Mißtrauensantrag der Opposition gegen die umgebildete Regierung
Neuer Infrastrukturminister Reichhold im Nationalrat präsentiert
Wien (pk) - Nach dem Ausscheiden von Dr. Forstinger aus der Bundesregierung und der Angelobung von Mathias
Reichhold als neuem Ressortchef im Infrastrukturministerium präsentierten heute Bundeskanzler Dr. Schüssel
und Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer das neue Mitglied der Bundesregierung dem Nationalrat. Die Grünen brachten
einen Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung ein, der von den Sozialdemokraten unterstützt wurde. Die
Regierungsfraktionen ihrerseits brachten einen Entschließungsantrag "betreffend Vertrauen in die erfolgreiche
Arbeit der Bundesregierung für Österreich" ein.
Sowohl Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL als auch Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER nahmen am Beginn ihrer Ausführungen
kurz zum Zugsunglück in Niederösterreich Stellung und verliehen ihrer Trauer und Anteilnahme für
die Opfer und deren Angehörige Ausdruck. Beide dankten den Rettungsmannschaften für deren ruhige und
professionelle Arbeit und sprachen dem neuen Infrastrukturminister Anerkennung für sein umsichtiges Handeln
und seine klaren Worte hinsichtlich einer rückhaltlosen Aufklärung aus. Bundeskanzler Schüssel zeigte
sich auch bestürzt darüber, dass das Unglück auf einer Strecke passiert sei, die ein vorrangiges
verkehrspolitisches Ziel erfülle, nämlich die Verlagerung des Transports von der Straße auf die
Schiene. Niemand könne aber perfekte Sicherheit bieten, so der Regierungschef.
Zurückkommend auf den Anlass der Debatte, sagte Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL, dass er dem Misstrauensantrag
der Grünen gelassen entgegen sehe, da Österreich heute besser dastehe als vor zwei Jahren. Er wolle diesem
Misstrauen daher bewusst das Vertrauen gegenübersetzen, im Wissen, dass man sich das Vertrauen bei der Bevölkerung
hart erarbeiten müsse. Diese Bundesregierung könne eine gute Bilanz vorlegen und daher verdiene sie das
Vertrauen und nicht das Misstrauen.
Als Beispiele der Erfolgsbilanz nannte Schüssel an erster Stelle die Tatsache, dass in Österreich binnen
kürzester Zeit keine Schulden mehr gemacht würden, womit Freiräume für zusätzliche Investitionen
geschaffen werden könnten. Die Regierung habe auch den Beweis geliefert, dass man mit Opfern der Geschichte
anders umgehen könne, als dies früher der Fall gewesen sei. Genauso werde man auch an die Aufarbeitung
der Benes-Dekrete und Avnoj-Bestimmungen gehen. Man habe auch gespart, wo es um Bürokratie gehe, und in die
Bildung investiert. Österreich nehme nunmehr den ersten Platz bei den Bildungsausgaben für die Oberstufe
und jeweils den zweiten Platz bei den Ausgaben für die zehn- bis vierzehnjährigen SchülerInnen und
für die StudentInnen ein. Für die Forschung gebe es eine Milliarde mehr, in Schiene und Straße
würden 17 Mrd. € investiert, die Hälfte mehr, als unter SPÖ-Ministern. Schüssel dankte in diesem
Zusammenhang ausdrücklich Bundesministerin Forstinger für die Erstellung des Generalverkehrsplans.
Die Bundesregierung, so der Kanzler weiter, sorge sich auch um die Familien und habe mit dem Kinderbetreuungsgeld
eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. Den Vergleich Gusenbauers mit einem Champagnerfrühstück
in diesem Zusammenhang bezeichnete Schüssel als "peinlich". Die sinkende Geburtenrate beobachte
er mit großer Sorge, sagte Schüssel, und er vertraue darauf, dass die Familien das Geld zum Wohle der
Kinder einsetzen. Schließlich unterstrich der Kanzler, dass sich die Bundesregierung um alle ArbeitnehmerInnen
kümmere und die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt habe.
Zur Steuerreform bemerkte Schüssel, dass eine Entlastung notwendig sei, die Regierung müsse aber zuerst
Spielräume erkämpfen und dann könne sie Konzepte vorlegen. Von einem Hinauflizitieren, wie es derzeit
die SPÖ betreibe, halte er nichts.
Abschließend nahm Schüssel zur Koalition mit der FPÖ Stellung und meinte, dass sowohl ÖVP
als auch FPÖ selbstverständlich einige Dinge verschieden sähen. Eine gut gelebte Partnerschaft umfasse
aber auch den gegenseitigen Respekt und in dem Sinne habe er Vertrauen in das gute Team.
Für Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER besteht Politik nicht aus gegenseitiger Vernaderung, sondern aus dem Wettstreit
von Ideen und Konzepten. Die Bundesregierung habe sich strategische Ziele gesetzt und verwirklicht, von der Opposition
habe sie noch nicht gehört, wie sie es besser machen würde.
Auch Riess-Passer hob die Konsolidierung des öffentlichen Haushaltes nach nur zwei Jahren hervor, womit eine
Grundlage für die Zukunft ohne Schulden geschaffen wurde. Damit verschiebe man die Probleme nicht mehr auf
die nächste Generation. Als Beweis für die Anerkennung dieser Politik zitierte sie einen Bericht der
EU- Kommission vom 21. Februar 2002. Das rot-grüne Modell, das durch ein höheres Defizit und gleichzeitig
mehr Arbeitslose gekennzeichnet sei, werde in Deutschland vor Augen geführt.
Als weitere Punkte einer gelungenen Arbeit nannte Riess-Passer die Reform der öffentlichen Verwaltung mit
einem Einsparungsvolumen von 22 Mrd. S, die langfristige Sicherung der Sozial- und Gesundheitsstandards, die Gleichstellung
von Arbeitern und Angestellten, die Behindertenmilliarde, den Anspruch auf Pflegegeld ab der Geburt, die Sanierung
der Krankenkassen und die Regelung für die Kriegsheimkehrer. "Wir wollen die Bürger nicht belasten,
wir werden sie entlasten", so die Vizekanzlerin. Im Gegensatz dazu werde in Wien unter der absoluten SPÖ-Mehrheit
alles teurer. Mit dem Kinderbetreuungsgeld habe man einen Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt und die Voraussetzung
dafür geschaffen, dass Kinder kein Armutsrisiko mehr darstellen. Österreich sei somit das Land mit der
höchsten Familienförderung. Die Stärkung des Wirtschaftsstandortes habe absoluten Vorrang, der Generalverkehrsplan
sei eine historische Leistung, meinte die Vizekanzlerin. Für Infrastruktur würden nun 50 % mehr ausgegeben,
und der neue Bundesminister Reichhold habe auch klar gemacht, dass Investitionen in die Infrastruktur Priorität
hätten. Noch nie habe eine Bundesregierung so viel in Forschung und Entwicklung investiert, fuhr Riess-Passer
fort und folgerte daraus, dass diese Bundesregierung mit Freude und Motivation für dieses Land arbeite.
Dem konnte sich Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) nicht anschließen. Wenn von der Regierungsspitze die Botschaft
verkündet würde, dass nun alles besser sei als vor zwei Jahren, so solle man diese Botschaft an die zusätzlichen
Arbeitslosen richten, an die Unfallrentner, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens verloren haben, und an all
jene, die durch die höchste Steuer- und Abgabenquote belastet seien und zur Kenntnis nehmen müssten,
dass Österreich bei der Entwicklung der realen Löhne absolutes Schlusslicht sei.
Gusenbauer vermisste auch eine Regierungsvorlage für die Abfertigung neu, nachdem die Sozialpartner ein fertiges
Konzept erarbeitet hatten, sowie ein Gesetz gegen die illegale Beschäftigung, wofür es bereits im Jänner
99 einen Ministerratsbeschluss gegeben habe. Der SPÖ-Chef hielt der Regierung auch kritische Aussagen des
ehemaligen Staatssekretärs und Ministers Dr. Dietz zur derzeitigen Finanz- und Wirtschaftspolitik entgegen.
Dieser hatte in einem Interview erklärt, dass das Gerede vom Nulldefizit nicht stimme und Deutschland nur
die Mehrwertssteuer auf österreichisches Niveau anheben müsste, um kein Defizit mehr zu haben. Der Redner
ortete auch einen Widerspruch zwischen der Frühpensionierung von BeamtInnen und den Bemühungen der Regierung,
die anderen ArbeitnehmerInnen länger arbeiten zu lassen.
Hinsichtlich der Steuerreform sprach sich Gusenbauer dagegen aus, auf ein Wirtschaftswachstum zu warten, da Steuern
antizyklisch gesenkt werden müssten. Die Ankündigung der Bundesregierung, Steuern senken zu wollen, habe
nur 48 Stunden gedauert, bis Grasser öffentlich eine Erhöhung der Grundsteuer überlegt habe. Gusenbauer
fürchtet daher eine Fortsetzung des Belastungskurses und mutmaßt, dass die Bundesregierung nach den
nächsten Wahlen weitere Belastungen vorsehe. Im Gegensatz dazu trete die SPÖ für eine Steuerreform
ein, die 3 Mrd. € Entlastung mit sich bringe.
Auch Gusenbauer verlieh seiner Bestürzung über das Zugsunglück Ausdruck und räumte ein, dass
der neue Minister dabei eine schwierige Aufgabe zu lösen habe. Er gestand dem neuen Regierungsmitglied seinerseits
einen Vertrauensvorschuss zu, stellte aber in Abrede, dass die bisherige Verkehrspolitik so glorreich gewesen sei.
Die Tatsache, dass man es mit dem dritten Minister in diesem Ressort zu tun haben, mache deutlich, dass die Vorgänger
ihren Aufgaben nicht gewachsen gewesen seien.
Wir hätten uns heute, bei der ersten Plenarsitzung nach der Halbzeit, erwartet, dass die bestgehüteten
Geheimnisse der Republik - nämlich die Pläne der Opposition - gelüftet werden, meinte Abgeordneter
Dr. KHOL (V). Es wurden jedoch keinerlei ernsthafte Vorschläge präsentiert, zeigte sich der ÖVP-Klubobmann
enttäuscht. Seine Fraktion sehe daher der zweiten Halbzeit dieser Regierung mit Mut, Zuversicht und Entschlossenheit
entgegen und werde gemeinsam mit der FPÖ noch weitere zahlreiche Arbeitsvorhaben, etwa die Steuerreform, die
Abfertigung neu, die Verwaltungsreform, die Senkung der Lohnnebenkosten etc. umsetzen.
Khol brachte einen umfangreichen V-F-Antrag betreffend Vertrauen für die Bundesregierung ein, in dem u.a.
auf die vielen bereits durchgeführten Reformen (von der Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten bis zur
Entschädigung der Zwangsarbeiter) verwiesen wird. Wir werden dieser Bundesregierung heute das Vertrauen aussprechen,
"denn wir kennen den Kurs, wir kennen das Schiff, wir kennen die Mannschaft", schloss Khol.
Er zweifle nicht daran, dass die ÖVP viel Mut, Zuversicht und Entschlossenheit aufbringen will, denn mit so
einem Regierungspartner sei dies auch bitter notwendig, erklärte Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G). Und
dies sei genau der Kernpunkt des Antrages, betonte der Redner, dass es ein "Schattenregierungsmitglied"
gebe, das systematisch die Rechtsstaatverweigerung betreibe und außenpolitisch Amok laufe. Die ÖVP habe
sich in eine systematische Falle begeben, denn sie müsse alles decken, was dieser Landeshauptmann anrichtet,
meinte Van der Bellen. Er könne sich nicht vorstellen, dass etwa ein Busek, ein Neisser etc. die Unterhöhlung
des demokratischen Rechtsstaates durch Haider, die Beschimpfungsorgie vom Aschermittwoch oder die Irak-Reise akezptiert
hätten und nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen hätten. Davon haben wir jedoch genug, unterstrich
der Oppositionsredner, weshalb er einen Entschließungsantrag betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber
der Bundesregierung einbringe.
Was die Regierungsumbildung betrifft, so könne keine Rede davon sein, dass die Ex-Ministerin Forstinger eine
Erfolgsbilanz vorzuweisen hat, meinte Van der Bellen und erinnerte an die Rufnummernverordnung sowie an die Versäumnisse
in den Bereichen Forschung und Entwicklung; und auch der Generalverkehrsplan enthalte nichts außer Wunschlisten.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) hieß den neuen Infrastrukturminister, der ein profunder Kenner der Materie
sei, willkommen und zollte ihm Respekt und Anerkennung für seine rasche Reaktion auf das schwere Zugsunglück
in Niederösterreich.
Keine Berechtigung habe seiner Ansicht nach der Misstrauensantrag der Opposition, denn diese habe zwei Jahre die
Hände in den Schoß gelegt, sei orientierungslos und habe zudem keine Konzepte vorgelegt. Die Regierung
könne hingegen auf eine sehr positive Bilanz verweisen, die vom Kinderbetreuungsgeld, der Verwaltungs- und
Sozialversicherungsreform bis hin zu den neuen Mediengesetzen reiche. Nächste Woche werde außerdem der
Integrationsvertrag präsentiert, der eine verantwortungsvolle Zuwanderungspolitik zum Inhalt hat. Mit Nachdruck
wehrte er sich gegen die Kritik des Abgeordneten Gusenbauer, der von einer herzlosen Politik gesprochen hat und
erinnerte in diesem Zusammenhang an die Verbesserungen im Pflegegeldbereich, die Behindertenmilliarde, die Kriegsgefangenentschädigung
etc. Der mittlerweile zehnte Misstrauensantrag sei seiner Meinung nach ein Schwächezeichen für die Opposition
und man könne auch von keiner dienlichen Vorgangsweise sprechen, weil damit eines der wichtigsten und schärfsten
parlamentarischen Instrumente entwertet wird. Der Antrag stehe vielmehr für die Geburtsstunde der Einheitsoppositionspartei
Rot-Grün. Wenn man sich die Auswirkungen der rot-grünen Politik in der Bundesrepublik Deutschland ansehe,
dann könne man nur sagen "Nein, danke!" für ein solches Abenteuer.
Bundesminister Ing. REICHHOLD zeigte sich nicht überrascht von der heutigen Debatte, da er die Spielregeln
und Gepflogenheiten kenne. Der Misstrauensantrag löse daher auch keine persönliche Betroffenheit bei
ihm aus. Aber Betroffenheit ausgelöst habe bei ihm das gestrige Zugunglück. Er sei sofort an die Unglücksstelle
gefahren, wo er einen absolut professionellen, perfekten und ruhigen Einsatz beobachten konnte. Er wolle daher
allen Rettungsmannschaften ausdrücklich danken. Die letzten Erkenntnisse besagen, dass es sich um einen Bremsdefekt
gehandelt hat, berichtete Reichhold, und man werde diesen Vorfall gründlich und restlos aufklären, um
solche Unglücksfälle in Zukunft zu vermeiden.
Er sei sich vollkommen bewusst darüber, dass er keine leichte Aufgabe übernommen hat. Als ehemaliger
Landeshauptmannstellvertreter von Kärnten wisse er um die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für
die Volkswirtschaft und es müsse unser gemeinsames Anliegen sein, dies den Menschen draußen zu vermitteln.
Er gratulierte auch seiner Vorgängerin, die gute Vorarbeit geleistet und effiziente Strukturen, z.B. den Rat
für Technologie und Entwicklung, eingerichtet hat. Er werde sich vor allem für ein enges Netzwerk zwischen
Wirtschaft, Wissenschaft und Unternehmen sowie einen möglichst unbürokratischen Zugang zu den Fördertöpfen
einsetzen, führte Reichhold aus. Ein wichtiges Anliegen sei ihm auch, das Forschungs- und Entwicklungsbudget
auf 2,5 % des BIP zu erhöhen, damit Österreich im Konzert der europäischen Mitgliedstaaten ganz
vorne in der Europaliga mitspielen könne. Was den Generalverkehrsplan anbelangt, so handelt es sich dabei
um keine verbindliche Festschreibung für die nächsten dreißig Jahre, aber damit sollen bis zum
Jahr 2006 ganz konkrete Maßnahmen verwirklicht werden. |
Abgeordneter Dr. CAP (S) meinte, die Bevölkerung habe zu dieser Regierung kein Vertrauen mehr. Das einzige,
worauf man bei ÖVP und FPÖ noch vertrauen könne, sei, dass es auch weiterhin Sozialabbau und problematischen
Umgang mit der Demokratie geben werde, sagte er. Die ersten zwei Jahre der Koalition waren nach Einschätzung
Caps zwei verlorene Jahre für Österreich. Eine zweite Chance habe sich diese Bundesregierung nicht verdient,
lautete die Schlussfolgerung des Redners.
Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) zog hingegen eine Erfolgsbilanz der Bundesregierung. Die Koalition habe ihr Versprechen
eingehalten und keine neuen Schulden gemacht, sondern vielmehr eine historische Trendwende in der Finanzpolitik
vollzogen. Österreich habe im Gegensatz zur rot-grünen deutschen Regierung keinen blauen Brief aus Brüssel
erhalten. Der Opposition warf Kukacka vor, sie habe keinerlei neue, über Umverteilung, Schulden- und Gleichmacherei
hinausgehende Konzepte, um Österreich als Standort wettbewerbsfähig zu machen.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) begründete den Misstrauensantrag mit dem Argument, das Maß sei jetzt voll.
Die Bestellung Reichholds sei bloß im Zusammenhang mit den von Haider geäußerten Provokationen
zu sehen, bemerkte sie. Heftige Kritik übte Petrovic zudem am geplanten Kauf neuer Abfangjäger.
Abgeordneter Dr. OFNER (F) stellte fest, diese Regierung setze ihre Vorhaben rascher um, als dies der Opposition
lieb wäre. SPÖ und Grünen würde dadurch der Boden unter den Füßen entzogen. Der
Redner warf den Oppositionsparteien vor allem deren ablehnende Haltung in Sachen Nulldefizit und Kindergeld vor.
Abgeordnete BURES (S) sprach von einer Schadensbilanz der Bundesregierung: Die Koalition sei in sämtlichen
wesentlichen Zukunftsthemen zerstritten, sie leiste keinerlei Sacharbeit, sondern beschäftige sich bloß
mit sich selbst. Irritiert zeigte sich Bures über widersprüchliche Äußerungen über die
Steuerreform, denen sie die SP-Forderung nach einer raschen Steuerreform zur Entlastung mittlerer und unterer Einkommensbezieher
entgegenhielt.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) betonte, Österreich stehe heute besser, die Opposition hingegen schlechter
da als vor zwei Jahren. Die Regierung visiere langfristige Perspektiven an und denke nicht in Legislaturperioden.
Stummvoll nannte in diesem Zusammenhang das Infrastrukturprogramm, den Forschungsschwerpunkt und das Nulldefizit.
Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) setzte sich kritisch mit dem neuen Verkehrsminister auseinander und meinte, entscheidend
für die Bestellung sei nicht Sachkenntnis, sondern vielmehr die Frage gewesen, wer die Position Haiders in
der Regierung am erfolgreichsten vertreten könne. Sie forderte Reichhold auf, außenpolitische Initiativen
zu ergreifen, um die Transitproblematik auf europäischer Ebene zu lösen. Wichtig wäre dafür
ihrer Meinung nach ein Bündnis der Länder des Alpenbogens.
Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) bemerkte in Anspielung auf seine Vorrednerin, Reichhold brauche keine Nachhilfe
von "Verkehrsesoterikern". Der neue Minister sei selbst ein Experte und werde nun daran gehen, die Planungen
Forstingers zügig umzusetzen, zeigte sich Firlinger zuversichtlich.
Abgeordneter EDER (S) hätte es für fair gehalten, hätten Riess-Passer und Westenthaler in ihren
Ausführungen auch darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung der Stadt Wien 5 Mrd. S an Geldern entzogen
hat und die Stadt Wien nun alles tun muss, um ihren Stadthaushalt in Ordnung zu halten. Zu seinem Vorredner meinte
Eder, es sei unrichtig, dass die 300 000 Arbeitslosen bald Beschäftigung erhalten. Zwei bis drei Jahre werde
es dauern, mutmaßte der Redner, bis diese Leute arbeiten können.
Minister Reichhold, der seiner Meinung nach ein schweres Erbe antritt, möge alles daran setzen, damit der
Aufsichtsrat der ASFINAG, der momentan nicht handlungsfähig sei und somit notwendige Maßnahmen nicht
beschließen kann, wieder funktioniert und der Termin für die Einführung des Road-Pricing eingehalten
werden kann. - Retten Sie, was noch zu retten ist, forderte Eder den neuen Minister auf und wünschte ihm namens
seiner Fraktion viel Erfolg.
Abgeordneter ZWEYTICK(V) betonte, die jetzige Regierung, die für die Bevölkerung Veränderungen gebracht
hat, habe Zukunft, weil sie das Vertrauen der Menschen genieße. Die Reformmaßnahmen, die in den letzten
zwei Jahren umgesetzt wurden, greifen. Allein durch die Verwaltungsvereinfachung werden 22 Mrd. S eingespart. Weiter
wurden von Zweytick die Verwendung von Raps-Asphalt im Straßenbau und die Verringerung verkehrspolitischer
Hürden bei der Zulassung landwirtschaftlicher Geräte im Straßenverkehr angesprochen.
Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) meinte im Zusammenhang mit der Technologie- und Forschungspolitik der Regierung,
in den letzten beiden Jahren sei keine Innovation feststellbar, Kompetenzen, die man zusammenführen hätte
müssen, habe man weiter zersplittert und die Forschungsquote wurde verringert. Dass ein Stillstand im Ressort
eingetreten sei, führt der Redner u.a. darauf zurück, dass der Minister entmachtet und die Position des
Rates gestärkt wurde. Der neue Minister werde das Chaos beenden und Reformmaßnahmen in Angriff nehmen
müssen.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) hielt es für besonders wichtig, dass die Forschungsfonds für die Wirtschaft
und die Universitäten in einem Ministerium vereinigt wurden. Die Fonds wurden mit entsprechenden Mitteln und
mit Sondermitteln ausgestattet. Diese Budgetierung ermögliche es, dass Forscher, auch junge Forscher, gefördert
werden können.
Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) setzte sich kritisch mit Äußerungen von Ex-Ministerin Forstinger auseinander
und warf der FPÖ vor, nicht kritikfähig zu sein, denn sie spare nicht mit dickem Lob für die Leute,
die sie verabschiedet, weil sie nicht in der Lage sind, ein Regierungsamt auszuüben. Die Regierung habe ihre
Glaubwürdigkeit verspielt, daher sei sie unglaubwürdig und der Misstrauensantrag bestehe zu Recht. Besonders
interessiert zeigte sich Kräuter an der Haltung der Regierung zu der soeben von Dr. Haider angekündigten
zweiten Irak-Reise, zu der sich Haider die Zustimmung der Regierung erwarte.
Laut Abgeordnetem GROSSRUCK (V) glaube die Opposition selbst nicht daran, dass ihr Misstrauensantrag die Mehrheit
erhalte, werde doch dem neuen Verkehrsminister viel Erfolg und ein "langes Leben auf der Regierungsbank"
gewünscht. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstütze den Kurs der Regierung, die seitens der Koalitionsparteien
heute aufgefordert wird, so erfolgreich wie bisher weiterzuarbeiten. Auch die Teilnahme an den Demonstrationen
hat in Wien sehr abgenommen, merkte er an, sodass es sich nur mehr um "Geisterzüge durch Wien" handle.
Abgeordneter BÖHACKER (F) schloss sich der Meinung des Bundeskanzlers an, die Menschen hätten Vertrauen
zu blau-schwarz und Misstrauen zu rot-grün, und setzte sich sodann kritisch mit den Steuervorschlägen
von Gusenbauer auseinander, der der Bevölkerung 43 Mrd. S zurückgeben möchte. Besonders hob er hervor,
dass Gusenbauer die Verwaltungsreform der Vizekanzlerin unterstütze, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam,
dass die Sozialdemokraten in den Ländern jegliche Verwaltungsreform blockieren. Kurz zusammengefasst nannte
Böhacker die Reformpläne von Gusenbauer "kumulierten Schwachsinn".
Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) befasste sich ausführlich mit dem Generalverkehrsplan aus Sicht eines Wirtschaftsvertreters
und brachte zugleich weitere Wirtschaftswünsche vor. U.a. wäre eine bessere Anbindung der Beitrittsländer
notwendig, bei der Festsetzung des Mautsatzes sollte man auf die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft
Rücksicht nehmen und Umweltverträglichkeitsprüfungen im Zusammenhang mit der Planung von Straßen-
und Schienennetzen müssten wesentlich schneller abgewickelt werden.
Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) warf der Opposition vor, die Bevölkerung zu verunsichern und jegliche Mitarbeit
an einer konstruktiven Oppositionspolitik zu verweigern. Oder gehe es darum, davon abzulenken, dass einem nichts
einfällt?, fragte sie.
Vor zwei Jahren waren wir budgetmäßig das Schlusslicht in Europa, resümierte Partik-Pable. Hätten
wir so weiter gewirtschaftet, dann hätten wir den blauen Brief erhalten. Die Vizekanzlerin habe in ihrem Bericht
auf die geleisteten Maßnahmen, begonnen mit der Sanierung des Budgets über die Abfertigungspläne
bis hin zum Kindergeld, zur Behindertenmilliarde und zur Verbesserung des Pflegegeldes, hingewiesen. Kritisch äußerte
sich die Abgeordnete zum heutigen bereits zehnten Misstrauensantrag.
Abgeordneter Mag. KOGLER (G) meinte in Anspielung auf Kärntens Landeshauptmann Haider, es gebe ein zentrales
Regierungsmitglied, das nicht auf der Regierungsbank sitze, aber enormen außenpolitischen Schaden stifte
und innenpolitisch dafür sorge, dass die Regierung so zerstritten sei, dass sie handlungsunfähig ist.
An und für sich wäre der Misstrauensantrag überflüssig, erklärte der Abgeordnete, die
Regierung müsste eigentlich von sich aus zurücktreten.
Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) begründete die Zustimmung der SPÖ zum Misstrauensantrag damit, dass die
Regierung in den letzten drei Monaten ein "jämmerliches Schauspiel" geliefert habe und seit Dezember
eigentlich handlungsunfähig sei. Durch das Anti-Temelin-Volksbegehren und die Irakreise von Kärntens
Landeshauptmann Haider habe man die Außenpolitik des Landes "in Grund und Boden gefahren", Österreich
werde nicht mehr ernst genommen und sei der Lächerlichkeit preisgegeben. Skeptisch beurteilte Wittmann auch
den "Vertrauensantrag" der beiden Koalitionsparteien.
Auf Antrag von FPÖ-Klubobmann Ing. WESTENTHALER wurde die Nationalratssitzung kurz unterbrochen, um eine "Stehpräsidiale"
abzuhalten. Westenthaler hatte kritisiert, dass Abgeordneter Wittmann aus einem vertraulichen Personalakt zitiert
und damit "herumgewachelt" habe. Nach Wiederaufnahme der Sitzung kündigte der Dritte Nationalratspräsident
Dr. FASSLABEND an, das Thema in der nächsten Präsidialsitzung zu diskutieren.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) hielt fest, der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien betreffend Vertrauen
in die erfolgreiche Arbeit der Bundesregierung dürfte eigentlich gar nicht zur Abstimmung zugelassen werden,
weil der Betreff falsch sei. Die im Antrag angeführten Leistungen würden nämlich nicht gerade von
einem Erfolg der Regierung sprechen. Zudem habe man viele Punkte - Öllinger nannte u. a. die Kürzung
beim Krankengeld, zahlreiche Steuer- und Abgabenerhöhungen und die Erhöhung von Selbstbehalten - zu erwähnen
"vergessen". Seiner Ansicht nach ist die Regierung zudem "von Gnaden und Gunst des Herrn Haider
abhängig". "Das Misstrauen haben Sie sich redlich verdient", bekräftigte der Abgeordnete.
Bei der Abstimmung wurde der V-F-Entschließungsantrag betreffend Vertrauen in die erfolgreiche Arbeit der
Bundesregierung für Österreich mit Zustimmung der Koalitionsparteien angenommen. Der Misstrauensantrag
der Grünen gegen die Bundesregierung wurde lediglich von der Opposition unterstützt und blieb damit in
der Minderheit. |