Appell von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seiner Festrede zum Staatsakt »100
Jahre Republik Österreich«
Wien (apa/prk) - Mit einem Staatsakt in der Wiener Staatsoper hat das offizielle Österreich am 12. November
den 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik gefeiert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler
Sebastian Kurz legten dabei Bekenntnisse zu Rechtsstaat und Demokratie ab. Die Festrede hielt Autorin Maja Haderlap.
Sie warnte vor einer Ökonomisierung der Gesellschaft.
"Es geht uns gut, aber die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm", so die Schriftstellerin. "Gerade
haben wir uns an den Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates aufgerichtet, schon wird uns erklärt, dass wir
endlich erwachsen werden und für uns selbst sorgen sollen." Angelpunkt der Demokratie sei aber nicht
der ökonomische Mensch, sondern das ethisch handelnde Individuum.
Die Fragen der Zukunft würden humaner und ökologischer Natur sein, zeigte sich Haderlap überzeugt.
Sie zitierte Oskar Kokoschka und wünschte der "immer noch jungen Republik Österreich" im geeinten
Europa einen Instinkt für Demokratie.
Dass sie als Rednerin ausgewählt worden sei, bezeichnete sie als "erstaunliche, kühne Einladung,
die mich ehrt, die mich aber auch in einen unerbittlichen Kreislauf aus Zweifeln geschleudert hat". Zu Beginn
ihrer Rede begrüßte die Kärntner Slowenin zweisprachig die anwesenden Spitzenrepräsentanten
des Landes, nicht aber Vizekanzler Heinz-Christian Strache.
Eingerahmt wurde die Feierstunde von der Bundes- und Europahymne. Bundespräsident Alexander Van der Bellen
erinnerte in seiner Rede an die anfängliche Skepsis und das Scheitern der Republik. Nach der NS-Herrschaft
sei dann die Herstellung von Gemeinsamkeit im Mittelpunkt gestanden. "Erneuern wir diese Gemeinsamkeit, erneuern
wir dieses spezifisch Österreichische", so sein Aufruf.
Nur die liberale Demokratie kenne das Ringen um gemeinsame Lösungen zum Wohle aller, meinte er weiter: "Es
gibt keine Abkürzungen." Der Schaffung von Feindbildern, ob Muslime, Juden, Ausländer oder Sozialhilfeempfänger,
erteilte er eine Absage. Die Demokratie müsse "kompromisslos gegenüber den Intoleranten" sein,
so der Bundespräsident.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte vor der Gewalt der Worte, der in der Ersten Republik bald die Gewalt der
Taten gefolgt sei. Er sprach von einem "viel geliebten Österreich", das nach 1945 entstanden sei
und ein gesundes Selbstvertrauen entwickelt habe. Ausdrücklich begrüßte er jene jüdischen
Holocaust-Überlebenden, die bei dem Staatsakt anwesend waren.
Heinz-Christian Strache bezeichnete die Zeit der Nazi-Herrschaft als "dunkelstes Kapitel unserer Geschichte".
Die Verantwortung des "Niemals wieder!" gelte es zu leben. In der Schwerpunktsetzung seiner Rede wurden
aber auch Unterschiede deutlich: So hob er vor allem die bürgerliche Revolution von 1848 als Startpunkt für
den Weg zur Republik hervor, ebenso wie das Faktum, dass am 12. November 1918 Kommunisten versucht hätten,
diese zu verhindern.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wünschte der demokratischen Republik "multos annos"
und warnte vor der Tolerierung von Parallelgesellschaften, die die staatliche Grundordnung ablehnten. Zu Wort meldete
sich auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, der als derzeitiges Oberhaupt der LH-Konferenz
den "wesentlichen Anteil" der Länder an der Gründung der Republik hervorhob.
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