Der 68. Städtetag 2018 in Feldkirch wurde am 8. Juni fortgesetzt – Wodak, Schroeder, Häupl,
Berchtold, Maly am Podium
Feldkirch/Wien (städtetag) - In seiner Rede ging Generalsekretär Thomas Weninger auf die internationale
Ebene der Städte- und Gemeindepolitik ein: Er verwies auf die 17 Sustainable Development Goals (nachhaltige
Entwicklungsziele bzw. SDGs) ein, die die Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedet haben.
Hinter diesen Zielen steht der Anspruch, Armutsbekämpfung nicht mehr isoliert anzugehen, sondern Lebensstile
weltweit in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren und menschenwürdige Lebensstandards zu kreieren. Für
Weninger sind diese Ziele als umfassendes Konzept auf Städte- und Gemeindeebene sinnvoll anzuwenden, weil
es überall Anknüpfungspunkte dafür gebe. „Alle Ziele betreffen Bereiche, die Grundvoraussetzungen
dafür sind, dass die Lebensqualität in den Städten stimmt, sauberes Wasser, bezahlbare, saubere
Energie oder Maßnahmen. Ja, alles SDG-Ziele gehören zum kommunalen Tagesgeschäft“, so Weninger.
Weninger kritisierte, dass die Städte einerseits von der Bundesregierung aufgefordert worden wären, Menschen
vor Ort in Krisengebieten zu helfen, dass aber gleichzeitig die Mittel für internationale Entwicklungszusammenarbeit
gestrichen worden seien.
„Wir brauchen globale Lösungen vor Ort“, forderte Weninger und erinnerte an Benjamin Barber, der Festredner
beim Städtetag 2014 war: Think globally, act locally“.
„Wir brauchen ein Mehr an Internationalismus und ein Weniger an Nationalem, doch ohne Respekt und Wertschätzung
werden auch die 17 Ziele nicht gelingen“, warnte Weninger abschließend.
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Wodak, Schroeder, Häupl, Berchtold, Maly am Podium
Der 68. Städtetag wurde mit einer Talk-Runde über politische Kultur beendet. Unter Moderation des
langjährigen ORF-Journalisten Raimund Löw diskutierten Sprachwissenschafterin Ruth Wodak, Biochemikerin
Renée Schroeder, Ehrenpräsident des Städtebundes, Michael Häupl, Felkirchs Bürgermeister
Wilfried Berchtold und Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg über politische Sprache und Kultur.
Ruth Wodak griff in ihrem Impulsreferat auf eine Studie der Bertelsmann-Studie zurück und sagte, ältere,
weniger mobile Menschen hätten am meisten Angst vor Globalisierung, zudem würden sie Globalisierung mit
Migration gleichsetzen. Jüngere Menschen, die auch mobiler seien, hätten weniger Angst vor MigrantInnen.
Sie würden diese öfter treffen, die Angst sei daher nicht so groß. Die Studie weise laut Wodak
darauf hin, dass Menschen “Angst vor Dingen haben, die sie nicht kennen”. Dahinter würde auch eine Debatte
über Begriffe stehen, wie zum Beispiel Grenzzaun, Grenzmanagement oder Obergrenze, die auch Meinung und Ideologie
ausdrücken würden. Wodak: “Jeder der Begriffe ist mit Werten belastet.” So würden sehr schnell Positionen
markiert. “Sprache dient auch als Vorbereitung und Manifestation für politische Ideologie und für Gesetzwerdung
und Implementierung”, so Wodak. Sie sehe eine große Gefahr darin, dass auch “Fakten Meinungen gemacht werden”,
denn auch wenn - beispielsweise bei Deutschförderklassen - eine klare wissenschaftliche Expertise vorliege,
würde diese ignoriert oder man antworte darauf “I agree to disagree”, wodurch Fakten zu persönliche Meinungen
degradiert würden. Dies sei auch eine Gefahr für die Wissenschaft, denn, so Wodak, der “Status der Wissenschaft
muss respektiert werden”.
Eine Lösung gegen Populismus und Politikverdrossenheit sah Wodak darin, eine “andere Art von Dialog” mit der
Bevölkerung zu suchen und mehr Partizipation zu ermöglichen, und “die Vielstimmigkeit der Öffentlichkeit
zu bewahren.”
Oberbürgermeister Ulrich Maly sagte, dass die Menschen den Sager “uns ging`s noch nie so gut wie jetzt” nicht
spüren würden. Auf kommunaler und nationaler Ebene würde daher ein Suchprozess “was hält uns
zusammen” zu spüren sein. Es herrsche außerdem ein “Dauererregungszustand über illegale Migration”.
Er kritisierte die Verantwortlichen in der Europäischen Union: “Das Dublin-Abkommen hat nur so lange funktioniert,
so lange niemand kam”. “Faktenorientierte Diskussionen”, Weiterreden mit den Menschen seien für die Zukunft
wichtig.
“Wohin geht unsere Gesellschaft”, fragte der Ehrenpräsident des Städtbundes, Michael Häupl. Angst
sei Auslöser für den Zustrom zu rechtspopulistischen Parteien. Als Ursache sah er das “Auseinanderklaffen
zwischen Arm und Reich”. “Wir haben keine andere Möglichkeit, immer wieder das Gespräch zu suchen”, war
Häupl der Überzeugung und war damit mit Maly einig. Wobei er zugab, dass eine Diskussion “Kopf gegen
Emotion” schwer sei. Dennoch gebe es bei bestimmten Grundrechten, wie Bildung oder Frauenrechten, “kein Zurück”.
Schroeder, die aus Südamerika stammt, sah Österreich “positiv”. Nur die ÖsterreicherInnen würden
ihr Land “schlecht darstellen”. Sie selbst, habe eine enormes Bedürfnis die Welt zu erklären und “will
sie auch selbst verstehen”. Erst seit 70 000 Jahren sei das menschliche Gehirn in der Lage, Dinge zu denken, die
es nicht gebe.
Als Beispiel nannte sie Gott, das Paradies oder das Leben nach dem Tod. “Die Fähigkeit, Ideen zu entwickeln,
ist Motor”, so Schroeder.
Ihr nächstes Ziel sei, die Menschen darüber aufzuklären, was in den Bereich der bewiesenen Tatsachen
und was in den Bereich der Vorstellung falle, denn nur auf Basis von Fakten, könnte man Menschen auch die
Angst nehmen.
Feldkirchs Bürgermeister Wilfried Berchtold betonte: “Politikerinnen und Politiker können nur dann reüssieren,
wenn sie das halten, was sie versprechen. PolitikerInnen müssten Haltung zeigen, Orientierung geben und Vertrauen
vermitteln. “Politik ist kein Sprint, sondern ein Marathon”, so Berchtold.
Mit der traditionellen Fahnenübergabe an die nächste gastgebende Stadt endete der 68. Städtetag
2018 in Feldkirch. Der 69. Städtetag wird 2019 im burgenländischen Rust ausgetragen.
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