WKÖ-Bundessparte Industrie lud zu hochkarätiger Podiumsdiskussion zum Industriestandort
Österreich am 7.10.2014
Wien (pwk) - Eine rückläufige Produktionsentwicklung, schwache Nachfrage und tendenziell abnehmende
Beschäftigungsraten stehen einer leicht positiven Exportentwicklung gegenüber. Das zeigen die aktuellen
Konjunkturdaten der Industrie. Diese aktuellen Statistiken nahm eine hochkarätige
Diskussionsrunde am Dienstagabend in Wien zum Anlass für eine Standortbestimmung der österreichischen
Industrie. Die heimischen Industriebetriebe können auf ihre Stärken stolz sein - darauf aufbauend muss
die Politik aber Problemfelder angehen, damit daraus nicht Existenzgefährdungen für die Branche entstehen.
Das ist das Fazit der Spitzen-Industrie-Manager, die sich auf Einladung der Bundessparte Industrie in der WKÖ
der Diskussion stellten.
WKÖ-Bundesspartenobmann und Vorstandsvorsitzender der Ottakringer Getränke AG Sigi Menz brachte die Stimmung
auf den Punkt: "Unsere Betriebe haben in den letzten Jahren Ausgezeichnetes geleistet. Mit 1,7 Millionen Arbeitsplätzen
in der Industrie und im durch sie intendierten Bereich sowie einem Anteil von 19 Prozent am BIP leisten wir einen
wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung des Landes. Auch in Sachen Energieeffizienz ist die heimische energieintensive
Industrie internationaler Vorreiter. Doch in Österreich herrscht ein Reformstau, und wir haben die Sorge,
uns im international immer härter werdenden Wettbewerb nicht halten zu können".
Bildung ist und bleibt die Hauptbaustelle, Forschungsförderung unverzichtbar
Vor allem längst überfällige Reformschritte im Bildungssystem erweisen sich als wachstumsschädlicher
Standortnachteil, waren sich die Industrie-Vertreter einig. Brigitte Ederer, Mitglied des Aufsichtsrats der Infineon
Technologies Austria AG und langjähriges Mitglied des Siemens-Vorstandes: "Im technischen Bereich fehlt
uns qualifiziertes Personal auf allen Ebenen, vom Facharbeiter bis hinauf zum Spitzenmanager. Das liegt zu einem
Teil auch daran, dass es uns immer noch nicht gelingt, Frauen für technische Berufe zu begeistern. Zudem wird
es in Zukunft immer mehr zu einer praxisorientierten Kombination mehrerer Ausbildungen kommen müssen".
Dieter Siegel, Vorstandschef der Rosenbauer International AG, gab zu bedenken: "Die duale Ausbildung unserer
Lehrlinge ist sicher unser Erfolgsrezept. Auf das bauen wir auf und davon profitieren wir. Doch wenn die Konjunktur
wieder anziehen wird, wird es rasch noch schwieriger werden, genügend Fachkräfte zu rekrutieren und das
Qualitätsniveau zu halten".
Für Philipp von Lattorff, Geschäftsführer von Boehringer Ingelheim, muss mehr in Forschung und Entwicklung
investiert werden. "Es ist wichtig, internationale Spit-zenleute nach Österreich zu bringen. Dafür
brauchen wir stabile Rahmenbedingungen. Die Forschungsförderung in Österreich sollte weiter forciert
werden. Was das Schulsystem anlangt, hat mich der Vergleich mit internationalen Standards dazu gebracht, für
meine Kinder internationale Schule vorzuziehen."
Dem pflichtete Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der AGRANA Beteiligungs-AG, bei. Sein Wunsch: "Mehr
Förderung von Forschung und Entwicklung, dabei sollten die Mittel nicht limitiert, sondern freigegeben werden.
Eine Steigerung der Forschungsquote ist von existenzieller Bedeutung für hochwertige und nachhaltige Beschäftigung
in der Industrie und im servoindustriellen Bereich." Marihart bemängelte weiters, dass die Lehre als
in Österreich sehr wichtiges Assett ein geringes gesellschaftliches Ansehen genießt.
Was machen die Deutschen besser - nicht nur im Fußball?
Auch die vor allem im Verhältnis zum Konkurrenten Deutschland unflexiblen Ar-beitszeiten bereiten der
heimischen Industrie Sorge. Nicht nur im Fußball sucht Österreich immer wieder den Vergleich mit dem
großen Nachbarstaat - auf der Suche nach dessen Erfolgsrezept. Als wichtigen Vorteil des Industriestandortes
Deutschlands nannte Roland Feichtl, Vorsitzender der Geschäftsführung der KRAUSECO Werkzeugmaschinen,
moderate Lohnerhöhungen und weniger stark belastende Arbeitskosten. "Wenn ich zwei Service-Mitarbeiter
jeweils in Deutschland und Österreich beschäftige, habe ich hierzulande um zehn Prozent mehr Kosten zu
tragen, auch durch doppelt so hohe Überstundenzuschläge und Ersatzruhetage. Das ist wettbewerbsschädigend."
Günther Apfalter, President Magna International Europe sowie Steyr, verwies auf die konkreten Standortvorteile
Deutschlands durch die moderaten Lohnabschlüsse: "In der automotiven Industrie ist es den Deutschen gelungen,
über die Jahre rund 750.000 Arbeitsplätze zu halten, während etwa in England, Frankreich oder Italien
massiv Beschäftigung abgebaut wurde." In der internationalen Betrachtung werde als erstes Deutschland
genannt, wenn es um Industriestaaten in Europa gehe. Österreich komme da nur unter "ferner liefen, wenn
man so will, fast wie ein Wurmfortsatz. Dabei sollten wir uns aus diesem Eigen- und Fremdbild herausbewegen und
uns vielmehr unserer Stärken, unseres USPs, bewusst werden".
Schöne Landschaft, Mozartkugeln - oder doch Talent, Know-how und Flexibilität
Apfalter weiter: "Dabei geht's ums Auffallen auf der internationalen Bühne. Und zwar nicht durch
landschaftliche Schönheit oder Mozartkugeln, sondern durch Mitarbeiterkompetenz und Flexibilität".
Ederer zu den besonderen Stärken der österreichischen Industrie:
"Aus meiner Sicht ist unser USP unser Talent zur Improvisation und zum Finden von Lösungsansätzen.
Das unterscheidet uns von vielen Mitbewerbern. Dass wir USP haben, ist klar ersichtlich: Wenn man so viel exportiert
wie die österreichische Industrie, kann man nur gut sein".
Menz fasst zusammen: "Fraglos hat Österreich wichtige Vorteile in der Gastlichkeit, beim Fleiß
der Beschäftigten, in der Rechtssicherheit und im sozialen Bereich. Ein echtes Problem ist aber der vorhandene
Reformstau, der ohne Maßnahmen zu einem Zukunftshemmnis werden wird."
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