Europastunde: FPÖ sieht Neutralität Österreichs missachtet
Wien (pk) - "Neutralität statt EU-Sanktionen" - Mit dieser Botschaft konfrontierte die FPÖ
in am 24.09. der von ihr verlangten Europastunde der Nationalratssitzung Bundeskanzler Werner Faymann. Erneut thematisierte
das Plenum damit in einer heftigen Debatte die von 28 EU-Mitgliedsstaaten als Reaktion auf den Ukraine-Konflikt
beschlossenen Sanktionsmaßnahmen, nachdem schon die gestrige Sondersitzung davon geprägt war (siehe
Parlamentskorrespondenz Nr. 823). Die Freiheitlichen sehen eindeutig Österreichs Neutralität durch das
Mittragen der Sanktionen verletzt, weil die Regierung somit Partei im Konflikt ergriffen habe.
FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache warnte zudem vor verheerenden wirtschaftlichen Folgen für Österreich,
sollte die Europäische Union ihre Politik Russland gegenüber nicht ändern. Gerade angesichts der
angespannten Wirtschaftslage sei die Genehmigung der Sanktionen durch die Bundesregierung abzulehnen. Deutlich
wies demgegenüber Bundeskanzler Faymann darauf hin, dass nicht die Sanktionen, sondern der Krieg in der Ostukraine
Verursacher wirtschaftlicher Probleme ist. Um nach den mehreren Tausend Todesopfern im Konflikt auch die Wirtschaft
wieder auf sichere Beine zu stellen, arbeite man an einer diplomatischen Lösung für Frieden in der Region,
so der Kanzler.
Strache: Österreichs Wirtschaft leidet an Sanktionen gegen Russland
Schärfere Sanktionen gegen Russland würden Österreich eindeutig schaden, so FPÖ-Chef Heinz-Christian
Strache. Zigtausende Arbeitsplätze gingen verloren und der Export gehe stark zurück, worunter die ohnehin
schwächelnde Konjunktur noch mehr zu leiden hätte. Vorsichtigen Analysen zufolge sei ein finanzieller
Verlust von rund 1 Mrd. € jährlich zu erwarten, wobei für Ausgleichszahlungen an Wirtschaftstreibende
natürlich wieder Steuergeld herangezogen werde, monierte der Freiheitliche.
Die Bevölkerung zeige kein Verständnis für die Unterstützung dieses Wirtschaftskriegs, hielt
Strache fest, zumal damit die Neutralität Österreichs untergraben werde. Seine Fraktion hat daher bereits
einen Antrag auf Ministeranklage gegen den Kanzler wegen Verfassungsbruchs eingebracht. Hätte Österreich
seine Neutralität gelebt, also Abstand von den Sanktionen der Europäischen Union genommen, wäre
das Land in seiner Vermittlerrolle glaubwürdig geblieben, konstatierte er. Anstatt sich dem diplomatischen
Dialog zu verpflichten, diene die Bundesregierung aber den geopolitischen Interessen der USA, ein Zusammenrücken
von EU und Russland zu verunmöglichen. Düster prophezeite Strache schließlich, der regionale Konflikt
in der Ukraine werde womöglich größere Kreise ziehen und er mahnte die politische Verantwortung
ein, keinen Krieg mehr in Europa zuzulassen.
Faymann: Friede ist Grundlage für gute Wirtschaftsbeziehungen
Nicht die Sanktionen, sondern der Krieg in der Ukraine schade der Wirtschaft, wies Bundeskanzler Werner Faymann
die Angriffe Straches scharf zurück. Abgesehen von den verheerenden menschlichen Folgen des Konflikts mit
unzähligen Toten und Flüchtlingen nehme eben auch die Wirtschaft schaden, wenn friedliches Zusammenleben
nicht gelingt. Im Rahmen einer Internationalisierungsoffensive, ging Faymann näher auf den wirtschaftlichen
Aspekt der Ukraine-Krise ein, würden nunmehr österreichische Exporte in andere Märkte unterstützt,
um Verluste zu kompensieren. Zwar machen ihm zufolge die von den Sanktionen betroffenen Waren in Österreich
mit 4% einen überschaubaren Anteil der Exporte an Russland aus, dennoch bereite die Regierung gemeinsam mit
den Sozialpartnern bereits Überbrückungshilfen für betroffene UnternehmerInnen vor.
Unfraglich sei Russland ein entscheidender Handelspartner, so der Kanzler. Die Wahrung von Menschenrechten, Demokratie
und staatlicher Souveränität in der Region müssten allerdings als Garantie für ungestörte
Wirtschaftsbeziehungen gesichert sein. Der Friedensplan sei daher einzuhalten, und zwar mit einer Politik, die
unabhängig vom Militärbündnis NATO und dem russischen Regime ist, skizzierte Faymann.
SPÖ und ÖVP: Österreich wird seiner Vermittlerrolle gerecht
Die Klubobmänner der Koalitionsparteien, Andreas Schieder (S) und Reinhold Lopatka (V) verwehrten sich deutlich
gegen die Anschuldigung Heinz-Christian Straches, Österreich habe sich von Verhandlungslösungen im Konflikt
losgesagt. Tatsächlich vermittle die Republik als neutrales Land zwischen den Parteien am Verhandlungstisch,
stellte Schieder fest, und er äußerte seine Sorge über das Verhalten der FPÖ, die in seinen
Augen großrussische Interessen im Parlament vertritt. Freiheitliche Politiker betrieben schon seit längerem
eine skurrile Außenpolitik im Sinne Russlands, befand Lopatka ebenso, etwa als Wahlbeobachter in der Region.
Die Aussage, mit den Sanktionen werde Österreichs Neutralität verletzt, sei überdies juridischer
Unsinn, da der neutrale Status nur militärisch gemeint sei. Keineswegs aber, zeigte der ÖVP-Mandatar
auf, gebe die Neutralität einen Freibrief, Völkerrechtsverletzungen nicht zu ahnden.
Frieden, Stabilität und Sicherheit in Europa seien die Grundlage der Wirtschaft, bekräftigte Christine
Muttonen (S). Trotz der derzeit notwendigen Sanktionen suche die Regierung das inklusive Gespräch mit allen
Konfliktparteien und stelle sich gegen jegliche militärische Gewalt. Alternativlos sind die Sanktionen auch
für Angelika Winzig (V), nämlich als Warnzeichen gegen russischen Imperialismus. Ungeachtet dessen bekämen
österreichische Unternehmen die Wirtschaftsrestriktionen zu spüren, gab sie zu bedenken und drängte
auf eine rasche und friedfertige Beendigung der Auseinandersetzungen.
FPÖ und Team Stronach: Sanktionen widersprechen der Neutralität
Ganz anders werten hingegen die Freiheitlichen Johannes Hübner und Harald Stefan die Neutralitätsfrage.
Während die FPÖ die immerwährende Neutralität Österreichs verteidige, erklärte Hübner,
stelle sich die Bundesregierung auf die Seite der Russland-Gegner, was nicht dem nationalen Grundkonsens entspreche.
Würde man gegen sämtliche Länder, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig machen, Sanktionen
verhängen, wären 70 bis 90 Staaten der Erde davon betroffen. Abgeordneter Stefan hinterfragte generell
den aktuellen Zustand der Neutralität in Österreich, da die Regierung in seinen Wahrnehmung seit dem
EU-Beitritt immer weiter davon abrückt. Eigentlich bedürfe es hier einer Volksabstimmung, erinnerte er.
In der jetzigen Lage sei die FPÖ die einzige Partei, die für die Wahrung der Neutralität eintrete.
Wie die FPÖ ist auch das Team Stronach überzeugt, dass Sanktionen gegen Russland der falsche Weg zur
Beilegung des Konflikts mit der Ukraine sind. Klubobfrau Kathrin Nachbaur sieht nicht nur den vermehrten Verlust
von Arbeitsplätzen durch die Sanktionspolitik herandrohen, sie befürchtet auch eine verstärkte Militarisierung
Russlands dadurch. Die Annäherung Russlands an die EU sei der größte Erfolg seit dem Fall der Berliner
Mauer gewesen, sagte sie, der Handel habe hier einen entscheidenden Beitrag geleistet. Nunmehr träfen aber
die Sanktionen gegen Russland die europäische Wirtschaft massiv. Zur Neutralität meinte Nachbaur, diese
sei faktisch seit dem EU-Beitritt Österreichs Makulatur, man müsse dies der Bevölkerung auch ehrlich
sagen. Die Schuld an der furchtbaren Krise zwischen der Ukraine und Russland trage die EU, konstatierte Robert
Lugar (T). Die Union habe nämlich der Ukraine das Assoziierungsabkommen aufgezwungen, mit dem der Konflikt
seinen Anfang genommen habe.
Grüne und NEOS: Völkerrechtsverletzung muss Konsequenzen haben
Für die Grünen sind Sanktionierungen angesichts der Völkerrechtsverletzung durch Russland das derzeit
einzig gangbare Mittel. Wohl bekrittelte Peter Pilz die Politik der USA, der Ukraine die Option eines NATO-Beitritts
offenzuhalten und so sicherheitspolitische Bedenken in Russland zu schüren. Das sei aber kein Grund, gegen
die EU-Aktionen mobil zu machen, die derzeit das wirksamste Signal gegen das großrussische Projekt darstellten.
Dieses Nova Russia werde nämlich von russischen Entscheidungsträgern bereits offen angedacht, warnte
Pilz. Natürlich sei eine Beteiligung Russlands am Friedensprozess notwendig, betonte Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek.
Bis dahin brauche es aber Sanktionen, wie das kürzlich erlassene Waffenembargo. Prävention und humanitäre
Hilfe, eine eigenständige europäische Außenpolitik sowie eine Reform der ukrainischen Verfassung,
in der die Bündnisfreiheit des Landes und ein Sonderstatus der umkämpften Provinzen festgehalten sind,
nannte die Grünen-Chefin als Eckpunkte der Konfliktlösung.
Die Sanktionen seien ein notwendiges Übel, waren auch die Redner der NEOS, Christoph Vavrik und Josef Schellhorn
einig. Immerhin, ist Vavrik überzeugt, würden sie Russland langfristig unter Zugzwang setzen; erste Anzeichen
dafür gebe er bereits aus der dortigen Wirtschaft und auch die Anti-Kriegsdemonstrationen in Moskau sprächen
dafür. Nicht gelten ließ der Außenpolitiksprecher die Behauptung des Neutralitätsbruchs durch
die Beteiligung an den Sanktionen, denn ein neutrales Land dürfe durchaus Partei ergreifen für die Wahrung
des Rechts. Als Weltbürger unterstütze er die Sanktionen, als Unternehmer erkenne er jedoch ihre schmerzhaften
Konsequenzen, nahm Schellhorn eine differenzierte Haltung ein. Um das Unternehmertum in Österreich ausreichend
zu stützen, folgerte er, müsse die Regierung jetzt so rasch wie möglich die Steuerentlastung umsetzen
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