Erhalt der Sicherheitsschule Wiener Neustadt soll mittels Entschließung sichergestellt
werden
Wien (pk) - Nach den Erklärungen von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
und Vizekanzler Clemens Jabloner kam am 12. Juni im Nationalrat die Parteipolitik zu Wort. Dabei legten
die Rednerinnen und Redner der einzelnen Fraktionen die jeweilige Sichtweise der jüngsten Ereignisse und der
aktuellen politischen Situation in Österreich dar. Der Übergangsregierung wurde parteiübergreifende
Unterstützung zugesichert und für die Übernahme der verantwortungsvollen Aufgabe gedankt.
Mittels eines mehrheitlich angenommenen Entschließungsantrags soll der Erhalt der Sicherheitsschule Wiener
Neustadt sichergestellt werden. Verteidigungsminister Thomas Starlinger ergriff kurz das Wort um zu berichten,
dass es dazu Gespräche mit den Sicherheitssprechern aller Fraktionen geben wird.
ÖVP gegen teure Wahlzuckerl in Übergangsphase
ÖVP-Klubobmann August Wöginger nahm zunächst zu dem Vorfall Stellung, der die derzeitig ungewöhnliche
Regierungssituation erst ausgelöst hat. Aufgrund des unfassbaren Ibiza-Videos hätte man nicht zur Tagesordnung
übergehen können und Neuwahlen seien eine Notwendigkeit gewesen, sagte er. Dass sich in der Folge ein
"rot-blauer Pakt" zum Abwählen der Bundesregierung entwickelt habe, ist seiner Ansicht nach einzigartig
in der zweiten Republik und etwas wofür die Mehrheit der Bevölkerung kein Verständnis habe.
Die nun mit den Amtsgeschäften betraute Übergangsregierung werde die ÖVP im Sinne der Staatsverantwortung
unterstützen, versicherte der Klubobmann. Wichtig sei jedoch, schnell wieder Handlungsfähigkeit auf Regierungsebene
herzustellen. Der spät angesetzte Wahltermin würde nun längeren Stillstand bedeuten, so Wöginger.
Er appellierte an die Abgeordneten, das, was man während der letzten Legislaturperiode gemeinsam auf den Weg
gebracht habe, zu beschließen und sprach sich dezidiert gegen das Einbringen und den Beschluss von neuen
und teuren Vorhaben, sogenannten Wahlzuckerl, aus.
Peter Haubner (ÖVP) erinnerte daran, dass Politik und insbesondere das Parlament dazu da sei, unterschiedliche
Standpunkte auszudrücken. Diese werde man bei den Debatten im Hohen Haus weiterhin stark vertreten, betonte
er. Eine Regierung, die gestalte und Maßnahmen setze, befürwortet der Mandatar gegenüber der derzeitigen
aus Beamten bestehenden, die nur verwalte. Für gute und richtige Maßnahmen sprach er der Übergangsregierung
jedoch die volle Unterstützung zu. Denn Stillstand, sei in jedem Fall die schlechteste Variante für die
Entwicklung Österreichs, meinte Haubner. Während die SPÖ in letzter Zeit nur aus Rachsucht und Zorn
gehandelt habe, habe die ÖVP-FPÖ-Regierung Österreich auf einen guten Weg gebracht, keine neuen
Schulden und keine neuen Steuern fabriziert und zum ersten Mal seit 60 Jahren ein Nulldefizit erreicht, hielt der
ÖVP-Abgeordnete fest.
SPÖ strebt Sachlichkeit und Kompromisslösungen an
In der Regierungskrise käme es nun ganz besonders darauf an, dass PolitikerInnen mit Empathie Verantwortung
übernehmen und im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen treffen, sagte SPÖ-Klubobfrau Pamela
Rendi-Wagner. Dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen und der Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, die
dem bereits gerecht geworden seien, sprach sie daher ihren vollen Dank aus. Dabei betonte die SPÖ-Klubobfrau
auch, dass es sich um ein historisches Novum handle, dass erstmals eine Frau an der Spitze der österreichischen
Bundesregierung steht.
Für die kommende Phase erhofft sich Rendi-Wagner Sachlichkeit statt Inszenierung und Gespräche statt
Dialoglosigkeit, die sie in der Vorgängerregierung verortete. Ein spürbares Bemühen, gemeinsame
Lösungen zu finden, habe sie in den letzten Monaten schwer vermisst. Die Hand der Sozialdemokratie sei ausgestreckt,
um konstruktiv zusammenzuarbeiten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zurückzugewinnen und
zu stärken, so die SPÖ-Chefin.
In inhaltlicher Hinsicht sprach sich Rendi-Wagner für neue Regelungen bei der Parteientransparenz und der
Parteienfinanzierung sowie für Nichtraucherschutz aus. Zudem sollte freiwilliges Engagement durch eine Freistellung
von fünf Tagen mit Entgeltfortzahlung unterstützt werden sowie mittels Verfassungsänderung sichergestellt
werden, dass Wasser nicht privatisiert werden kann. Auch SPÖ-Fraktionskollege Jörg Leichtfried unterstützt
diese Initiativen gegenüber einem Stillstand in der Übergangsregierung. Diese außergewöhnliche
Phase des Parlamentarismus müsse man als Chance begreifen, um das Leben der Menschen zu verbessern, wenngleich
es Verantwortungsbewusstsein und Mut bedarf, meinte er. Das freie Spiel der Kräfte und die Kompromissfindung
bezeichnete er als Wesen der Demokratie, von dem Österreich profitieren könne.
FPÖ will beschlossene Gesetze nicht rückgängig machen
Ideologie und verschiedene weltanschauliche Ansichten seien das, was das Hohe Haus ausmacht, meinte FPÖ-Klubobmann
Norbert Hofer (FPÖ). Da man Ideologie als Leuchtturm des Handels immer brauche, sollte es ihm zufolge im Parlament
in der nunmehrigen Phase nun darum gehen, Sachpolitik in den Vordergrund und taktische Überlegungen hintan
zu stellen. Der Klubobmann stellte klar, dass sich die FPÖ dazu entschieden habe, in der Koalition beschlossene
Gesetze nicht rückgängig machen zu wollen, das betreffe auch die Raucherregelung. Wenn diese Regelung
zu Fall gebracht wird, würde das eine hohe budgetäre Belastung bedeuten, warnte er. Den Vorwurf eines
"rot-blauen Pakts" wies Hofer zurück. Eine Koalition mit der SPÖ gibt es auf Bundesebene nicht,
sagte er.
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bezeichnete Hofer als hochangesehene, fachlich und sozial kompetente sowie zielorientierte
Persönlichkeit. Die von ihr angesprochenen Werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen, Stabilität, Sicherheit
und Menschlichkeit teile er.
Ein konkreter Apell der FPÖ richtete sich an den neuen Verteidigungsminister Thomas Starlinger. Dass ein im
Regierungsübereinkommen budgetär ausfinanziertes Projekt für ein differenziertes Schulwesen einfach
gestrichen wurde, bezeichnete FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz als große Ungerechtigkeit, vor allem gegenüber
den bereits an der Schule angemeldeten SchülerInnen. Mittels eines mehrheitlich angenommenen Entschließungsantrags
soll der Erhalt der Sicherheitsschule Wiener Neustadt sichergestellt werden. Kritik gab es seitens des FPÖ-Mandatars
auch gegenüber dem "von den ÖVP-Granden getriebenen" Parteichef Sebastian Kurz, der sich als
Opfer darstelle und sich der Debatte im Nationalrat verweigere. Die Koalition habe so viel Wichtiges weitergebracht,
das hätte man nicht aufs Spiel setzen sollen, meinte Rosenkranz.
NEOS sehen einmalige Chance für Reform der Parteienfinanzierung
Großen Dank für die Übernahme der Verantwortung durch Brigitte Bierlein sprach NEOS-Klubobfrau
Beate Meinl-Reisinger aus. Nun sei es wesentlich, dass in die politische Situation Ruhe einkehre, um besonnen und
abseits von Parteipolitik die Geschicke des Landes zu lenken, meinte sie. Dies sei zwar politisches Neuland, aber
auch eine einmalige Chance, um das Vertrauen der Menschen zu stärken. Denn Verlässlichkeit und Vertrauen
müsse nicht nur für die Regierung, sondern auch für das Parlament gelten. In den vergangenen Monaten
habe man hier viele Machtspielchen und reichlich Taktieren miterleben müssen. Dieses kleinkarierte Hick-Hack
würde Meinl-Reisinger in Zukunft gerne missen und forderte ihre Politiker-KollegInnen dazu auf, mit klugen
Gesetzen und einem Bekenntnis zu Transparenz dafür zu sorgen, die eigene Macht zu beschränken. Außerdem
sollten nun keine Beschlüsse gefasst werden, die das Budget belasten, so die NEOS-Klubobfrau.
NEOS-Fraktionskollegin Irmgard Griss sagte zur historisch einmaligen Situation, dass das Erfordernis nach Vertrauen
ganz besonders für die Gerichtsbarkeit gelte. Es genüge nicht nur, dass Gerechtigkeit hergestellt wird,
sie müsse auch stets sichtbar sein, sodass kein Anschein von Unsachlichkeit entstehe, so Griss. Dafür
sieht sie drei Erfordernisse: die institutionelle Unabhängigkeit, eine ausreichende finanzielle Ausstattung
sowie die Auswahl der RichterInnen und StaatsanwältInnen nach objektiven Kriterien.
Liste JETZT will lebendigen Parlamentarismus nützen
Dem Geschäftsführenden Klubobmann der Liste JETZT, Wolfgang Zinggl, war es wichtig, im Zuge der Debatte
festzuhalten, dass die BürgerInnen ihre parlamentarischen VetreterInnen wählen, nicht aber die Bundesregierung.
Dass diese aufgrund der Vorkommnisse die Mehrheit verloren hat, sei ein normaler demokratischer Prozess, der seiner
Ansicht nach nicht in Frage zu stellen ist.
Dass das Parlament nun Gesetze beschließen kann, die nicht von der Regierung diktiert wurden und wo keine
Koalitionsvereinbarungen das freie Spiel der Kräfte binden, befürwortet er. Mit diesem "lebendigen
Parlamentarismus" könnten nun auch Gesetze beschlossen werden, die das Budget nicht belasten, etwa im
Bereich Tierschutz und Klimaschutz. Auch die Gesetzgebung zur Parteienfinanzierung ist für Zinggl ein Gebot
der Stunde. Zwei wichtige Elemente dabei sind für ihn die Kontrolle durch den Rechnungshof sowie höhere
Strafzahlungen bei Überschreitungen der Wahlkampfkosten.
Auch Fraktionskollegin Daniela Holzinger-Vogtenhuber hob die Vorteile der gegenwärtigen Regierungssituation
hervor. Nicht nur schreibe man dieser Tage Geschichte, weil es zum ersten Mal in Österreich eine Bundeskanzlerin
gibt, sowie eine Bundesregierung, die zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht, sondern auch weil
man das erste Mal von einer "echten Trennung der Staatsgewalten" sprechen könne. Weil die Regierung
frei von wahltaktischen Überlegungen agieren könne, sieht Holzinger-Vogtenhuber auch das demokratisch
gewählte Parlament als handlungsfähiger denn je zuvor. Das Hohe Haus sollte diese "Stunde der Wahrheit"
nützen, so die JETZT-Mandatarin.
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