Sozialpolitik – Pensionsreform  

erstellt am
28. 04. 03

 Gusenbauer: »Fairness-Modell« der SPÖ sichert Pensionen langfristig und beseitigt Ungerechtigkeiten
Solidarbeitrag bringt bis 2020 4,7 Mrd. Euro
Wien (sk) - Das "Fairness-Modell", das Pensionskonzept der SPÖ, beseitige im Unterschied zum Regierungsmodell bestehende Ungerechtigkeiten, sichere die Pensionen langfristig, sehe einen gleitenden Übergang vor, sichere den Lebensstandard ab und biete den Menschen eine Perspektive mit Gestaltungsspielraum, erklärte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Sonntag (27. 04.) in der ORF-"Pressestunde". Während ÖVP und FPÖ Pensionen kürzen würden und die Menschen am Ende des Lebens etwa nur mehr zwischen 50 und 60 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten, garantiere die SPÖ nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent Nettoersatzrate des durchschnittlichen Lebenseinkommens, was den Lebensstandard absichere. Zur Kostenwahrheit erklärte Gusenbauer, dass im einheitlichen, gleichen Pensionssystem der SPÖ jeder Euro gleich viel wert sei, egal ob er von einem Angestellten, Bauern oder Beamten eingezahlt werde und egal, zu welchem Zeitpunkt eingezahlt wird. Der einheitliche Pensionsbeitrag solle 20,25 Prozent betragen. Durch den im SPÖ-Pensionsmodell vorgesehenen zehnprozentigen Solidaritätsbeitrag könne bis zum Jahr 2020 mit zusätzlichen 4,7 Milliarden Euro gerechnet werden. Insgesamt bringe das SPÖ-Modell Einsparungen von 650 Millionen Euro bis zum Jahr 2006, informierte Gusenbauer.

Als Eckpunkte des SPÖ-Modells nannte Gusenbauer die Schaffung eines gemeinsamen, einheitlichen Pensionssystems, alle Versicherungszeiten, die bis heute erworben wurden, werden nach dem alten Muster behandelt und ab 1.1.2004 werden die Versicherungszeiten nach dem neuen System erworben. Dies bringe einen gleitenden Übergang, schaffe eine Perspektive und für die Jahre 2020 bis 2030 werde vorgesorgt, dass die Pensionen auf Basis der Beiträge und des Bundeszuschusses gesichert sind.

Im Unterschied zur ÖVP sehe die SPÖ bei den Pensionen "faire Aufwertungsfaktoren" vor; es spiele keine Rolle, ob jemand zu Beginn oder am Ende seines Berufslebens viel verdient hat. Geht es nach der Regierung, so könnte von zwei Personen, die den identen Beitrag einbezahlt haben, eine am Ende eine doppelt so hohe Pension erhalten wie der andere. Als Beispiel nannte Gusenbauer eine Frau, die am Beginn ihres Beruflebens gut verdient hat, aber etwa dann durch die Babypause ein geringeres Einkommen bezogen hat und dadurch eine geringere Pension bekommt, als jemand, der zu Beginn wenig verdient hat, aber die letzten 15 Jahre ein höheres Einkommen hatte.

Angesprochen darauf, dass man nach dem SPÖ-Modell, wonach man nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent Nettoersatzrate bekommt, zehn Prozent verliere, erklärte der SPÖ-Vorsitzende: "Wenn wir ein langfristig sicheres, gerechtes und finanzierbares System wollen, dann müssen wir Maßnahmen setzen: Wir müssen für eine gute Wirtschaftsentwicklung sorgen und bestehende Ungerechtigkeiten beseitigen. 2034, wenn es das gemeinsame System zu 100 Prozent gibt, bekommt man 80 Prozent des durchschnittlichen Einkommens. Das ist zwar weniger, aber es geschieht zu einem überschaubaren Zeitpunkt und es handelt sich um einen Betrag, mit dem man leben kann." Nach dem Regierungsmodell bekomme man nur zwischen 50 und 60 Prozent Nettoersatzrate, wodurch der Lebensstandard nicht mehr gesichert sei.

Gusenbauer betonte weiters, dass er nicht in bestehende Pensionen eingreifen wolle, dass aber ein solidarischer Beitrag jener, die über der ASVG-Höchstpension liegen, gefordert sei. Diese sollten in einen Pensionssicherungsfonds einen Beitrag in der Höhe von zehn Prozent jenes Betrages, der die ASVG-Höchstpension übersteigt, zahlen. Bezieht z.B. jemand eine Pension von 13.000 Euro und man zieht davon 2.300 Euro, die ASVG-Höchstpension, ab bleiben 10.700 Euro, davon zehn Prozent - ergibt eine Pension von etwa 12.000 statt 13.000 Euro. Konkret seien 150.000 Menschen betroffen, die über der ASVG-Höchstpension liegen. Sieben Prozent der Pensionsbezieher bekämen damit 22 Prozent der Pensionen. Im Jahr kämen so 214 Millionen Euro in den Pensionssicherungsfonds; bis 2020 hätte man damit einen Überschuss von 4,7 Milliarden Euro. Dadurch könnte der Anstieg der Pensionisten ab 2020 bis 2030 bedient werden, und der Zuschuss des Bundes würde sich im Jahr 2020 im Vergleich zu 2004 nicht erhöhen.

Bezugnehmend auf die Situation der Frauen erklärte der SPÖ-Vorsitzende, dass die Durchrechnungszeitenvariante des ÖVP-Pensionsmodells besonders Frauen treffen würde. Alternativ dazu das SPÖ-Modell: so sind etwa Änderungen bei den Kinderbetreuungszeiten vorgesehen. Für Kindererziehungszeiten soll der Staat bis zum Schuleintritt des Kindes Ersatzzeiten finanzieren.
   

ÖPV will mit Pensionsreform Steuerreform finanzieren
Die Pensionspolitik der ÖVP sei sowohl für die Bevölkerung als auch für das Budget schlecht, so Gusenbauer. Diese zusätzliche Budgetbelastung ergebe sich durch höhere Ausgaben für Arbeitslose. Im ÖVP-Pensionsmodell gehe es in Wahrheit nicht um Pensionssicherung, sondern um die Finanzierung der Steuerreform.

Gusenbauer sagte weiters, das Pensionsmodell der ÖVP diene dazu, die Budgetlöcher des Finanzministers 2006 zu stopfen. Der Finanzminister habe so getan, als ob in der laufenden Legislaturperiode die Aufwendungen für die Pensionen gigantisch gestiegen seien. Tatsächlich seien diese nicht gestiegen und der Finanzminister wolle aus den Pensionstöpfen andere Dinge finanzieren. Selbst ÖVP-Generalsekretär Lopatka habe dies zugegeben. Gusenbauer: "Es geht hier schon lange nicht mehr um Pensionssicherung".

Wesentlich für die Pensionsreform sei auch die wirtschaftspolitische Entwicklung sowie die Arbeitsmarktpolitik der nächsten Jahre, unterstrich Gusenbauer. Der Finanzminister gehe stets davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren weiter steigen werde. "Warum sollen wir uns damit zufrieden geben?", so Gusenbauer.

Derzeit liege Österreich in der Entwicklung der Beschäftigung EU-weit an vorletzter Stelle. Man dürfe einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit "nicht einfach hinnehmen", nicht zuletzt deshalb, weil dem Staat dadurch sehr viel Geld entgehe.

Kritik am ÖVP-Pensionsmodell käme auch von Seiten der Wirtschaft, merkte Gusenbauer an. So habe unter anderem die Industriellenvereinigung auf einen zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit hingewiesen, sollte das ÖVP-Modell in dieser Form umgesetzt werden: "Die jetzige Pensionsreform macht auch den Unternehmern Probleme", so Gusenbauer. Zwar strebe auch das SPÖ-Modell an, dass Menschen bis 65 arbeiten können, die Betonung liege allerdings auf dem Wort "können", unterstrich Gusenbauer.

Bei den Beamten sieht das SPÖ-Modell geringere Arbeitnehmerbeiträge, dafür aber Arbeitgeberbeiträge vor. Die derzeitige Situation, in der der Staat am Ende die gesamte Beamtenpension zahle, sei untragbar.
   

»Streiks sind keine Angelegenheit politischer Parteien«
Gusenbauer zeigte Verständnis für die von der Gewerkschaft angekündigten Streiks, fügte jedoch hinzu: "Streiks sind keine Angelegenheiten politischer Parteien sondern der unabhängigen Gewerkschaften". Schüssel habe sowohl den Gewerkschaften als auch den Oppositionsparteien "die kalte Schulter" gezeigt: "Andauernd stößt die Regierung alle anderen vor den Kopf. Irgendwann ist es genug".

Gusenbauer bezeichnete den Stil der Bundesregierung als "problematisch": "Die Bundesregierung versteht Demokratie als Eintagsfliege: Einmal wird gewählt, und dann gibt es die Diktatur der 52 Prozent". ÖGB-Präsident Verzetnitsch und Wirtschaftskammer-Präsident Leitl hätten Schüssel ein Angebot gemacht, dieser habe das Angebot ausgeschlagen.

"Jeder weiß, die österreichischen Gewerkschaften sind die verantwortungsvollsten der Welt. Wenn die sagen, es reicht, dann sollten bei der Regierung die Alarmglocken schlagen", so Gusenbauer.
     
siehe Stellungnahmen der ÖVP und der FPÖ    
zurück