Wiener Motorensymposium: Elektrifizierung für die breite Masse wird eingeläutet
Wien (oekv - Während die Optimierung des herkömmlichen Verbrennungsmotors beim Internationalen
Wiener Motorensymposium in Fachdiskussionen nach wie vor breiten Raum einnimmt, rückt das Thema Elektrifizierung
immer mehr in den Vordergrund. Autoproduzenten stehen unter Strom, um restriktive Verbrauchsnormen und verschärfte
CO2-Flottenemissionsziele zu erfüllen. Die großen Hersteller schlagen dabei verschiedene Wege ein, zeigte
sich am Vormittag des 28.04. in mehreren Fachvorträgen. Elektrifizierte Antriebskonzepte reichen dabei vom
einfachen Freilauf bis hin zu komplexen Szenarien mit Wasserstoff und Brennstoffzellen.
Volkswagen elektrifiziert den neuen Golf
Bei Volkswagen bilde die Elektrifizierung eine zentrale Säule der Antriebsstrategie, betonte DI Friedrich
Eichler, Leiter der VW-Aggregateentwicklung. Als Weltpremiere biete Volkswagen das innovative Freilauf Motor Aus-System
(FMA) erstmalig im neuen Golf BlueMotion mit EA211 1,5l TSI evo-Motor und Doppelkupplungsgetriebe DQ200 an. Dieser
Mikrohybrid ermöglicht ein Hybrid-ähnliches Fahrverhalten mit Segelphasen, in denen der Antrieb ausgekuppelt
und der Motor abgestellt wird. Diese Segelphasen nutzen die kinetische Energie des Fahrzeugs optimal und senken
den Verbrauch im Praxisbetrieb um bis zu 0,2 l/100 km, gegenüber einem Start-Stopp-System ohne Segelfunktionalität
sogar um bis zu 0,4 l/100 km.
Was den seit 2014 angebotenen batterieelektrisch betriebenen e-Golf betrifft, präsentierte DI Eichler die
positiven Ergebnisse der aktuellen Überarbeitung. So konnte die Reichweite von 190 auf 300 km erhöht
werden, wobei die Höchstgeschwindigkeit von 140 auf 150 km/h stieg. Die Leistung des E-Motors beträgt
nun 100 statt 85 kW, das Drehmoment legte von 270 auf 290 Nm zu.
Ab 2020 werde Volkswagen Modelle auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) auf den Markt bringen,
kündigte DI Eichler an. Damit setze die Marke den entscheidenden Schritt zur Breitenelektrifizierung.
Honda feilt an der Realisierung der Wasserstoffgesellschaft
Den Beitrag des japanischen Automobilherstellers Honda zur „Realisierung der Wasserstoffgesellschaft“ skizzierte
Senior Chief Engineer Nobuhiro Saito von Honda R&D. Mit dem im Vorjahr gestarteten Leasingprogramm für
das neu entwickelte Clarity Fuel Cell Brennstoffzellenfahrzeug seien gegenüber mehreren Vorgängermodellen
deutliche Verbesserungen erzielt worden, so biete das hoch integrierte Brennstoffzellensystem eine nochmals verbesserte
Leistungsdichte bei gestiegener Dauerhaltbarkeit. Die kompakte Brennstoffzelle mache das Clarity Fuel Cell Brennstoffzellenfahrzeug
zur ersten fünfsitzigen Limousine, in der das gesamte Antriebssystem im Vorderwagen untergebracht sei.
Honda beschränke sich nicht auf die Entwicklung von Brennstoffzellenfahrzeugen, sondern beschäftige sich
auch mit Technologien zur Produktion von Wasserstoff, betonte Nobuhiro Saito. Und noch weiter denkt Honda auf dem
Weg zur Wasserstoffgesellschaft:
So stellt der Autoproduzent mit dem mobilen „Power Exporter“ ein handliches Gerät bereit, mit dem die Brennstoffzelle
des Autos als Stromaggregat für externe Verbraucher – zum Beispiel 200-Volt-Haushaltsstrom oder Strom zur
Versorgung in Katastrophenfällen – genutzt werden kann, quasi als Kleinkraftwerk ohne lokale Emissionen außer
Wasserdampf.
Daimler erzielt weitere Fortschritte beim Einsatz der Brennstoffzelle
Über den aktuellen Stand der seit Jahren von der Daimler AG mit großem Aufwand betriebenen Erforschung
und Entwicklung der Brennstoffzelle berichtete Dr.-Ing. Steffen Dehn, Leiter System Engineering Brennstoffzellen-Antrieb
der NuCellSys GmbH, einer 100prozentigen Daimler-Tochter. Daimler sehe sich als Technologieführer auf diesem
Gebiet, die Brennstoffzellentechnologie sei nach wie vor integraler Bestandteil der Antriebsstrategie von Daimler.
Die Vorteile: hohe Reichweite bei gleichzeitig kurzen Betankungszeiten und zugleich breite Einsatzmöglichkeiten
von Pkw bis hin zu Stadtbussen.
Mit mehr als acht Millionen gefahrenen Kilometern in der B-Klasse F-CELL Brennstoffzellenflotte verfüge die
Daimler AG über die größte Erfahrung mit Brennstoffzellenfahrzeugen in Kundenhand. Bei ausschließlich
positiven Kunden-Rückmeldungen betrage die Betankungszeit im Realbetrieb weniger als drei Minuten, eine einzelne
B-Klasse F-CELL konnte mit mehr als 300.000 km Laufleistung sogar einen Dauerlaufrekord unter normalen Alltagsbedingungen
erzielen.
Gegenüber der seit 2010 produzierten B-Klasse konnten laut Dr. Dehn mit dem neuen Mercedes-Benz GLC F-CELL,
der noch heuer seine Weltpremiere feiern wird, signifikante Weiterentwicklungen erzielt werden. Das System ist
als Plug-In-Hybrid mit Brennstoffzelle ausgelegt, dessen Hochvolt-Batterie über Wallbox oder Steckdose aufgeladen
werden kann, um mit gespeicherter elektrischen Energie eventuelle Lücken in der Wasserstoff-Infrastruktur
überbrücken zu können. Dennoch konnte das gesamte Brennstoffzellensystem im Motorraum untergebracht
werden, wodurch ein Sandwichunterboden nicht mehr zwingend erforderlich ist. Weiterte Verbesserungen: die Reichweite
stieg von 380 auf 500 km, die Antriebsleistung verzeichnete ein Plus von 40 Prozent, der benötigte Bauraum
des Aggregats schrumpfte um 30 Prozent und die benötigte Platinmenge im Brennstoffzellen-Stapel sank um 90
Prozent.
Siehe auch hier >
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