Das Burgenland hat eine SPÖ/FPÖ-Koalition

 

erstellt am
08. 06. 15
11.00 MEZ

Wien (öj) - Das ging besonders schnell: Am Abend des 05.06. gaben Burgenlands Landeshauptmann und SPÖ-Landesvorsitzender Hans Niessl und FPÖ-Landesparteiobmann Hans Tschürtz bekannt, daß sie sich auf eine gemeinsame Regierung für die kommenden fünf Jahre geeinigt hätten. Die Verhandlungen dauerten nur sehr kurz, schließlich war ja erst am Sonntag, dem 31.05., gewählt worden (siehe hier >). Das schürte die Vermutung, es habe bereits vor den "offiziellen" Verhandlungen eine Koalition vorbereitende gegeben, sonst wäre ein so schnelles Ergebnis nicht zu erzielen gewesen. Dagegen spricht aber, daß ein gemeinsames Regierungsprogramm für eine Legislaturperiode von fünf Jahren wohl kaum unbemerkt über die Bühne hätte gehen können.

Jedenfalls steht jetzt fest, daß die ÖVP sich bereits auf die Oppositionsrolle einstellt und mit einem Wechsel an der Spitze auch personelle Konsequemze gezogen hat: nach dem Rückzug des bisherigen Landeshauptmann-Stv. Franz Steindl wurde nun Eisenstadts Bürgermeister Thomas Steiner Obmann der ÖVP Burgenland.

Der "Tabubruch" von Hans Niessl, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen, hat vor allem in der SPÖ teils große Bestürzung, aber auch massiven Ärger ausgelöst. Die Stellungnahmen reichen von "wollen dem Burgenland nicht hineinreden" bis zur Forderung, Niessl aus der SPÖ auszuschließen, der ja immerhin Stellvertreter des Bundesparteivorsitzenden Werner Faymann ist.

Im einem Interview in der Sonntagausgabe der "Kleinen Zeitung" hatte Niessl seine Koalitionsentscheidung damit verteidigt, daß "die rote Basis" im Burgenland dazu befragt habe. In dieser Urabstimmung hätten sich 88 Prozent der SPÖ-Mitglieder für Verhandlungen mit allen anderen Parteien, inklusive FPÖ ausgesprochen. Er kenne, so Niessl in dem Interview, keine andere SPÖ-Landesorganisation, die in den letzten Jahren ihre Mitglieder befragt habe. Tags zuvor hatte Niessl in der ORF-Radioserie "Im Journal zu Gast" jenen Kritikern entgegengehalten, die ihm engste Zusammenarbeit mit einer "rechtslastigen Partei" vorwerfen, "die FPÖ Burgenland ist anders".

Möglich wurde diese neue Konstellation erst dadurch, als der Burgenländische Landtag am 11.12.2014 mit der Abschaffung des Proporzsystems eine Änderung der Landesverfassung beschlossen hat - mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen und, pikanterweise, gegen die Stimmen der FPÖ, die nun erst dadurch Koalitionspartner werden konnte. In der Vergangenheit war es so, daß die Regierungssitze möglichst genau im selben Verhältnis zugeteilt wurden, in dem die jeweiligen Parteien Stimmen erhalten hatten. Nun ist es so, daß die stimmenstärkste Partei zu Sondierungsgesprächen einlädt und sich dann mit einer der unterlegenen Parteien zu einer Koalitionsregierung zusammenschließt.

Für den Abend des 08.06. hatte SPÖ-Vorsitzender Faymann eine dringliche Sitzung des Bundesparteipräsidiums in Wien einberufen, um zu klären, wie man weiter mit diesem brisanten Thema umgehen wird. Dem Vernehmen nach wird es die SPÖ künftig so handhaben, daß es SPÖ- Funktionären in Ländern und Gemeinden freigestellt werden würde, ob sie mit der FPÖ zusammenarbeiten wollen. Für die Bundesebene habe Faymann dies neuerlich definitiv ausgeschlossen.

Neue Landesräte
Der neuen Burgenländischen Landesregierung wird künftig neben Landeshauptmann Hans Niessl, Finanzlandesrat Helmut Bieler und Frauen- und Familienlandesrätin Verena Dunst auch der Burgenländer Norbert Darabos (er war bisher u.a. Verteidigungsminister und zuletzt SPÖ Bundesgeschäftsführer) angehören. Er wird für die Ressorts Soziales und Gesundheit zuständig sein, das auch die Arbeitsbereiche Arbeitsmarkt und Asyl beinhalten. Weiters neu in der Regierung ist Astrid Eisenkopf, die der Finanzabteilung und dem Beteiligungsmanagement im Amt der Burgenländischen Landesregierung angehörte. Sie wird das "Zukunftsressort" mit Umweltschutz und Jugend verantworten.

FPÖ-Landeshauptmann-Stv. Hans Tschürtz wird als Landesrat künftig für Wirtschaft, Tourismus und Sicherheit verantwortlich sein. FP-Klubdirektor Alexander Petschnig wird Landesrat für Wirtschaft und Tourismus..

Neuer Landtagspräsident
Durch die Neukonstituierung des Landtags ergibt sich auch ein Wechsel an dessen Spitze: der bisherige SPÖ-Klubobmann Christian Illeditz wird den bisherigen Präsidenten Gerhard Steier ablösen. Dritte Landtagspräsidentin wird FP-LAbg. Ilse Benkö


 

 Faymann: Bundesweite Verhandlungen mit der FPÖ ausgeschlossen
Bundeskanzler bekräftigt seine Linie gegenüber den Freiheitlichen
Wien (sk) - Bundeskanzler Werner Faymann hat am 07.06. in der ORF2-Sendung "Hohes Haus" seine Haltung zu einer bundesweiten Koalition mit der FPÖ nochmals bekräftigt. Eine solche sei auf keinen Fall eine Option. "Ich werde mit dieser FPÖ keine Regierung bilden. Ich habe vor der Wahl mein Wort gegeben, und darauf kann man sich auch nach der Wahl verlassen", machte Faymann deutlich. Dass Landeshauptmann Hans Niessl im Burgenland mit den Freiheitlichen koaliert, läge in dessen eigener Verantwortung. "Es gibt einen klaren Beschluss auf Bundesebene, den halte ich ein. Aber Landesorganisationen treffen ihre eigenen Entscheidungen", so Faymann. Der Bundeskanzler unterstrich, dass Niessl bereits vor der Wahl angekündigt hatte, mit allen Parteien zu verhandeln und dass die Mitglieder der Landespartei dem in einer Abstimmung zugestimmt hätten.

Die hetzerische Politik der Freiheitlichen müsse weiterhin mit positiven Reformen bekämpft werden, so Faymann weiter. "Themen wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Asylpolitik werden wir offensiver angehen", stellte der Bundeskanzler fest. Nur so könne man sich den Ängsten und Sorgen der BürgerInnen annehmen. Man dürfe sich diesen Fragestellungen nicht in derselben Weise annehmen wie die FPÖ, die vom Lügen und Hetzen lebe. "Es geht nicht darum, wer besser lügt", sagte Faymann.

Eine ebenso klare Stellungnahme zu einer möglichen Koalition mit den Freiheitlichen forderte der Bundeskanzler auch von ÖVP-Chef Mitterlehner ein. "Ich wünsche mir, dass Mitterlehner bis zur Wahl 2018 den WählerInnen deutlich sagt, was sie nach der Wahl erwartet", sagte Faymann. Einen fliegenden Wechsel im Parlament fürchtet der Kanzler aufgrund der Übertritte der Team Stronach-Abgeordneten Franz und Vetter nicht: "Die Scherze des Herrn Lopatka nehme ich nicht ernst. Mitterlehner ist ÖVP-Parteichef, bereits der vierte, mit dem ich arbeite. Ihn nehme ich ernst und ich muss ihm keinen fliegenden Wechsel unterstellen, nur weil er ein paar Scherzbolde an Bord holt", so Faymann abschließend.


 

 Mitterlehner: ÖVP Burgenland geht neue Aufgaben in neuer Aufstellung an
Dank an Franz Steindl für langjähriges Engagement und verlässliche Zusammenarbeit - Bundesparteiobmann wünscht neuem Landesparteichef Thomas Steiner alles Gute und viel Erfolg
Wien (övp-pd) "Ich danke Franz Steindl für sein langjähriges Engagement, seinen großen Einsatz für die Österreichische Volkspartei und das Burgenland und die sehr gute Zusammenarbeit", bedankt sich ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei Franz Steindl, der seit 2001 als Landesparteiobmann der ÖVP Burgenland und Landeshauptmann-Stellvertreter die burgenländische Politik maßgeblich mitgestaltet hat. "Franz Steindl war auch für uns auf Bundesebene ein verlässlicher Partner, der stets eine konstruktive Zusammenarbeit gelebt hat", so Mitterlehner.

Mit der Ankündigung einer rot-blauen Koalition im Burgenland kommen nun neue Aufgaben auf die ÖVP Burgenland zu. Der neue Landesparteiobmann Thomas Steiner hat bereits angekündigt, dass die ÖVP die künftige Oppositionsrolle aktiv gestalten und mit Besonnenheit und Entschlossenheit angehen wird. "Das ist der richtige Ansatz, um neue Wege zu gehen und die ÖVP und das Burgenland wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Ich wünsche Thomas Steiner persönlich und im Namen der gesamten Österreichischen Volkspartei alles Gute und viel Erfolg", betont Mitterlehner. "Als Eisenstädter Bürgermeister hat Thomas Steiner bereits bewiesen, dass er für eine bürgernahe Politik steht. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm und wünsche ihm für seine neuen Aufgaben viel Erfolg", betont Reinhold Mitterlehner.


 

FPÖ: Strache gratuliert Tschürtz und burgenländischen Freiheitlichen
Wien (fpd) - FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache gratulierte Hans Tschürtz und den burgenländischen Freiheitlichen zu den erfolgreich geführten Regierungsverhandlungen. Nach dem fulminanten Wahlergebnis bei den Landtagswahlen sei dies nun der nächste Meilenstein freiheitlicher Politik im Burgenland. Es handle sich dabei um die Umsetzung des Wählerwillens, wofür auch Landeshauptmann Niessl Respekt zu zollen sei, der sich von der Ausgrenzungs- und Einigelungsmentalität der SPÖ befreit habe.

Mit Hans Tschürtz als Landeshauptmannstellvertreter und Alexander Petschnig als Landesrat sei eine gedeihliche Zukunft des Burgenlands sichergestellt, betonte Strache. Die FPÖ werde nun zeigen, dass sie auch in dieser Landesregierung hervorragende Arbeit leiste.


 

 Glawischnig: Niessl begeht den roten Tabubruch
SP-Parteitagsbeschluss 'Keine Koalition mit der FPÖ' ist das Papier nicht mehr wert
Wien (grüne) - "LH Niessl begeht den roten Tabubruch und will in Koalition mit der Milliarden-Verzocker-Partei FPÖ gehen, von der der eigene Bundesvorsitzende sagt, dass sie mit 'Aufhetzen Politik macht' (Faymann im montägigen ORF-Report). Damit macht er die FPÖ innerhalb der Roten salonfähig. Der rote Parteitagsbeschluss 'keine Koalition mit der FPÖ' ist das Papier nicht mehr wert, auf den er geschrieben wurde", kritisiert Eva Glawischnig, Klubobfrau und Bundessprecherin der Grünen.

Völlig unverständlich ist die Entscheidung Niessls auch deshalb, weil das Burgenland wie keine andere Region Österreichs von der EU profitiert hat. Nun will der SP-Chef mit einer Partei koalieren, die für eine Grenzen dicht-, Schotten zu- und Raus aus dem Euro-Politik steht. "Das ist für die BurgenländerInnen ein absoluter Rückschritt", kritisiert Glawischnig.


 

Dietrich: Niessl folgt dem Wählerwillen
Wien (stronach) - "Wenn die SPÖ den unaufhaltsamen Aufstieg der FPÖ eindämmen will, dann muss sie sie in die Verantwortung und damit in die Regierung holen", stellt Team Stronach Klubobfrau Waltraud Dietrich zu den Aussagen von Burgenland-Landeshauptmann Niessl in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" fest. Die bisherige Ausgrenzungspolitik sei jedenfalls kontraproduktiv gewesen, zudem "muss der Wählerwille in einem demokratischen System respektiert und umgesetzt werden", so Dietrich. Generell sei jede Partei, die sich "im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt, ein potentieller Partner", so Dietrich in Richtung der Kritiker der rot-blauen Koalition.

Die Großparteien wären gut beraten, darüber nachzudenken, "warum so viele Protestwähler für die FPÖ gestimmt haben." Sie sollten ihre bisherige Politik gründlich überdenken, "die sich immer mehr vom Bürger entfernt hat und deren Wünsche, Bedürfnisse und Ängste ignoriert", betont Dietrich.

 

 

 

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