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Nationalrat beschließt Familienhospizkarenz
Trotz diverser Bedenken stimmen SPÖ und Grüne in dritter Lesung zu
Wien (pk) - Präsident Fischer gab vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass die sozialdemokratische Fraktion eine Dringliche Anfrage (3933/J) an den Bundeskanzler betreffend "völliges Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik" eingebracht habe. Die Grünen verlangen für ihren Antrag auf ein generelles Verbot privater Schusswaffen (688/A[E]) eine Fristsetzung. Beide Gegenstände werden am Nachmittag debattiert.

Erster Punkt der Tagesordnung war dann die Familienhospizkarenz.

Abgeordnete SILHAVY (S) erinnerte zu Beginn ihrer Wortmeldung an die europaweite Diskussion über Sterbehilfe, die nach der gesetzlichen Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Belgien und in den Niederlanden eingesetzt habe. Österreich gehe einen anderen Weg, man wolle den Menschen ermöglichen, in Würde zu sterben. Wie es gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Angebote beim Beginn des Lebens gebe, solle es solche Angebote und Rahmenbedingungen auch am Ende des Lebens geben. Ein Teil dieses Angebots sei der Rechtsanspruch, Zeit mit sterbenden Menschen verbringen zu können. Silhavy würdigte den Gesetzentwurf, in den sozialdemokratische Forderungen wie sozialversicherungs- und arbeitsrechtlicher Schutz aufgenommen worden seien. Gleichzeitig bemängelte sie aber, dass neue Lebensformen diskriminiert würden und eine Existenzsicherung der Pflegenden fehle. Silhavy brachte daher zwei Abänderungsanträge ein, die diese Punkte betreffen.

Auch Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) begann seine Rede mit einem Hinweis auf die Regelungen in den Niederlanden und in Belgien. Er sei froh, dass in Österreich heute ein anderer Weg gefunden wird, der die Begleitung bis in den Tod ermöglicht. 81 % der Menschen in Österreich wollen zu Hause sterben, aber nur einem Drittel von ihnen sei dies möglich, verwies Pumberger auf statistische Daten. Wer gegen das Familienhospizkarenzgesetz stimme, gehe einen Weg in Richtung Euthanasie, wandte sich Pumberger an die Opposition. Er sah dafür bei den Sozialdemokraten Belege in Äußerungen des früheren Klubobmanns Sepp Wille und der SJ Kärnten, bei den Grünen in einem Interview von Klubobmann Van der Bellen, in dem dieser sich für die Straffreiheit bei Beihilfe zum Selbstmord ausgesprochen habe.

Er möchte sachlich bleiben, replizierte darauf Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G), und bemängelte an dem Gesetzentwurf zunächst die Beschränkung der Möglichkeit, Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen zu können, auf nahe Verwandte. Die Reduktion auf Verwandtschaftsbeziehungen sei "kalt, schnoddrig, an der Realität vorbei gehend", formulierte der Abgeordnete, Verwandtschaft sei nicht mit einem Mehr an Zuwendung gleich zu setzen. Zu befürchten sei auch, dass die Begleitung von Sterbenden "eine Domäne von Wohlhabenden und Begüterten" werde und den Frauen zufalle. "Kyrie eleison vor so viel blinder Selbstgerechtigkeit einiger", fasste Grünewald zusammen und appellierte an die Regierungsfraktionen, die Vier-Parteien-Gespräche wieder aufzunehmen.

Mit der Familienhospizkarenz betrete man sozialpolitisches Neuland; nach dem Kindergeld für alle werde Österreich damit neuerlich zum "Vorzeigeland", eröffnete Abgeordnete STEIBL (V) ihre Rede. Erstmals werde in Europa Wirklichkeit, dass Kinder ihre Eltern aus dem Leben begleiten können, sagte Steibl und würdigte die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegenden durch das Gesetz. Zugleich dankte sie der Wirtschaft für ihre Zustimmung zu der Regelung. "Nach Belgien" drohe ein "ethischer Dammbruch", meinte Steibl weiter. An die Adresse des Katholischen Familienverbands und der Caritas, die den Entwurf als mangelhaft kritisiert hatten, gerichtet, sagte die Abgeordnete, Forderungen könne man immer erheben, man müsse aber schauen, was sozialpolitisch machbar sei.

Der Entwurf sei "sicherlich begrüßenswert", erklärte S-Abgeordneter NÜRNBERGER, er befürchte aber, dass er nur von sehr wenigen in Anspruch genommen werden könne. Mit Zitaten nach dem Katholischen Familienverband und Caritas-Präsident Küberl belegte er seine Kritik der mangelnden Existenzsicherung für Karenzierte. An die Abgeordneten der Volkspartei richtete er den Appell, den Anträgen der SP zuzustimmen.

Nürnberger kam dann auf Personalfragen zu sprechen. Er zitierte aus einem Sitzungsprotokoll, laut dem F-Abgeordneter Gaugg als stellvertretender Generaldirektor der PVA vorgesehen sei. Mit der Gage, die in diesem Zusammenhang an einen Personalberater gezahlt werde, könnten einige Menschen bei der Sterbekarenz unterstützt werden, meinte Nürnberger.

Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN löste mit seiner einleitenden Bemerkung, die personalpolitischen Äußerungen Nürnbergers seien im Zusammenhang mit der Familienhospizkarenz "unangemessen und unpassend", heftige Proteste bei den Sozialdemokraten aus. Besser als ein Konsens in der Ablehnung der Euthanasie sei ein Konsens bei Maßnahmen dagegen, bezog sich Bartenstein auf die früher bereits erreichte Vier-Parteien-Einigung, und stellte den Status quo der Situation gegenüber, die durch das Gesetz geschaffen werde. Die Reform liege im Sinne der Menschlichkeit, schloss Bartenstein.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) reagierte empört auf den Abgeordneten Nürnberger, der seine Wortmeldung zum Anlass für Kritik an Personalentscheidungen genommen hatte. Die SPÖ trete dieses wichtige Gesetz mit Füßen, bemerkte er.

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Der Redner hob den menschlichen Aspekt der Reform hervor und begrüßte weiters, dass die nunmehr gefundene Regelung einen Rechtsanspruch bei gleichzeitiger Arbeitsplatzgarantie beinhaltet. Für Dolinschek stellte die Pflegehospiz einen weiteren Schritt dar in Richtung einer familienfreundlicheren Arbeitswelt.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte, dass außereheliche Partnerschaften und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften von der Hospizkarenz ausgeschlossen sind. Er erinnerte daran, dass gerade die Partner von Aids-Kranken erstmals auf das Problem der Sterbebegleitung aufmerksam gemacht hatten, und warf der ÖVP Inhumanität und Scheinheiligkeit vor.

In einem Entschließungsantrag forderte er demnach die Ausweitung der Regelung auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Bundesminister Mag. HAUPT bezeichnete die Forderungen der Grünen als nachvollziehbar und versicherte Öllinger, er werde sich in der zweijährigen Evaluierungsphase um die gewünschte Ausweitung bemühen. Der Minister gab aber zu bedenken, dass die heute getroffene Lösung jedenfalls eine klare Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage bedeutet. Was die materielle Absicherung betrifft, trat Haupt für eine Finanzierung über das Pflegegeld ein.

Abgeordnete GATTERER (V) betonte, die Regierung gehe mit diesem Gesetz einen zutiefst menschlichen Weg nach dem Grundsatz "begleiten statt töten". Dieses Modell habe Vorbildcharakter für Europa, erteile Österreich damit doch eine klare Absage an Euthanasie-Gesetze, wie sie jüngst von den Niederlanden und Belgien beschlossen wurden. Kein Verständnis zeigte Gatterer für Kritik der SPÖ, wonach dieses Gesetz gegen die Frauen sei. Gerade Frauen, die sich in unserer Gesellschaft ja vornehmlich um todkranke Angehörige kümmern, erhalten nun eine Absicherung und Arbeitsplatzgarantie, unterstrich Gatterer.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) blieb jedoch bei ihrem Vorwurf, dass dieses Gesetz gegen die Frauen gerichtet sei, und argumentierte, viele sozial schwächere Frauen würden es sich einfach nicht leisten können, die Pflegezeit in Anspruch zu nehmen, da es an einer wirksamen materiellen Absicherung fehle.

Abgeordnete FREIGASSNER (F) würdigte das vorliegende Modell, wobei sie insbesondere die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung jener begrüßte, die todkranke Familienangehörige pflegen und betreuen.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) erachtete die Absicherung über den Familienhärteausgleichsfonds als nicht ausreichend, zumal dabei auf ein traditionelles Familienbild abgestellt werde und außereheliche Partnerschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, aber auch Ausländer keine Berücksichtigung finden. Sie forderte deshalb in einem Abänderungsantrag die Ausweitung des Gesetzes auf die genannten Gruppen.

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Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) warf der Opposition vor, einen falschen Zugang zur Familienhospizkarenz zu haben. Das Gesetz werde ausschließlich unter dem Blickwinkel der Existenzabsicherung beleuchtet, klagte er, alle positiven Aspekte würden übersehen. So könne ein Arbeitnehmer innerhalb von ein paar Tagen Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen, er habe einen Rechtsanspruch auf Rückkehr an seinen Arbeitsplatz und sei auch pensionsrechtlich abgesichert.

Gebe es eine Anspruch auf Karenzgeld, müsste die Familienhospizkarenz Mitterlehner zufolge ganz anders geregelt werden. Schließlich könnten laut Entwurf auch mehrere Verwandte gleichzeitig Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen, zudem genüge eine plausible Erklärung des Arbeitnehmers. Für Härtefälle gebe es, so der Abgeordnete, ohnehin eine finanzielle Absicherung, weiters sei eine Evaluierung des Gesetzes vorgesehen.

Abgeordneter LACKNER (S) meinte, das Gesetz hätte in der Tat ein Jahrhundertgesetz werden können, hätten die Regierungsfraktionen "nicht so kurz vor der Ziellinie den Weg verlassen". Seiner Ansicht nach fehlt mit der existenziellen Absicherung ein Kernstück des Gesetzes. Dieser Meinung sei auch der Katholische Familienverband. Lackner kündigte an, die SPÖ werde in dieser Frage nicht locker lassen.

Abgeordnete Mag. HARTINGER (F) erachtet die Möglichkeit der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen als enorm wichtig. Anhand eines persönlichen Erlebnisses schilderte sie, welch "herzlosen Umgang" mit Sterbenden es tagtäglich in Krankenhäusern gebe. Dabei hätten 80 % der Menschen Angst vor dem Sterben und wollten beim Sterben nicht allein sein. Strikt wandte sich Hartinger gegen aktive Sterbehilfe.

Abgeordnete BAUER (S) unterstrich, Familienhospizkarenz sei an sich etwas Wichtiges und Gutes, die vorgesehene Umsetzung beurteilte sie jedoch kritisch. Das "Hinausbegleiten eines Angehörigen" werde nur einer bestimmten Gruppe ermöglicht, bemängelte sie, nämlich Personen, die finanziell abgesichert seien. Bauer sprach sich dafür aus, während der Familienhospizkarenz einen Einkommensersatz aus dem Familienlastenausgleichsfonds zu erhalten.

Abgeordneter DONABAUER (V) skizzierte, aktive Sterbehilfe dürfe in Österreich keinen Platz haben. Im Gegensatz zu anderen Ländern sei man in Österreich den Weg der humanen Sterbebegleitung gegangen und schaffe mit dem vorliegenden Gesetz einen Anspruch auf Dienstfreistellung für die Betreuung Sterbender bei gleichzeitiger arbeitsrechtlicher und pensionsrechtlicher Absicherung. Die Familienhospizkarenz sei, konstatierte Donabauer, nicht nur ein Meilenstein, sondern zeige auch, dass "das Gerede von der sozialen Kälte der Regierung" falsch sei.

Abgeordneter HORN (S) führte aus, es gebe wohl keine schwierigere Zeit im Familienverbund, als wenn ein Mensch Abschied von der Familie nehme. In diesem Sinn bewertete er die Einführung der Familienhospizkarenz als positiv, er sieht es allerdings als großes Manko, dass es während der Karenz keinen Einkommensersatz gebe. Viele Menschen werden aufgrund des damit verbundenen Einkommensausfalls Familienhospizkarenz nicht in Anspruch nehmen können, glaubt Horn.

Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) hielt fest, wie man mit dem Sterben und mit dem Tod umgehe, sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. Ihrer Meinung nach lebt man heute in Zeiten des Egos und der großen Vereinsamung. Dass Menschen nicht allein sterben müssten, sondern in Begleitung naher Angehöriger, sei Sinn des vorliegenden Gesetzes. Damit zeige man auch Wertschätzung für kranke und schwache Bürger.

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Abgeordneter Dr. TRINKL (V) betonte, die Bundesregierung stehe für eine neue Sozialpolitik. Ein "Meilenstein" dieser Politik sei die Einführung der Familienhospizkarenz, sie sei die österreichische Antwort auf die Tendenz zur aktiven Sterbehilfe im Norden Europas. Trinkl bedauerte, dass die Opposition dem Gesetz nicht zustimmen wolle. Explizit dankte er dem gegenüber der Wirtschaft für deren Entgegenkommen, diese sei "von Anfang an im Boot gewesen" und habe sich ihrer Verantwortung gestellt.

Abgeordneter BRUGGER (F) wertete die Familienhospizkarenz als sozial- und gesundheitspolitischen Meilenstein in Österreich. Wer keine aktive Sterbehilfe wolle, müsse für optimale Sterbebegleitung sorgen, bekräftigte er. Die SPÖ habe es in 30 Jahren nicht geschafft, hier entsprechende Weichenstellungen vorzunehmen.

Abgeordnete RAUCH-KALLAT (V) gab zu bedenken, dass die Gesellschaft täglich mit spektakulären Todesfällen konfrontiert sei, den "ganz gewöhnlichen Tod" habe man hingegen jahrelang verdrängt. Erst vor ein paar Jahren habe ein Umdenken eingesetzt. Man habe erkannt, wie wichtig es sei, Menschen aus dem Leben zu begleiten. Mit der Familienhospizkarenz werde nunmehr auch eine gesetzliche Lösung für humane Sterbebegleitung geschaffen.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) beklagte, die Debatte zum vorliegenden Gesetzentwurf sei von Unterstellungen, Vorwürfen und Vorverurteilungen geprägt gewesen, nur wenige Abgeordnete der Regierungsfraktionen hätten sich sachlich mit den Argumenten der Opposition auseinandergesetzt. "Geben Sie allen, die sterben, die Chance, begleitet zu werden", forderte Öllinger die Koalitionsparteien auf, "schränken Sie das nicht auf Familien ein".

Abgeordnete BURES (S) erklärte, für die SPÖ sei es immer wichtig gewesen, dass Menschen in Würde sterben können. Jeder wisse, wie schwierig eine solche Situation sei, wenn man knapp davor stehe, einen nahen Angehörigen zu verlieren. Begleiten beim Sterben dürfe kein Luxus sein, mahnte Bures und äußerte die Hoffnung, dass die Regierungsfraktionen dem Abänderungsantrag der SPÖ in zweiter Lesung doch ihre Zustimmung geben werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf wurde in dritter Lesung einstimmig verabschiedet, nachdem SPÖ und Grüne in zweiter Lesung noch gegen den Entwurf gestimmt hatten. Die von der SPÖ und den Grünen eingebrachten Zusatz- und Abänderungsanträge blieben in der Minderheit. Ebenfalls mehrheitlich abgelehnt wurden die beiden Entschließungsanträge der Grünen.

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