Erste Lesung: Regierungsparteien sehen Trendwende, Opposition vermisst Strukturreformen und
warnt vor Sozialkürzungen
Wien (pk) – Das am 21. März von Finanzminister Hartwig Löger präsentierte
Doppelbudget hatte am 22. März im Nationalrat seinen ersten parlamentarischen Test zu bestehen. Die Erste
Lesung bot den Abgeordneten Gelegenheit, die "in Zahlen gegossene Regierungserklärung" einer eingehenden
Analyse zu unterziehen, wobei das Urteil der Fraktionen erwartungsgemäß sehr unterschiedlich ausfiel.
Während ÖVP und FPÖ eine Trendwende hin zu einem ausgeglichenen Haushalt orteten, warfen SPÖ
und Liste Pilz der Regierung vor, nicht beim System, sondern bei den Menschen zu sparen. Die NEOS wiederum bemängelten,
man habe die Gunst der Stunde nicht für Strukturreformen genützt.
ÖVP sieht Trendwende und begrüßt Entlastungen
August Wöginger sprach von einer Trendwende, die sich insbesondere durch den für 2019 geplanten ersten
Budgetüberschuss seit 65 Jahren manifestiere, und hob die Entlastung der Menschen, die Stärkung des Standorts
sowie Einsparungen bei der Zuwanderung als die drei Hauptaspekte hervor. Mit Nachdruck begrüßte der
Klubobmann der ÖVP den Familienbonus plus, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für
BezieherInnen niedriger Einkommen sowie die Reduktion des Steuersatzes auf Nächtigungen im Tourismus von 13%
auf 10%. Für Wöginger geht es bei den einzelnen Maßnahmen vor allem um eine neue soziale Gerechtigkeit.
Jenen Menschen, die sich selbst helfen wollen, dies aber nicht können, solle geholfen werden, nicht aber jenen,
die sich helfen könnten, dies aber nicht wollen, brachte er den Leitsatz seiner Fraktion auf den Punkt. Die
Einsparungen bei den Mitteln für die Arbeitslosen begründete Wöginger mit der derzeit sinkenden
Arbeitslosigkeit, stellte aber gleichzeitig klar, dass den einzelnen Arbeitslosen auch heuer wieder genauso viel
Geld zur Verfügung stehen werde wie 2017.
Die gute Konjunkturlage müsse nun zum Schuldenabbau genützt werden, bestätigte seine Fraktionskollegin
Angelika Winzig, die sich nun neue Spielräume für Zukunftsinvestition erwartet. Eingespart werde jedenfalls
bei der Verwaltung, bei den Förderungen und insgesamt im System, und nicht bei den Menschen, betonte sie einer
Meinung mit Wöginger. Die Regierung löse ihre Wahlversprechen ein, die Menschen werden entlastet, das
Budget wird bereinigt, Arbeit und Leistung sollen sich wieder lohnen, steht für Georg Strasser fest. Auch
für die Landwirtschaft werde es durch dieses Budget stabile Finanzen geben, zeigte sich der Präsident
des Bauernbundes zuversichtlich, der in diesem Zusammenhang die Leistungen der heimischen Landwirtschaft im Sinne
der Nachhaltigkeit hervorhob.
FPÖ: Leistung muss sich wieder lohnen
Die SPÖ habe in den letzten Jahren nichts anderes produziert als steigende Staatsverschuldung und importierte
Armut, lautete der Befund von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus. Die neue Regierung leite nun eine Trendwende
ein, "um all das wieder gut zu machen". Erstmals würden die Familien entlastet, man investiere überdies
verstärkt in den Sicherheitsbereich. Insgesamt stehe das Budget unter dem Motto "Österreicher zuerst",
dies vor allem als Reaktion auf die unkontrollierte Zuwanderung der letzten Jahre, unterstrich Gudenus.
"Leistung muss sich wieder lohnen", bekräftigte Erwin Angerer und bezeichnete das vorliegende Budget
als ersten Schritt in die richtige Richtung. Neben einer Entlastung der Leistungsträger geht es ihm vor allem
um Investitionen in die Sicherheit und um eine Verschlankung der Verwaltung im Sinne einer Föderalismusreform.
Den Generationenaspekt sprach Marlene Svazek an, wobei sie betonte, die Regierung nehme mit dem Schuldenabbau ihre
Verantwortung für die jungen Menschen wahr.
SPÖ: Regierung spart nicht im System, sondern bei den Menschen
Christian Kern warf ÖVP und FPÖ vor, ein Spektakel rund um das Nulldefizit aufzuführen, und stellte
fest, der Regierung sei bloß ein Konjunktureffekt in den Schoß gefallen. Der Überschuss hätte
sich auch ohne Zutun des Finanzministers eingestellt, bemerkte der Klubobmann der SPÖ übereinstimmend
mit Andreas Schieder und gab darüber hinaus zu bedenken, dass sich das strukturelle Defizit hingegen erhöht
habe. Kern kritisierte vor allem Aufblähungen bei der Bürokratie und wandte ein, das Sparen im System
sei letztlich ein Kürzen bei den Menschen.
Heftige Kritik übte er dabei am Stopp der Aktion 20.000 sowie den Streichungen bei der Neuen Mittelschule
und in der Integrationspolitik. Schieder wiederum warf der Regierung vor, bei den sozial Schwachen, bei Bildung,
Altersteilzeit und Pflege zu sparen und insgesamt eine Klientelpolitik für ihre Sponsoren zu betreiben. Wichtige
Strukturreformen sowie Investitionen in Zukunftsbereiche wie Pflege, Infrastruktur, Bildung und Umwelt vermisste
er hingegen. Von einer Trendwende könne keine Rede sein, pflichtete ihm auch Kai Jan Krainer bei, der daran
erinnerte, dass bereits letztes Jahr die Verschuldung abgenommen habe. Die Regierung kürze nun bei den sozial
Schwachen und bei der Integration, zeige aber keinerlei Bereitschaft, Steuerschlupflöcher zu schließen
und gegen Steuersünder vorzugehen, stellte Krainer irritiert fest.
NEOS: Regierung nützt die Gunst der Stunde nicht für Strukturreformen
Das Nulldefizit sei angesichts der hervorragenden Konjunkturlage eigentlich ein Selbstläufer, gab Matthias
Strolz zu bedenken und warf dem Finanzminister vor, mit seinem Budget eine national-konservative Verwaltungspolitik
mit rechtspopulistischen Fußnoten zu betreiben. Die Regierung nütze nicht die Gunst der Stunde für
Weichenstellungen, von den notwendigen Strukturreformen bei Pensionen, Föderalismus, Förderungen, Sozialversicherungen
und Transparenzdatenbank sei nichts zu sehen.
Die gute Konjunktur hätte der Regierung einen raketenhaften Start ermöglicht, stattdessen werde aber
bloß verwaltet und nicht gestaltet, bekräftigte auch Karin Doppelbauer, die ebenfalls Lösungen
für strukturelle Probleme vermisste. So werde allein die Abschaffung des Pflegeregresses zu neuen Ausgaben
führen, die im Budget noch gar nicht berücksichtigt seien, warnte sie. Dazu komme noch, dass man die
versprochene weitreichende Steuerreform verschoben und die Abschaffung der kalten Progression gänzlich abgeblasen
habe.
Liste Pilz: Es geht gegen das untere Einkommensdrittel
Bruno Rossmann ortete eine Trendwende hin zu einer neoliberalen Politik, bei der Asylberechtigte, Langzeitarbeitslose
und GeringverdienerInnen die Verlierer im System seien. "Es geht gegen das untere Einkommensdrittel",
fasste er seine Kritik am Budget zusammen und vermisste darüber hinaus eine Entlastung des Faktors Arbeit
durch eine Reform der Steuerstruktur und die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern.
Die Regierung habe den Ärmsten den Krieg erklärt, pflichtete ihm Peter Kolba bei. Gerade jene Familien,
die die Unterstützung am meisten brauchen, würden vom Familienbonus weniger bekommen, empörte er
sich und kritisierte darüber hinaus auch Kürzungen bei älteren ArbeitnehmerInnen und bei der Integration.
Dieses Budget trage zum Anheizen sozialer Konflikte bei, befürchtete er.
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