 142B vom 8. September 2000
Zu unser aller größten Überraschung wurde im heutigen Mittagsjournal des ORF-Radios fast 50
Minuten über den fertiggestellten Bericht der "drei Weisen" berichtet. Wir hatten Sie gestern informiert,
daß die Übergabe an den amtierenden EU-Ratspräsidenten Jacques Chirac heute, Freitag, in Paris
vorgenommen werden und bis dahin der Inhalt des Berichtes geheim bleiben würde.
Dem ORF-Korrespondenten in Spanien, Josef Manola, war aber bereits heute vormittag eine Kopie des in Spanisch verfaßten
Dossiers über Österreich zugespielt worden.
In Kürze kann dessen Inhalt wie folgt zusammengefaßt werden:
Als "kontraproduktiv" bezeichneten die "drei Weisen", der Finne Martti Ahtisaari, der Spanier
Marcelino Oreja und der Deutsche Jürgen Frowein die Sanktionen gegen Österreich und empfehlen deren Aufhebung.
Insgesamt wird die Politik der Koalitionsregierung durchaus positiv bewertet: "Sie handelt im Einklang mit
den europäischen Werten. Die Beachtung der Menschenrechte durch die österreichische Bundesregierung,
insbesondere in Bezug auf die Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern ist nicht auf einem niedrigeren
Stand als in den anderen Mitgliedsstaaten der EU." - "In einigen Bereichen wie z.B. Minderheitenrechte
kann das österreichische Niveau als höher bewertet werden als in vielen anderen EU-Ländern."
Die FPÖ wird als "rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen" eingestuft, unter einem stellen
die Drei aber sinngemäß fest, daß damit nicht die Regierungsmitglieder der FPÖ gemeint seien.
Kritik wird daran geübt, daß "stark ambivalente Ausdrücke" von manchen FPÖ-Mitgliegern
von der Parteispitze zu wenig geahndet würden.
Einzig dem der FPÖ zugezählten Justizminister Dieter Böhmdorfer hält man vor, als "Mitglied
der Bundesregierung nicht konform mit den Verpflichtungen als Organ des Staates zu handeln".
Die Chefs der beiden Oppositionsparteien, Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Prof. Dr. Alexander van der Bellen
(Grüne) haben in einer ersten Reaktion die bisher bekannten Inhalte des Berichtes begrüßt und ihrer
Zuversicht Ausdruck verliehen, daß durch ein bevorstehendes Ende der Sanktionen wieder vorrangig heimische
Politik betrieben werden könnte.
Pünktlich erschienen dann heute um 18 Uhr MEZ die "drei Weisen" bei Chirac und überreichten
den Bericht offiziell. Wie der französische Staats- und EU-Ratspräsident nun vorgehen wird, ist nicht
sicher. Man vermutet jedoch, daß vorerst Gespräche zwischen den 14 Regierungschefs folgen, die - jeder
in der jeweiligen Landessprache - ebenfalls den Weisen-Bericht erhalten werden.
Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner stellte in einem ORF-Interview fest, daß sie davon ausgehe,
daß die Sanktionen bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Oktober beendet sein dürften.
Bei Verfügbarkeit weiterer Informationen, insbesondere, wenn der Bericht in deutsch freigegeben wird, dürfen
wir uns wieder bei Ihnen melden und Ihnen einen Link zu dessen download vermitteln. |
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