EU-Hauptausschuss diskutiert über Quoten, Standards und Maßnahmen in Krisengebieten
Wien (pk) - Der zweite große Schwerpunkt im EU-Hauptausschuss am 24.06.
war das Thema Migration. "Die europäische Diskussion wird klarlegen müssen, dass die Lösung
nicht nur beim Nachbarn liegen kann, sondern die Bereitschaft aller da sein muss, einen Beitrag zu leisten",
machte Bundeskanzler Werner Faymann in diesem Zusammenhang klar. Derzeit würden sich in Europa einige Länder
vor ihren diesbezüglichen Verpflichtungen drücken.
Faymann: Europa braucht faire Verteilung der Flüchtlinge und Bereitschaft der Staaten, Standards zu gewährleisten
Man könne in Europa zwar durchsetzen, dass die Dublin-III-Verordnung - wonach für die AsylbewerberInnen
stets das Land zuständig ist, das die BewerberInnen zuerst betreten haben - rechtlich anerkannt werden muss,
meinte er in Richtung auf die jüngste Entscheidung Ungarns, die Verordnung außer Kraft zu setzen und
keine Flüchtlinge mehr zurückzunehmen. Diese rechtliche Durchsetzung von Dublin könne aber nur dann
funktionieren, wenn sich alle Länder zu einer gerechten Aufteilung verpflichten und auch bereit sind, entsprechende
Standards zu gewährleisten. Sind diese nämlich nicht vorhanden, sei es auch nicht möglich, Asylsuchende
in jenes Land zurückzuschicken, wo sie nach geltenden Verträgen ihren Asylantrag stellen müssen.
Der Bundeskanzler zeigte sich aber skeptisch, dass es beim morgigen Rat zu einer Lösung der quotenmäßigen
Zuteilung von Asylsuchenden und einer Erklärung der Mitgliedsstaaten kommen werde, entsprechende Betreuungsstandards
sicherzustellen.
Dem pflichtete auch Außenminister Sebastian Kurz bei, der vor allem an Ungarns Politik harsche Kritik übte.
Er habe daher auch den ungarischen Botschafter ins Ministerium zitiert und man prüfe überdies eine Vertragsverletzungsklage.
Die Migrationsproblematik habe durch die Vorgangsweise Ungarns besondere Brisanz gewonnen, meldete auch Werner
Amon (V) seine Bedenken an und warnte davor, Dublin-III auszusetzen. Wenn Dublin nicht funktioniert, dann ist man
rasch beim Schengen-Vertrag und dann ist damit eine der wesentlichen Grundfreiheiten in Frage gestellt, so Amon.
Sowohl Bundeskanzler als auch Außenminister gaben zu bedenken, dass die Flüchtlingsbewegung und die
daraus resultierenden Probleme nicht kurzfristig gelöst werden können. Man müsse dort ansetzen,
woher die Fluchtbewegungen entstehen. Faymann verwies vor allem auf die Krisenherde in Syrien und im Nahen Osten,
denn aus diesen Regionen habe sich der Flüchtlingsstrom dramatisch erhöht. Kurz sprach von einer Zunahme
von 1000 % aus dem Irak und von 300 % aus Syrien. Der Kanzler plädierte daher mit Nachdruck dafür, verstärkt
Beiträge zu Konflikt- und Friedenslösungen zu leisten, auch wenn die Möglichkeiten der EU und auch
Österreichs begrenzt seien. Langfristig müsse man dafür sorgen, dass weniger Menschen die Notwendigkeit
haben, Asyl zu suchen. Faymann begrüßte daher auch die Intention, gemeinsam mit dem UNHCR in den betreffenden
afrikanischen Ländern Maßnahmen zu setzen.
Grundsätzlich warnte Außenminister Kurz davor, naiv zu sein. Vor allem der IS-Terror verlange ein konsequentes
militärisches Vorgehen. Kurz hofft, dass die Luftangriffe gegen den IS ausgeweitet werden.
Wenig Hoffnung in die Lösungskompetenz der EU in dieser Frage setzte vor allem die FPÖ. All diese Punkte
diskutiere die EU seit Jahren, das Ergebnis sei aber gleich null, meinte Reinhard Eugen Bösch (F). In ähnlicher
Weise äußerte sich Rouven Ertlschweiger (T) und mahnte ein nachhaltiges Konzept ein, zumal ein "ganzer
Kontinent auf dem Weg" sei. Christoph Vavrik sprach seitens der NEOS von einem "Trauerspiel", das
sich derzeit auf EU-Ebene abspielt.
Appell an innerösterreichische Solidarität
Der Appell des Bundeskanzlers nach einer fairen Aufteilung der Flüchtlingsströme richtete sich aber nicht
nur an die EU, sondern auch an die Bundesländer und Gemeinden in Österreich selbst. Kein europäischer
Schritt entbindet Österreich, auch weiterhin seine Hausaufgaben in dieser Frage zu machen, unterstrich Faymann
und wurde darin insbesondere von Josef Cap (S) unterstützt. Grenzkontrollen, für die sich Reinhard Eugen
Bösch und Andreas Karlsböck (beide F) ausgesprochen hatten, hielt der Bundeskanzler für wenig zielführend.
Kontrollen an der Grünen Grenze funktionieren einfach nicht, sagte er, man solle Grenzkontrollen nicht überschätzen.
Abgeordnete für EU-Quote bei Flüchtlingsaufteilung
Dass Europa endlich Schritte setzen müsse, darüber waren sich alle einig, vor allem sprachen sich die
Abgeordneten übereinstimmend für eine faire Quotenregelung innerhalb der Europäischen Union aus.
"Wir brauchen Quoten auf EU-Ebene und selbstverständlich auch eine Quote in Österreich, wenn einige
es an Solidarität vermissen lassen," unterstütze Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf
die Linie des Bundeskanzlers. Auch Christine Muttonen (S) sprach sich dezidiert für eine Quote aus. Die EU-Institutionen
seien sich sehr wohl dessen bewusst, dass man eine Quote braucht, warf Werner Amon (V) in die Diskussion ein. Einen
Grund für das Nichtzustandekommen einer Lösung sah er in aufkeimenden Nationalismen und in der Haltung
gemäß dem Floriani-Prinzip. Es sei undenkbar, dass zehn Länder 90 % der Last tragen, denn das führe
dazu, dass die Unterstützung in der Bevölkerung schwindet. Löst man das Problem nicht, dann lösen
es andere, so die Warnung des ÖVP-Abgeordneten.
Umfassender Ansatz gesucht
Konsens bestand auch darin, dass man dort ansetzen müsse, wo die Probleme entstehen. Die Sicherheits- und
Integrationspolitik könne die Gesamtproblematik alleine nicht lösen, meinte Josef Cap (S) in diesem Zusammenhang,
vielmehr stelle sich dabei auch ein außen- und wirtschaftspolitisches Problem. Der außenpolitische
Sprecher der SPÖ plädierte daher für eine engere Zusammenarbeit mit den USA, China aber auch mit
Russland, weil es sich bei diesen Staaten um wichtige geopolitische Player handle.
In diesem Zusammenhang legten die Grünen einen Antrag auf Stellungnahme vor, der jedoch keine Unterstützung
der anderen Fraktionen fand. Die Grünen verlangen ein Gesamtkonzept und kritisieren darin vor allem die Militäraktion
im Mittelmeerraum. Sie fordern, das militärische Vorgehen gegen Flüchtlingsschiffe sofort zu beenden.
Für die Rettung der Schutzsuchenden soll ein sicherer Korridor geschaffen werden, erläuterte Tanja Windbüchler-Souschill
(G) die Initiative der Grünen. Weitere Forderungen betreffen eine grundlegende Reform des Dublin-Systems und
eine ausgewogene Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU. Windbüchler-Souschill spricht sich in dem
Antrag mit ihren Kollegen auch dafür aus, eine solidarische und nachhaltige Asylpolitik mit Krisenprävention
und die Möglichkeit legaler Einreisen zu etablieren und vor allem eine menschenrechtssensible EU-Handelspolitik
zu betreiben. Die EU habe mehrfache Verantwortung, bekräftigte Werner Kogler und wies vor allem auf die Wirtschaftspolitik
der Union, der USA und China hin, die den Menschen insbesondere in den afrikanischen Ländern die Lebensgrundlagen
entzögen.
Diskussion über EU-Militäraktion im Mittelmeer
Die Kritik der Grünen an der Mission der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Mittelmeer wurde
lediglich von den NEOS geteilt. Für Christoph Vavrik (N) steht dieser Einsatz von Kriegsschiffen in keinem
Verhältnis zu den Schlauchbooten. Das Geld sollte man seiner Meinung nach sinnvoller einsetzen.
Im Gegensatz dazu verteidigte Karlheinz Kopf die Militärpräsenz. Diese sei eine rein passive beobachtende
Präsenz, sagte er und mehr wolle man auch nicht. Kopf hält die Maßnahme deshalb für notwendig,
um dem Hauptproblem, dem Schlepperunwesen, zu begegnen. Ebenso warb Außenminister Kurz für die Unterstützung
dieser Mission, um gegen die Schleppernetzwerke vorzugehen, die, wie er sagte, so sensibel wie die Börse reagieren.
Die Mission sei so angedacht, dass die Boote erst gar nicht losfahren können, erläuterte Kurz die Intention
der EU. Grundsätzlich machte er aber darauf aufmerksam, dass der Großteil der Flüchtlinge in Österreich
nicht über das Mittelmeer, sondern über die Türkei und die Balkanroute kommen. Auch nach Ansicht
von Reinhard Eugen Bösch (F) kann man den Flüchtlingsstrom nur dann eindämmen, wenn man verhindert,
dass die Menschen aufs Mittelmeer hinausfahren.
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