In der Koalitionsregierung kracht es gewaltig  

erstellt am
25. 02. 08

Wien (öj) - Das vorwöchige innenpolitische Roundup an dieser Stelle endete mit der in Aussicht stehenden Wahrscheinlichkeit, es könnte wieder Ruhe in der Koalitionsregierung eintreten, würden nur jene Beteiligten, die nicht miteinander könnten, „ausgewechselt“ werden. Doch es scheint, als würde dieser Wechsel nicht irgendwo stattfinden, sondern die Regierung an sich betreffen - und das kam so:

Zur Erinnerung: Der ehemalige Chef der Bundeskriminalamtes, Herwig Haidinger, hatte rund zwei Dutzend Vorwürfe erhoben, die - praktisch ausschließlich - die ÖVP belasten. Diese wehrt sich gegen den von Teilen der SPÖ, den Grünen, der FPÖ und dem BZÖ geforderten sofortigen parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Sie sieht darin eine Verletzung des Koalitionsabkommens mit der SPÖ, aus deren Reihen die Forderung danach immer lauter und deutlicher wird. Wiens Bürgermeister Michael Häupl wurde konkret, als er vergangene Woche meinte: sollte die ÖVP bei einem U-Ausschuß mit dem Ende der Koalition drohen, würde sich sein „Mißtrauen verstärken“. In diesem Sinne habe er auch keine Angst vor einer möglichen Neuwahl.

Seit Tagen versichern sich SPÖ und ÖVP gegenseitig und der Öffentlichkeit, kein Interesse an einem vorgezogenen Wählervotum zu haben (die Regierungsperiode des Kabinetts Gusenbauer/Molterer endet 2010). Verständlich, denn beide wollen vermeiden, vom Wähler für ein Scheitern der Regierung verantwortlich gemacht und dafür bei der Wahl bestraft zu werden.

Am 24. Februar stand Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) in der ORF-Sendung „Pressestunde“ Rede und Antwort. Ein Untersuchungsausschuß sei seiner Meinung nach nicht ausgeschlossen, allerdings, so Gusenbauer, müsse man auch erst abwarten, was Justiz- und Innenausschuß an Erkenntnissen bringen würden. Er lege Wert darauf, daß die Kontrolle im Parlament stattfinde. Das Vertrauen in den Regierungspartner sei "einigermaßen auf die Probe gestellt". Die Quelle des Mißtrauens sei, daß nicht alles auf dem Tisch liege. Die Ablehnung eines Untersuchungsausschusses sei von Seiten des Regierungspartners ÖVP immer wieder mit Drohungen versehen, aber, so Gusenbauer, Drohungen könnten die Wahrheit nicht ersetzen.

Dann erklärte Gusenbauer, die für 2010 vorgesehene Steuerreform zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen und die Gesundheitsreform würde auf 2009 vorgezogen werden. Es gehe darum, daß die Steuerbelastung am allerstärksten bei den Einkommen zwischen 1200 und 3900 Euro brutto sei. Dort sei auch der große Teil der österreichischen Bevölkerung und des Mittelstandes angesiedelt - und in diesem Bereich habe eine wesentliche Entlastung stattzufinden. Auf die Frage, ob er das mit Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) bereits abgesprochen hätte, meinte Gusenbauer, die ÖVP werde sich „den Luxus des Nein-Sagens“ nicht länger leisten können. 2008 müßten die großen Reformvorhaben Steuerreform und Sanierung des Gesundheitssystems unbedingt erledigt werden, damit sie mit 1.1.2009. in Kraft treten könnten.

Wie kaum anders zu erwarten, erklärte Finanzminister Molterer umgehend, er lehne ein Vorziehen der Steuerreform von 2010 auf 2009 ab. Es sei ein schlechter Stil, in einer Fernseh-Pressestunde den gemeinsamen Kurs zu verlassen. Bis vor Gusenbauers Fernsehauftritt habe der Termin 2010 gegolten. Molterer betonte auch, daß es verantwortungslos sei, eine Steuerreform mit neuen Schulden zu machen, die die jungen Menschen in Zukunft zahlen müßten. Das werde es mit der ÖVP nicht geben. Außerdem sei die ganze Geschichte nicht mit der ÖVP besprochen. Im Gegenteil: Gusenbauer selbst habe bis vor wenigen Tagen 2010 als Termin für die Steuerreform genannt. Auch das Volumen der Steuerentlastung von drei Milliarden Euro, die Gusenbauer genannt habe, sei nicht besprochen und nicht akkordiert worden. Wenn Gusenbauer Neuwahlen wolle, solle er das sagen. Die ÖVP lasse sich keine Ultimaten stellen.

Während SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina sagte, das „reflexartige Nein“ von Vizekanzler Molterer zum Vorziehen einer Entlastungs-Reform und zur Sanierung des Gesundheitswesens könne nicht das letzte Wort in dieser wichtigen Sache gewesen sein, ortet sein ÖVP-Gegenüber, Generalsekretär Hannes Missethon, die „Scharfmacher“ in der SPÖ wollten die Fakten offenbar nicht abwarten, um sich auf „ihrem Feldzug nicht von der Wahrheit stoppen zu lassen".

Es scheint, nach heutiger Sicht, kaum möglich, daß SPÖ und ÖVP zu einem konstruktiven Koalitionsklima zurückfinden. Allzuviele Divergenzen trennen die beiden großen Parteien über das „normale“ Maß hinaus. Weshalb sich die vom Schreiber dieser Zeilen vergangene Woche noch als „suggestiv“ bezeichneten Fragen nach einer Neuwahl im Herbst als immer logischer abzeichnen. Doch vorher gilt es noch, die Ergebnisse der Landtagswahl in Niederösterreich am 9. März abzuwarten. Unabhängig von deren Ausgang wird sie jedenfalls die jetzt noch verhaltenen Debatten um eine vorgezogene Nationalratswahl an massiv die Öffentlichkeit bringen. (mm)
 
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