Grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit
Pamhagen/Salzburg (ire) - Die politisch Verantwortlichen auf der europäischen, den nationalen und subnationalen
Ebenen preisen die Dezentralisierung und die Stärkung der Regionen und Kommunen bei jeder sich bietenden Gelegenheit
als eine der wichtigsten Strategien in der europäischen Integration. Zwischen Reden und Handeln liegt aber
eine tiefe Kluft. Ja Reden und Handeln widersprechen in vielen Fällen einander oftmals diametral.
Als eine der wesentlichen Ursachen der Finanz- und Schuldenkrise werden die angeblich zu teuren regionalen und
lokalen Administrationen angeprangert, die mit dem Geld nicht umgehen können und deren Dienstleistungen für
den Bürger wesentlich teurer seien als die Dienstleistungen der Zentralverwaltungen. Das Heil wird daher in
der Reduzierung der Zahl und der Macht der Regionen und Kommunen gesucht. Von Einbeziehen der regional und lokal
Verantwortlichen in wichtige politische Entscheidungen keine Rede. An sich begrüßenswerte und notwendige
Maßnahmen zur Wahrung von Minderheitenrechten werden ohne Kontakt mit den betroffenen Regionen und Kommunen
oktroyiert und müssen scheitern. Gemeindeabschaffungen und -zusammenlegungen erfolgen durch Zwang und nicht
durch Überzeugung. Aber auch Regionen und Kommunen zeigen nicht immer die notwendige Reformbereitschaft um
den Zentralisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Viele, die heute aus Kostengründen die Schwächung, Reduktion oder überhaupt die Abschaffung der
regionalen und/oder lokalen politischen Ebene fordern, beklagen gleichzeitig die Abwanderung vor allem der jungen
Menschen aus den Randregionen, aus den Seitentälern und die stark zunehmende „Binnenmigration“ in die größeren
Städte bzw. deren Umland. Das ist die „Schizophrenie der Zentralisten“. In Österreich z. B. leben heute
rund 5,5 Millionen der 8,4 Millionen Gesamtbevölkerung bereits in einer der 34 Stadtregionen. So haben etwa
die Städte um Wien in den zehn Jahren von 2001 bis 2011 einen Bevölkerungszuwachs von 25 bis 28 Prozent
zu verzeichnen. Unter dem Motto „Immer der Arbeit nach“ sind die Gründe für das Verlassen der angestammten
Regionen die Arbeitsplätze. In Österreich betrifft das vor allem die ehemaligen steirischen Industrieregionen,
das nördliche Waldviertel, Regionen in Kärnten und das Südburgenland. Die Folge ist eine ungesunde
Überalterung der verlassenen Gebiete. Andererseits entstehen in den urbanen Ballungszentren neue Probleme,
wenn man etwa an den steigenden Verkehr, den Mangel an Wohnungen etc. denkt.
Dass z. T. überhaupt noch so viele Menschen in den kleinen, abgelegenen Gemeinden und Bezirken wohnen, ist
auf die engagierten Regional- und Lokalpolitiker zurückzuführen, die sich gegen diese Absiedelungsentwicklung
wehren. Vieles an regionaler und lokaler Inrastruktur hat man aus Einsparungsgründen bereits weggenommen und
dafür nichts oder zu wenig Neues zur Attraktivierung geschaffen. Mit der ersatzlosen Beseitigung von Post,
Schulen, Pfarren, Eisenbahnen etc. sterben Wirte, Vereine und damit die Gründe für einen Verbleib in
einer Gemeinde. Der nächste Schritt ist die z. t. erzwungene Zusammenlegung von Gemeinden, womit für
einen großen Teil der Bevölkerung das administrative Zentrum, das Gemeindeamt und der politische Ansprechpartner,
der Bürgermeister, viel weiter entfernt als bisher ist. Die Spirale dreht sich nach unten.
In Europa gibt es unter den Regionen gewaltige wirtschaftliche und soziale Unterschiede (Disparitäten). Eine
der wesentlichsten Aufgaben der Europäischen Union als einer Solidargemeinschaft ist es, mit Hilfe der verschiedensten
Fördertöpfe diese Disparitäten möglichst auszugleichen. Das gelingt vor allem dort gut, wo
starke, effiziente und gut dafür ausgebildete Regional- und Lokalverwaltungen in der Lage sind, gute Projekte
für EU-Förderungen auszuarbeiten und wo die regionalen Politiker in die Vergabe der Förderungen
von der Zentralregierung voll eingebunden sind. Wie dies etwa in Deutschland oder Österreich der Fall ist.
Ein besonders wirksames „Heilmittel“ gehen die Zentralisierungsgelüste stellt die grenzüberschreitende
regionale und lokale Zusammenarbeit (innerhalb der nationalen Grenzen oder darüber hinaus), dar. Nicht nur
aus ökonomischen sondern vor allem auch aus (europa)politischen Gründen zur Zusammenführung unserer
Völker.
Ein besonders herausragendes Beispiel für eine Region, die die Möglichkeiten der Regionalförderung
besonders gut und geschickt genützt hat, ist das Burgenland, unser Gastgeberland. Ich bin überzeugt,
dass uns darüber unser „Hausherr“, Herr Landeshauptmann Hans Niessl, in seiner Begrüßungsansprache
als Best-Practice-Beispiel einiges erzählen wird.
Wir haben gestern schon über das Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Regionen im Bereich
der Gesundheitsversorgung diskutiert. Heute Vormittag wollen wir zuerst das Thema des Regionalismus und der Dezentralisierung
etwas grundsätzlicher behandeln und haben dafür prominente Redner gewinnen können. Ich freue mich,
dass ein wichtiger Politiker aus der Nachbarschaft, der Oberbürgermeister der Stadt Bratislava Milan Ftacnik
heute bei uns ist und das Thema aus der Sicht einer großen Stadt, die in den letzten Jahren eine bewundernswerte
Entwicklung genommen hat, beleuchten wird.
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas ist allen bekannt, ich danke ihm für
sein Kommen und wir freuen uns auf seine Ausführungen aus der Sicht des Europäischen Parlaments.
Und schließlich ist es uns eine besondere Ehre, dass der Vizepräsident der Europäischen Kommission
und Kommissar für Inter-Institutionelle Beziehungen und Verwaltung, Maros Sefkovic, kommend aus unserem Nachbarland
Slowakei, heute zu uns gekommen ist. Die Herausforderungen des wirtschaftlichen Transformationsprozesses hin zur
Marktwirtschaft in Zusammenhang mit grenzüberschreitender Kooperation werden von Johannes Seiringer, dem Direktor
Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, veranschaulicht.
Die weiteren Beratungen unserer Konferenz beziehen sich dann auf die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit
in den Bereichen Tourismus, Finanzierung überregionaler Verkehrsprojekte und Energieeffizienz, Erneuerbare
Energie. Morgen werden die Beratungen im Sinne der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Sopron zum wichtigen
Thema der Zusammenarbeit in der regionalen und lokalen Verwaltung, fortgesetzt.
Siehe auch:
Europa findet in den Regionen statt
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