Landesparlamente als reale und
 digitale Lernorte vermarkten

 

erstellt am
17. 01. 17
13:00 MEZ

Linz (lk) - Politische Bildung, vor allem für Jugendliche, erlangt in Zeiten von Terrorismus und steigender Radikalisierung immer mehr an Bedeutung. Bürgernähe und spezielle jugendgerechte Projekte sollen die jungen Menschen für Politik und aktives Mitgestalten begeistern. Ein Grund auch über den Tellerrand in die Nachbarbundesländer und Nachbarländer zu blicken und Erfahrungen auszutauschen. Mit der Arbeitsgruppe „Jugendprojekte in den Landesparlamenten“ wurde eigens eine Plattform von den deutschen, österreichischen und dem Südtiroler Landtag eingerichtet. „Die Aufgabe, Jugendliche zu informieren und für Politik zu begeistern meistern die Landesparlamente von Deutschland, Südtirol und Österreich mit ganz unterschiedlichen Formaten, Projekten und Veranstaltungen. Deshalb haben wir uns bereits zum dritten Mal – dieses Mal in Linz - über Best-Practice-Beispiele ausgetauscht und neue Ideen und Herangehensweisen an das Thema Jugend und Politik entwickelt“, betont Landtagspräsident KommR Viktor Sigl. Erstmals mit dabei war der Kantonsrat Zürich, der sich ebenfalls verstärkt mit Jugendprojekten beschäftigt und deshalb in die Arbeitsgruppe einbringen möchte.

Die Treffen tragen erste Früchte und das gemeinsame Projekt „Bildungs-Cloud“ befindet sich in der Finalisierung. Die Online-Projektdatenbank sammelt die Best-Practice-Beispiele aller Landtage und stellt die Inhalte und Beschreibungen allen zur Verfügung.

Einen Schwerpunkt bei diesem Treffen stellten auch die digitalen Bildungs- und Informationsangebote der Landesparlamente dar. In ihrem Vortrag betonte Helga Schiffer von der Agentur Müllers Freunde, dass es unter den Jugendlichen keine Politikverdrossenheit gibt. Sondern mit dem richtigen Format kann bei Jugendlichen Begeisterung und Interesse für Politik geweckt werden: „Digitale Angebote erzeugen keine Identifikation mit Politik und Demokratie, sondern sind eine Ergänzung zu Projekten mit Erlebniseffekt – wie der „Werkstatt für Demokratie“ am Politikschauplatz Landhaus.“ Professor Peter Parycek (Donau Uni Krems) ergänzte diese Ansicht noch um eine technische Komponente: „Der Weg von Jugendprojekten muss weg von Homepages führen, hin zu Apps und mobilen Versionen. Damit können Landesparlamente Jugendliche erreichen.“

Was erwarten Jugendliche von der Politik
Der zweite Tag stand unter dem Motto „Zielgruppen am Wort“. In der ersten Runde stellten die Pädagogen Bernhard Leitgeb (Berufsschuldirektor in Mattighofen) und Elmar Mattle (Lehrer am Aloisianum) ihre Erwartungen an die Landesparlamente vor. „Politische Bildung in den höheren Schulen kommt leider oftmals zu kurz. Es ist einerseits in allen Lehrplänen aller Schulstufen und Schultypen in verschiedenen Gegenständen verankert. Nur gibt es eben kein eigenes Schulfach. Die Berufsschulen sind in Sachen politische Bildung in einer Vorbildfunktion. Nun liegt es auch an der Politik, dies auf alle Schule auszuweiten“, so Sigl.

Auch die Jugend – die Schülervertreter Cornelia Schlick, Martin Gruber und Philipp Huber – präsentierten in der Arbeitsgruppe die Forderungen der jungen Menschen. „Die Schülervertreter haben uns klargemacht, dass wir nicht nur Projekte für Jugendliche machen sollten, sondern vor allem mit Jugendlichen – also die jungen Menschen bereits in die Entwicklungsphase einbeziehen sollten. Weiters soll Politik erlebbarer und vor allem greifbarer werden. Wir Politikerinnen und Politiker müssen deshalb verstärkt selber als „Botschafter“ in Sachen politische Bildung aktiv werden, Imagearbeit in eigener Sache betreiben und Informationen aus erster Hand liefern. Lehrer und Schüler wünschen sich, dass Politikerinnen und Politiker vor Ort in Schulen mit den Jugendlichen diskutieren“, erklärt Sigl. Diskutiert wurde auch über die hilfreichen Unterrichtsmaterialien und Unterlagen für politische Bildung. Die österreichischen Landtage etwa möchten sich künftig konstruktiv-kritisch in die Überarbeitung von Schulbüchern einbringen, damit dort auch die Landesebene und die Vorteile eines föderalistischen Systems entsprechend vermittelt werden.

Integration als künftige Herausforderung
Dr. Selcuk Hergüvenz, zuständig für Ausländerbetreuung und interkulturelles Lernen beim Landesschulrat für Oberösterreich, informierte über die vielfältigen Integrations-Maßnahmen in den Bereichen Kindergärten, Schulen und Erwachsene. So gibt es unter anderem ein speziell eingerichtetes interkulturelles Beraterteam des Landesschulrats mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen der Schule und den Migranten- bzw. Flüchtlingsfamilien zu verbessern. „Es ist auch wichtig, mittels Kindergarten und Schule die Eltern zu erreichen, um so den Spracherwerb zu fördern und gleichzeitig auch wichtige Informationen über unser Gesellschaftssystem zu vermitteln“, so Hergüvenz, für den die Migranten- und Moscheevereine ebenfalls ein zentraler Anknüpfungspunkt für Integrationsmaßnahmen und Wertevermittlung sind.

Professorion Katharina Pabel, Dekanin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der JKU Linz, brachte ihre Überlegungen zur Integration als Grundlage für Deradikalisierung und demokratische Teilhabe in die Diskussion ein. „Nur wer sich als Teil einer Gesellschaft begreift, wird das System auch mittragen und verteidigen,“ ist Pabel überzeugt. Die Aufgabe des Landtages sieht sie konkret darin, Demokratie vorzuleben und dafür zu werben. Integration kann ihrer Meinung nach nicht gesetzlich verordnet oder erzwungen werden. Die Gesetzgebung stehe allerdings vor der Herausforderung, die Grenzen der Toleranz festzulegen, da unsere Grundrechte Minderheiten schützen und es ja erlauben, anders zu leben, als die Mehrheit. Als aktuelles Beispiel nennt sie die Debatte um das Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst.

     

Siehe auch Auch Demokratievermittlung ist Aufgabe der Landesparlamente

 

 

 

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